Archiv

Führungswechsel bei der DFG
Die Kluft zu den Mitgliedern überwinden

Die DFG ist eine der wichtigsten Institutionen zur Forschungsförderung in Deutschland. Vor der Jahresversammlung erläutert Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda im Dlf, welche Reformen die DFG angehen sollte und wer Chancen auf den neu zu besetzenden Präsidentenposten hat.

Jan-Martin Wiarda im Gespräch mit Ralf Krauter |
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Peter Strohschneider, spricht am 19.03.2013 in Berlin während der Verleihung des Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preises.
Peter Strohschneider ist seit 1. Januar 2013 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Seine Amtszeit endet Ende 2019. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
Ralf Krauter: Wie bewerten Sie die Leistung des scheidenden DFG-Präsidenten Peter Strohschneider?
Jan-Martin Wiarda: Was man auf jeden Fall sagen kann: Er hatte einen ganz klaren Kompass. Er hat zum Beispiel in einer Debatte über sogenannte Fake Science immer wieder sehr deutlich Partei ergriffen gegen Populismus jeder Art, hat sich da sehr laut und deutlich ausgesprochen - das muss man ihm hoch anrechnen. In der Politik genießt er großen Respekt; manche sagen sogar, einige Politiker hätten Angst vor ihm. Das DFG-Budget ist in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen, er hat dieses Wachstum auch gesteuert. Und als es zwischendurch so aussah, als würde es in dem nächsten Pakt für Forschung und Innovation, der im Mai beschlossen worden ist, einen geringeren Aufschlag für die Außeruniversitären geben, ein geringeres Plus, hat er erfolgreich Druck gemacht. Insofern kann man schon sagen: Die DFG hat ihm einiges zu verdanken. Allerdings, er ist auch an manchen Stellen so, dass er als nicht als so wahnsinnig nahbar gilt. Er ist ein ausgezeichneter Redner, manche halten seine Reden aber fast schon für zu anspruchsvoll - und damit verkörpert er so ein bisschen auch die Kritik an der DFG, sie habe sich zu weit von ihren Mitgliedern, vor allem den Universitäten entfernt.
Unklare Kompetenzverteilung
Krauter: Peter Strohschneider hat sich im Vorstand lange einen Machtkampf mit der ehemaligen DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek geliefert, die im November 2018 für viele überraschend zurückgetreten ist. Damals wurde publik, dass in der DFG-Führungsetage offenbar vieles im Argen liegt. Welche Konsequenzen hat man daraus gezogen?
Wiarda: Für viele war dieser unfreiwillige Weggang, so will ich es mal nennen, von Frau Dzwonnek ein Beleg dafür, dass die Kluft zwischen Mitgliederuniversitäten und DFG vorhanden ist und dass man sie nicht mehr wegdiskutieren kann. Viele haben gesagt, es herrsche nicht genug Transparenz im Vorgehen der DFG-Führung. Was genau zwischen Strohschneider und Dzwonnek vorgefallen ist, bleibt deren Geheimnis. Fest steht: Die Satzung der DFG, die einen Vorstand aus zwei Personen vorsieht - eben dem Präsidenten und die Generalsekretärin - hat mögliche Konflikte gefördert. Auch deshalb, weil manchmal die Kompetenzverteilung zwischen den beiden nicht so richtig klar war. Das will man jetzt ändern durch eine Satzungsreform, die auch beschlossen werden soll in Rostock bei der Jahresversammlung der DFG.
Krauter: Da sollen die Zuständigkeiten dann genauer definiert werden, als das bisher der Fall war. Sprechen wir über mögliche Nachfolger für Peter Strohschneider. Welche Namen sind für die Nachfolge im Rennen?
Wiarda: Der bekannteste Name ist sicherlich Wolfgang Marquardt. Der ist derzeit Chef des Forschungszentrums Jülich und war auch von 2011 bis 2014 Vorsitzender des Wissenschaftsrats, dem wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremium von Bund und Ländern. Er wird jetzt als Nachfolger gehandelt, ist einer von drei Kandidaten. Dazu kommen zwei Kandidatinnen, die im Gegensatz zu Marquardt DFG-Stallgeruch haben: Zum einen die Medizinerin Katja Becker, Professorin in Gießen, seit 2014 Vizepräsidentin der DFG. Und andererseits Dorothea Wagner - Informatikerin und Professorin für Algorithmik in Karlsruhe. Sie war Vizepräsidentin von 2007 bis 2014 und ist Mitglied im Wissenschaftsrat. Und jetzt wird sich so ein bisschen entscheiden: Auf der einen Seite gilt Marquardt als sehr gut vernetzt, er gilt als sehr kenntnisreich. Allerdings sagen auch viele: Es müsste jetzt mal eine Frau an die Spitze der DFG. Nicht nur, aber gerade auch, weil in den vergangenen Tagen eine Reihe wichtiger Personalentscheidungen in der Wissenschaft jeweils nur zugunsten von Männern getroffen worden sind. Also insofern ist die Entscheidung, die da morgen fällt, wirklich total offen. Es sind drei starke Kandidaten. Ich würde mich da nicht festlegen wollen, wer es wird.
Kluft zu den Mitgliedern überwinden
Krauter: Wir lassen uns überraschen, was rauskommt. Morgen Abend wissen wir mehr - schauen jetzt schon mal voraus: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Herausforderungen, die der Neue oder die Neue dann dringend angehen muss?
Wiarda: Am wichtigsten ist es sicherlich, die schon beschriebene Kluft zu den Mitgliedern zu überwinden. Es geht insgesamt darum, dass die DFG dem Eindruck widerspricht, sie würde im Zweifel eher näher an der Seite der Politik stehen - die ihr natürlich auch das Geld gibt - als an der Seite ihrer Mitgliedsuniversitäten. Und ganz wichtig noch: Das Thema Wissenschaftskommunikation. Ich habe es anfangs gesagt: Es gibt eine Debatte um Fake Science. Strohschneider hat sich wiederholt sehr deutlich gegen Populismus geäußert. Wo die DFG sicherlich noch mehr machen kann, ist in der Förderung von neuen Formaten der Wissenschaftskommunikation.
Krauter: Der scheidende Präsident Peter Strohschneider hat sich auch stark gemacht für Qualitätssicherung in der Wissenschaft. Er hat eine Abkehr vom Quantitätsrezept gefordert - also dass Forscher möglichst viel publizieren - und angeregt, dass man doch lieber weniger, aber bessere Fachartikel veröffentlichen sollte. Wie stehen die Chancen, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger sich auch diesem Ziel verschreibt und für alternative Anreize sorgt? Die DFG hat dafür ja letztlich einige Mittel in der Hand?
Wiarda: Die Chancen stehen sehr gut. Das Thema ist allgegenwärtig in der Wissenschaftsszene, und der Erwartungsdruck, etwas zu tun, ist enorm hoch. Das heißt, es ist sicherlich so, dass die Debatten weiterlaufen werden. Es wird aber sicherlich auch mehr passieren müssen, als dass man nur, wie es jetzt schon passiert, bei Förderanträgen sagt: Die Zahl der einzureichenden Papers, der veröffentlichten Artikel müsste begrenzt werden. Das ist sicherlich ein wichtiger Schritt, wird aber nicht reichen. Die Debatte, wie wir zu mehr Qualität kommen, wie wir wegkommen von der Publikationsflut, von dem Druck, der dadurch gerade auf junge Wissenschaftler entsteht, wird sicherlich weitergehen. Und dem wird sich auch der nächste oder die nächste DFG-Präsidentin stellen müssen.
Verlosung bei Projektauswahl
Krauter: Ein anderes gravierendes Problem ist, dass die DFG oft Probleme hat, überhaupt Gutachter für die tausenden Anträge zu bekommen, die bei ihr eingehen. 2017 waren es 32.500 Projekte, die gefördert wurden - Anträge gingen viel mehr ein. Was zur Folge hat, dass es gar nicht einfach ist, diese Gutachter zu rekrutieren, die dann entscheiden, was man fördert und was nicht. Muss der neue Chef, die neue Chefin da auch ganz neue Wege einschlagen?
Wiarda: Ich denke ja, und auf eine gewisse Weise sind diese neuen Wege ja schon angelegt. Ich habe vorhin den Pakt für Forschung und Innovation erwähnt. Teil dessen ist eine Zielvereinbarung. Und in der hat die DFG bereits versprochen, dass sie unkonventionelle Fragestellungen und risikoreiche Projekte stärker fördern möchte. Und das kann sie eigentlich nur, indem sie auch die Gutachterentscheidung neu sortiert. Das heißt vor allem, dass sie in der Lage ist, eventuell neue Verfahren der Projektauswahl zuzulassen. Es gibt das bekannte Beispiel, was die VW-Stiftung bereits macht: Ein Prinzip einer Verlosung. Das heißt, es werden die ganz schwachen Projektanträge aussortiert, und dann wird bei den übrigen nicht mehr fein ziseliert entschieden - was oft nämlich auch unfair sein kann, weil dann kleinste Unterschiede vielleicht zum Tragen kommen oder auch ein bisschen Glück. Sondern es wird gelost unter den übrigen Projektanträgen. Das verringert den Aufwand für die Gutachter beträchtlich. Und gleichzeitig - das zeigen auch Auswertungen - führt es nicht dazu, dass am Ende die ausgewählten Projekte schlechtere wissenschaftliche Ergebnisse produzieren.
Krauter: Also das wäre ein Rezept, das auch bei der DFG auf die Agenda kommen könnte, meinen Sie?
Wiarda: Ja. Und auch dringend auf die Agenda kommen müsste. Das ist auch in der Diskussion - wir werden sehen, wie mutig tatsächlich die DFG am Ende ist. Sie ist bekannt für ihre Stabilität. Sie ist nicht immer bekannt für ihre Schnelligkeit.