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Fühlen statt hören

Neurologie. - Gehörlose Menschen sind nicht völlig von der akustischen Welt abgeschnitten. Zahlreiche gehörlose Musiker beweisen, dass sie Musik empfinden können. Sie ersetzen das Gehör weitgehend durch den Tastsinn. Ein Neurologe der Universität von Washington in Seattle hat jetzt untersucht, welche Hirnregionen bei gehörlosen Menschen aktiv sind, wenn sie Musik empfinden.

    "Das Experiment war sehr einfach, ich habe bei zehn gehörlosen und elf hörenden Studenten mit einem Kernspintomographen untersucht, welche Gehirnregionen aktiv waren, wenn ein Plastikstab zu vibrieren anfing, den sie in der Hand hielten", erklärt Dean Shibata. Mit dem Tomographen kann Shibata dreidimensionale Bilder des Gehirns machen. Und bei denen zeigte sich einmal mehr, dass das Gehirn keineswegs aus Zentren mit fest umrissenen und unveränderlichen Zuständigkeitsbereichen besteht. Denn bei den Gehörlosen reagierte außer der für den Tastsinn zuständigen sensorischen Gehirnrinde auch die Hörrinde. "Es scheint so, als würde sich das Gehirn der Gehörlosen im Laufe der Entwicklung anders verdrahten, anscheinend bilden sich neue Verknüpfungen zwischen der sensorischen und der Hörrinde", so Shibata.

    Möglicherweise erschließt sich damit eine neue Hilfe für Gehörlose. Es gibt bereits Geräte, die Schall in Vibrationen umwandeln. Sie sehen aus wie ein Walkman, haben aber statt eines Kopfhörers einen mechanischen Schwingungsgeber. Allerdings sind die Geräte noch nicht sehr weit verbreitet. Shibata möchte das ändern: "Meine Ergebnisse legen nahe, dass gehörlose Kinder möglichst früh damit trainieren sollten, damit ihr Gehirn lernen kann, Vibrationen effektiv zu entschlüsseln."

    [Quelle: Frank Grotelüschen]