Führungskultur
Was Chefinnen und Chefs heute können müssen

Die meisten Menschen müssen am Arbeitsplatz mit ihnen umgehen: Chefinnen und Chefs. Was zeichnet eine gute Führungskraft aus? Sind Frauen womöglich andere und vielleicht bessere Vorgesetzte als Männer?

    Geschäftsmann schiebt Geschäftsleute in einer Schubkarre
    Laut Umfragen sind viele Beschäftigte unzufrieden mit der Führungskultur in ihren Unternehmen. (picture alliance / Ikon Images / Gary Waters)
    Es war eine Umfrage, die aufhorchen ließ und Schlagzeilen machte: Nur 25 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind mit der direkten Führungskraft im Job rundum zufrieden. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung des Gallup Instituts. Demnach verrichten knapp 70 Prozent nur noch „Dienst nach Vorschrift“. Die Zuversicht, dass die Geschäftsführung künftige Herausforderungen erfolgreich meistern wird, habe gelitten. Nur noch 29 Prozent der Befragten trauten ihr das zu.
    Verstärkt wird seit einigen Jahren über die Verantwortung von Führungskräften diskutiert. Debattiert wird etwa über demokratische und autokratische Führungskultur - und über emotionale Intelligenz von Chefinnen und Chefs.

    Inhalt

    Was zeichnet gute Führungskräfte aus?

    Gut ausgebildete Fachkräfte stellten heutzutage höhere Ansprüche an Vorgesetzte, sagt Pa Sinyan, zuständig für „workplace culture“ bei der Gallup Unternehmensberatung. Denn diese Fachkräfte könnten sich aussuchen, wo sie arbeiten. Wenn es ihnen irgendwo nicht gefällt, dann wechselten sie den Job. Und das setze Führungskräfte unter Druck. „Der Wert von Führung hat enorm zugenommen“, sagt Sinyan. Vorgesetzte hätten die Aufgabe, Mitarbeiter zu halten.
    Gallup führt auch internationale Umfragen durch. Ein Ergebnis laut Pa Sinyan: „Was man erfüllen muss, damit Mitarbeiter leistungsbereit sind und Wohlergehen bei der Arbeit erleben, das sind menschliche Bedürfnisse am Arbeitsplatz.“ Dies fange an bei Grundbedürfnissen wie Klarheit. „Was wird hier von mir erwartet? Was soll ich machen? Bis wann soll ich es machen? Das ist wirklich das Fundament von guter Führung.“
    Führungskräfte müssten die Ziele des Unternehmens erreichen, sagt Rudolf Kerschreiter, Professor für Wirtschaftspsychologie an der FU Berlin. „Einmal gibt es Ziele, die eher leistungsorientiert sind – für das Unternehmen. Auf der anderen Seite gibt es Ziele, die eher an die Mitarbeiter orientiert sind.“ Kerschreiter spricht vom „Wohlbefinden der Mitarbeiter“ durch „Kompetenzen“, „Handlungsspielraum“ und „soziale Eingebundenheit“. Um langfristig erfolgreich zu sein, sollten sich Führungskräfte um beide Arten von Zielen kümmern, so der Wissenschaftler.

    Welche Führungsqualitäten erwarten Mitarbeitende?

    Sehr wichtig ist Angestellten, wie sie behandelt werden. Pa Sinyan nennt „Wertschätzung, Anerkennung“ und „das Gefühl, dass man als Mensch gesehen wird, dass man Vorgesetzte hat, die sich für einen interessieren“. Wichtig sei auch, „eine Teamkultur zu schaffen“, in der man gut zusammenarbeiten könne und wo ein „offenes Miteinander“ vorhanden sei. Psychologische Sicherheit, die Möglichkeit, Freundschaften entstehen zu lassen, sowie gegenseitige Verantwortlichkeit sind weitere Punkte.

    Wie unterschiedlich ist die Erwartungshaltung an Vorgesetzte in verschiedenen Ländern?

    Lob und Anerkennung ist Menschen überall auf der Welt wichtig, sagt Pa Sinyan von Gallup. „Die Bedürfnisse sind kulturübergreifend eigentlich die gleichen. Ob ich in Deutschland, in China oder in Gambia bin – was wir Menschen am Arbeitsplatz suchen, sind klare Erwartungen. Wir wollen dazu befähigt werden, unseren Job zu machen. Wir wollen gesehen, wertgeschätzt und anerkannt werden. Wir möchten Freunde haben und das Gefühl haben, dass wir wachsen – in allen Kulturen, in allen Industrien, auf allen Ebenen. Ob ich CEO bin oder Rezeptionist, es sind die gleichen Bedürfnisse, die wir sehen.“
    Wie Führungskräfte diese Bedürfnisse der Beschäftigten erfüllen, ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Deutschland sind Vorgesetzte oft eher schlecht darin, Lob und Anerkennung zu zeigen. Hier gilt offenbar noch das Motto „Nicht schimpfen ist genug gelobt“ für viele Führungskräfte. Deutschland sei eines der Länder, in denen Menschen am wenigsten Anerkennung bekämen bei der Arbeit, sagt Pa Sinyan von Gallup. „Aber liegt es daran, dass wir Deutschen anders sind? Nein.“
    Unzufriedenheit mit Führungskräften sei der häufigste Kündigungsgrund gerade bei jüngeren Beschäftigten, schildert Astrid Schütz ihren Eindruck aus Gesprächen mit Betroffenen. Sie ist Persönlichkeitspsychologin an der Universität Bamberg und forscht zu sozialer Interaktion am Arbeitsplatz. Dabei sei es für Unternehmen gerade in Zeiten des Fachkräftemangel wichtig, „gute Menschen zu halten“, so Schütz. „Wenn schlecht geführt wird, ist das ein großer Nachteil für Unternehmen, weil man die besten Leute wahrscheinlich an die Konkurrenz verliert.“

    Führen Frauen anders und besser als Männer?

    Es gibt sehr viele unterschiedliche Studien dazu. „Was man auf der Basis der verschiedenen Ergebnisse schon sagen kann, meiner Meinung nach, ist, dass Frauen zumindest nicht schlechter führen als Männer“, sagt Astrid Schütz. Es gebe viele Befunde, „dass Frauen gut führen“. Es gebe Hinweise, dass Frauen Menschen mehr einbinden und ihnen besser zuhören. „Zum Beispiel gibt es Befunde dafür, dass Frauen dazu tendieren, tendenziell eher demokratisch zu führen, Männer tendenziell eher dazu neigen, direktiv oder autoritär zu führen.“
    Narzissmus, also die Tendenz, sich selber als besser, als etwas Besonderes, als überlegen zu sehen, sei bei Männern im Durchschnitt stärker ausgeprägt als bei Frauen, so Schütz. „Das kann teilweise günstig sein für eine Führungsposition, also im Sinne von Ziele vorgeben, Visionen vorgeben.“ Es könne aber auch „sehr problematisch“ sein – im Sinne von „nicht auf Augenhöhe führen“, also „andere abwerten, andere nicht ernstnehmen“.
    Eine weitere wichtige Eigenschaft ist laut Schütz emotionale Intelligenz. „Im Durchschnitt haben Frauen höhere emotionale Intelligenz als Männer. Das bedeutet, dass sie eigene Emotionen, aber auch Emotionen von anderen akkurater wahrnehmen, also genauer sehen können, wie geht es meinem Mitarbeiter oder meiner Mitarbeiterin heute.“
    Laut Gallup-Umfrage wollen 38 Prozent der Befragten lieber einen Mann als Chef, 52 Prozent ist es egal. Rund zehn Prozent wollen lieber eine Chefin.

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