Vor fünf Jahren haben die Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich das Minsker Abkommen ausgehandelt. Es wurde oft als wirkungslos kritisiert, da die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und Soldaten der ukrainischen Armee in den Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine weitergehen. Trotzdem "war und ist das Abkommen ein Erfolg", meint der Politikwissenschaftler und Experte für Politik im post-sowjetischen Raum André Härtel, DAAD-Lektor für Deutschland- und Europastudien an der Kiewer Mohyla-Akademie. Denn Anfang 2015 habe die Ukraine vor einem militärischen und ökonomischen Kollaps gestanden. Das Abkommen habe dazu beigetragen, dass zumindest ein "negativer Frieden", also der Stopp von Kampfhandlungen, hergestellt wurde. Wenn auch auf einem relativ niedrigen Niveau, denn weiterhin sterben Menschen an der Kontaktlinie.
Selenskyj innenpolitisch unter Druck
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der immer wieder Frieden versprochen hatte, sei innenpolitisch unter Zugzwang, erklärt Härtel. In der Bevölkerung herrsche ein großes Bedürfnis nach Frieden, wie Umfragen zeigten. Aber es gebe auch Widersprüche innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die es für Selenskyj zu lösen gelte.
Logik eines "eingefrorenen Konflikts"
Russlands Interessenlage habe sich in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert, so Härtel. Über die Ukraine wolle Russland wie auch über andere post-sowjetische Staaten versuchen, Herrschaft wiederherzustellen. Die beiden separatistischen Regionen im Osten der Ukraine seien auch ein Instrument, um zu verhindern, dass die Ukraine sich nachhaltig Richtung Westen orientiere.
Für einen echten, positiven Frieden, sieht der Politologe auf Grund der unterschiedlichen Interessenlage wenig Chancen. Aber man könne den "negativen Frieden" weiter ausbauen. So könnten zusätzliche Grenzübergänge die humanitäre Lage verbessern. Um die Logik eines "eingefrorenen Konflikts" komme man wohl aber nicht herum.