Die Washington Post hat ihre Büros in einem modernen Bürogebäude unweit des Weißen Hauses am Franklin Square. In dem großen offenen Redaktionsraum hängen zahlreiche Bildschirme nebeneinander. Auf einer Leinwand wird in Echtzeit abgebildet, welche Geschichten gerade besonders gut laufen und wie viele User online sind.
Zeitenwende mit dem Amazon-Chef
Die renommierte Washington Post gehört seit fünf Jahren Jeff Bezos, dem reichsten Mann der Welt. Dabei hatte der Amazon-Chef eigentlich gar nicht vor, eine Zeitung zu kaufen.
"Als der Inhaber Don Graham mich angesprochen hat, habe ich gesagt: Ich bin nicht der richtige Mann für Euch. Ich habe keine Ahnung von Zeitungen. Aber er hat nur gesagt: Wir haben bei der Post viele Leute, die Ahnung vom Zeitungsmachen haben. Wir brauchen jemanden, der sich mit dem Internet auskennt."
Für 250 Millionen US-Dollar hat er die schwächelnde Hauptstadtzeitung gekauft. Und damit beginnt für die "Washington Post" eine Zeitenwende. Webseite und Apps wurden überarbeitet. Viele Analyseprogramme werden im eigenen Haus geschrieben, so dass den Machern Daten zur Verfügung stehen, um beispielsweise verschiedene Überschriften zu testen und die Reaktionen der Leser auszuwerten.
Seit zwei Jahren schwarze Zahlen
Und Bezos hat neuen Schwung und neues Selbstbewusstsein mitgebracht, erklärt der Chief Information Officer Shailesh Prakash auf NPR:
"Er redet viel mit uns darüber, keine Angst vor dem Experimentieren zu haben und langfristig zu denken. Wir sollten aufhören rumzujammern, dass das Internet uns das Veröffentlichen, unser Geschäftsmodell weggenommen hat. Es brachte neue Modelle."
Die Post schreibt das zweite Jahr in Folge schwarze Zahlen. Die Zahl der Abonnenten ist deutlich gestiegen. Das Rezept dafür: Abo-Preise runter - und Bezos hat die Verbreitung mit Amazon verknüpft, damit möglichst viele Menschen auf den Geschmack kommen. Rund 800 Journalisten arbeiten inzwischen bei der Post, und Bezos betont immer wieder, auch als ihm der Axel-Springer-Award verliehen wird, dass er sich inhaltlich nicht einmischt:
"Es würde mich demütigen, mich einzumischen. Es wäre mir peinlich, ich würde feuerrot anlaufen. Es würde sich unanständig anfühlen. Ich will, dass diese Zeitung unabhängig ist."
Trump beflügelt das Geschäft
Der Präsident hat die "Washington Post" und ihren Eigentümer auf dem Kieker. Immer wieder schimpft er auf die Zeitung und Jeff Bezos. Doch das hat der Post durchaus auch geholfen. Als Reaktion auf die politische Situation in den USA hat die Post ihre Investigativ-Abteilung verstärkt. Die Zeitung, die für die Aufdeckung der Watergate-Affäre steht, hätte auch jedem anderen Präsidenten genauso kritisch auf die Finger geschaut, hat ein Post-Mitarbeiter im Gespräch versichert. Aber Trump beflügelt trotzdem ihr Geschäft in einer Stadt, in der nur vier Prozent der Wähler für diesen Präsidenten gestimmt haben.
Die Angestellten der "Washington Post" haben im Juni bessere Bezahlung und Sozialleistungen verlangt. Sie bringen ihre Forderungen in einem Video auf den Punkt:
"Ich kämpfe für eine angemessene Gehaltserhöhung, / weil jeder, der zum Erfolg der Post beiträgt etwas davon haben sollte. // Ich setze mich für höhere Beiträge zur Rentenversicherung ein, / weil ich zwar gern für die Washington Post arbeite, aber irgendwann auch mal in Rente gehen will."
Die "Washington Post" ist 2018 nicht mehr das, was sie 2013 war, als Bezos sie gekauft hat. Das sagt auch Jarrod Dicker, der ehemalige Innovationschef der Post:
"Ich möchte keinen in der Redaktion beleidigen. Unser Journalismus ist großartig. Aber wir sind inzwischen eine Technologiefirma."
Die Washington Post hat sich neu erfunden. Nicht den Journalismus, aber ihr Geschäftsmodell. Bezos ist stolz darauf, macht aber auch klar: das war’s. Mehr Zeitungen will er nicht kaufen.