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Frühwerk von Mozart in Venedig
"Diese Musik ist ein Wunder"

Als 16-Jähriger schrieb Wolfgang Amadeus Mozart die dramatische Serenade "Il sogno di Scipione". Bereits in diesem selten aufgeführten Werk zeigt sich Mozarts Kenntnis das Orchester einzusetzen. Mit viel Elan, Verve und beeindruckenden Sängern wird es nun im venezianischen Teatro Malibran aufgeführt.

Von Dieter David Scholz |
    Porträt in Öl des österreichischen Komponisten, der am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren wurde und am 5. Dezember 1791 in Wien verstarb. Barbara Kraft malte dieses Bild nach Mozarts Tod im Jahre 1819. Trotzdem gilt dieses Porträt in Fachkreisen als das dem Komponisten am ähnlichsten, auch nach Meinung von Mozarts Schwester "Nannerl" (Maria Anna). Diese Aufnahme ist undatiert.
    Mozart hatte die Azione teatrale (oder auch Serenata drammatica) von Metastasio zwischen seinen Opern "Ascanio in Alba" und "Lucio Silla" in kürzester Zeit geschrieben. (picture-alliance / dpa)
    Musik: "Il Sogno di Scipione", Ouvertüre
    "Il sogno di Scipione" wurde zu Mozarts Lebzeiten nie in ganzer Länge aufgeführt. Bei der Uraufführung des Werks am 1. Mai 1772 im Fürstbischöflichen Palast in Salzburg begnügte man sich wohl mit der finalen Huldigungsarie des Stücks. Erst 1979 wurde das anderthalbstündige Werk konzertant, dann nach einer nichtprofessionellen Aufführung beim Bayreuther Jugendfestspieltreffen 1982 erstmals professionell 1984 von Christopher Hogwood in Vicenca aus der Taufe gehoben. Nun kommt es erstmals in Venedig auf die Opernbühne.
    Musik: "Il Sogno di Scipione"
    "Diese Musik ist ein Wunder"
    Der Dirigent Federico Maria Sardelli hat das Jugendwerk Mozarts mit Elan und Verve einstudiert und Chor und Orchester des Teatro La Fenice zu historisch informiertem, vitalem Spiel angehalten:
    "Diese Musik ist ein Wunder, denn der erst 15-, 16-jährige Mozart zeigt bereits eine so tiefe Kenntnis der Instrumentierung und Orchesterbehandlung. Er weiß schon sehr genau, wie man für Hörner oder Fagotte komponiert. Die zweiten Violinen haben so viele Noten zu spielen! Dieser junge Mozart ist schon ein perfekter Beherrscher der Musik."
    Mozart hatte die Azione teatrale (oder auch Serenata drammatica) von Metastasio zwischen seinen Opern "Ascanio in Alba" und "Lucio Silla", die er für Mailand komponierte, in kürzester Zeit geschrieben. Das Stück ist Allegorie, Fürstenlob und philosophischer Traktat gleichermaßen, eine "dramatische" Version von Ciceros "Somnium Scipionis": Der römische Feldherr Scipio der Jüngere ist eingeschlafen; da erscheinen ihm im Traum die Göttinnen der Beständigkeit (Costanza) und des Glücks (Fortuna) und verlangen von ihm eine sofortige Entscheidung, welcher von ihnen er im Leben folgen wolle. Sie haben ihn in den unermesslichen Himmelstempel gebracht, wo die Sterne erstrahlen und die Sphärenharmonien zu hören sind.
    Und wo er den Helden begegnet, die für Roms Ruhm kämpften und starben, darunter seinem Vater Aemilius und seinem Adoptivgroßvater Publius. Sie lassen ihn die Nichtigkeit der Welt erkennen, den Wahn und das Irren der Menschen, die dem Glück anhängen, das doch nur ein kurzer Traum ist. So wählt Scipio die Beständigkeit zu seiner Begleiterin – aber es ist, so verkündet die allegorische Figur der Huldigung in der Schlussapotheose des Stückes, nicht Scipio, dem dieser Traum huldigt, sondern es ist der neu gewählte Salzburger Fürsterzbischof Colloredo. In der venezianischen Produktion wird sinnigerweise dem Römer erst ein moderner Generalsmantel und schließlich ein barockes Bischofsornat übergeworfen.
    Musik: "Il Sogno di Scipione", Arie des Scipione
    Stimmschönheit und Verzierungskunst bei den Sängern
    Der junge Tenor Valentino Buzza leiht Scipione seine gleichermaßen kultivierte wie virtuose Stimme. Er ragt aus einer sängerisch beglückenden Aufführung heraus, deren weitere fünf Solisten an Stimmschönheit, Stilsicherheit und Verzierungskunst ebenfalls kaum einen Wunsch offen lassen. Beeindruckend sind vor allem auch die Interpretinnen der um Scipio ringenden Göttinnen: Bernarda Bobro als Fortuna und Francesca Boncompagni als Costanza:
    Musik: Il Sogno di Scipione, Arie der Costanza
    Die Venezianerin Elena Barbalich, angesehene Opernregisseurin Italiens hat Mozarts "Traum des Scipio" mit Studenten der Accademia di Belle Art Venezia, wo sie auch als Dozentin wirkt, als ein elegisches Traumspiel über Macht und Mächtige inszeniert.
    Mozart und sein Vater Leopold
    Zwischen angedeutetem antikem Rom, Mozartzeit und Heute hat sie das Stück angesiedelt. Sie schuf dafür einen abstrakten, von Neonröhren gerahmten Bühnenraum, in dem sich schwarze Vorhänge heben und senken, transparente Plastiklamellen überlagern, Lichtstrahlen überkreuzen und Nebel kriechen. Man wohnt einem berührenden Theater der Symbole bei, einer Choreografie verführbarer Menschen, des Kreisens der Planeten um die Sonne wie himmlischer Sphärenmusik, die Mozart in Töne gefasst hat. Doch die Inszenierung ist mehr als nur philosophische oder politische Parabel, sie reflektiert am Beispiel des Vaterkonflikts Scipiones auch den des knabenhaften Komponisten Mozart mit seinem Vater Leopold, wie Regisseurin Elena Barbalich erläutert:
    "Ich glaube, er fühlte sich etwas bevormundet, weil sein Vater auf guten Beziehungen zum Salzburger Erzbischof insistierte. Mozart mochte diese Komposition deshalb wohl nicht sehr, weil er sich zu ihr verpflichtet fühlte. Was für ein Zufall, dass es einen zentralen Vaterkonflikt in diesem Stück gibt. In den Charakteren von Emilio und Publio kann man gewissermaßen die zwei Gesichter von Mozarts Vater Leopold wieder erkennen. Meine Studenten und ich haben das versucht, wie in einem Alptraum vorzuführen."
    Die venezianische Aufführung des selten gespielten Jugendwerks Mozarts ist nicht nur eine musikalisch-sängerisch wie inszenatorisch bemerkenswerte Produktion des Teatro La Fenice, sie darf auch als vorweggenommene Anspielung auf den Geburtstag von Mozarts Vater Leopold verstanden werden, der sich im November dieses Jahres zum 300. Male jährt.
    Musik: Il Sogno die Scipione, Chorfinale 1