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Frühzeit der großen Meeressäuger
Der vierbeinige Wal

Vier Meter lang und mit vier gut ausgebildeten Hufen, an deren Zehen sich vermutlich bereits Schwimmhäute befanden - der Fund eines rund 43 Millionen Jahre alten Wal-Skeletts in Peru erlaubt Forschern erstmals Einblicke in die Zeit, als Wale noch Beine besaßen. Aber er wirft auch neue Fragen auf.

Von Michael Stang |
Nachbildung eines laufenden Wals
Die frühen Wale lebten noch amphibisch, gingen also an Land, um dort Nachwuchs zu bekommen oder sich auszuruhen. Hier eine Nachbildung eines laufenden Urzeitwals (picture alliance / blickwinkel/fotototo)
Die Frühzeit der Wale begann vor rund 50 Millionen Jahren in jenem Gebiet, in dem heute Pakistan und Indien liegen, sagt Olivier Lambert vom Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel. "Wir wissen, dass die frühen Wale noch amphibisch lebten. Sie gingen also an Land, um sich ausruhen oder Nachwuchs zu bekommen. Gefressen haben sie aber schon im Wasser. Die große Frage aber war: Wie sahen ihre Nachfolger in anderen Teilen der Welt aus? Bisher hatten wir keine Anhaltspunkte darüber, wie ihr Skelett unterhalb des Schädels aussah und ob sich Tiere sich noch an Land fortbewegen konnten."
Klar war bislang nur, dass aus vierbeinigen Huftieren im Laufe der Evolution Wale wurden. Unklar war aber bisher, wann, wo und wie diese Veränderungen stattfanden und in welcher Reihenfolge. Antworten liefert jetzt ein Fossil, das Olivier Lambert in Südamerika entdeckt hat. "Bei unserem Fund handelt es sich um das Skelett einen vierbeinigen Wals, den wir im Pisco-Becken an der Südküste Perus ausgegraben haben. Das Fossil konnten wir auf ein Alter von rund 43 Millionen Jahren datieren. Damit handelt es wahrscheinlich um ältesten bislang bekannten Fund eines Wals in der Neuen Welt."
"Wandernder Wal vom Pazifik"
Dieser frühe Wal war mit rund vier Metern Länge schon recht groß. Er verfügte noch über gut ausgebildete Hufe, an deren Zehen sich vermutlich bereits Schwimmhäute befanden. Olivier Lambert zufolge waren diese Tiere wendige Schwimmer, ähnlich wie heutige Otter. Dieses Fossil erlaubt erstmals Einblicke in jene Zeit, in der Wale noch vier Beine besaßen und diese auch noch nutzen konnten, aber schon gut an das Leben im Wasser angepasst waren, aber eben noch nicht vollständig. Das Tier erhielt den wissenschaftlichen Namen Peregocetus pacificus. "Der Name bedeutet ‚wandernder Wal vom Pazifik‘. Wir wollten damit ausdrücken, dass er der erste vierbeinige Wal ist, der im Pazifikraum entdeckt wurde."
Damit ist die Migrationsroute der frühen Wale von Indien aus über Nordafrika nach Südamerika nun die wahrscheinlichste der bisher konkurrierenden Migrationshypothesen. Die große Überraschung ist aber, dass die globale Ausbreitung der Wale begann, noch bevor sie reine im Wasser lebende Tiere waren. Ungeklärt ist aber gleichzeitig, wie sie ohne Rastplätze dorthin gekommen sind, sagt der US-Amerikanische Paläontologe Nick Pyenson.
Wie kam der vierbeinige Wal nach Südamerika?
Er ist Kurator für fossile Meeressäugetiere am Nationalmuseum für Naturgeschichte in Washington, D.C. "Dieser neue Fund verrät uns zwei Dinge: Zum einen liefert er uns den definitiven Beweis dafür, dass es vierbeinige Wale auf einem Kontinent gab, von dem wie bislang nicht wussten, dass sie auch dort existierten, die Rede ist von Südamerika. Zum anderen zeigt der Fund deutlich, dass wir überlegen müssen, wie diese Tiere dorthin gelangt sind, da sie ja noch nicht vollständig an das Leben im Wasser angepasst waren."

Dieser Wal stellt aber nur in der Retrospektive einen Übergang dar. Peregocetus war vor 43 Millionen Jahren gut an seine Umwelt angepasst. Dass aus manchen Nachfahren des amphibisch lebenden, vierbeinigen Huftiers mehr als 30 Meter lange Wale werden oder ein Echolot entwickeln würden, war damals noch nicht absehbar.