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Fünf Jahre nach dem Referendum
"Der Sport auf der Krim hat für Russland keine Priorität"

Fünf Jahre nach der Annexion der Krim ist es für die Sportler auf der Halbinsel schwer, voranzukommen, sagte Bohdan Jaremenko, Leiter der NGO "Maidan of foreign Affairs", im Dlf. Die Fußballteams etwa würden nicht in den russischen Ligabetrieb integriert - und auch international hätten sie keine Chance.

Bohdan Jaremenko im Gespräch mit Matthias Friebe |
Fans beim Spiel von SKChF Sewastopol gegen TSK-Tavriya Simferopol
Die Fußballfans von der Krim seien Teil der Protestbewegung auf dem Maidan gewesen, sagte Bohdan Jaremenko. Heute gebe es kaum noch Verbindungen zum Festland (imago/ITAR-TASS)
Matthias Friebe: Hat sich der Sport verändert seit der Annexion der Krim?
Bohdan Jaremenko: Nicht für die Ukrainer, auch wenn ukrainische Sportler einige Trainingsstätten auf der Krim verloren haben. Aber sie waren nie von entscheidender Bedeutung und natürlich findet man im modernen Profisport immer eine Ersatztrainingsstätte, wenn man eine braucht. In der Situation des Sports auf der Krim ist es viel komplizierter, weil für Russland hat der Sport auf der Krim keinerlei Priorität.
In einigen wichtigen Sportarten, wie Fußball zum Beispiel, hat Russland es nicht geschafft, die Fußballteams von der Krim in den nationalen russischen Ligabetrieb zu integrieren. Der Grund ist die sehr starke Position des europäischen Fußballverbands UEFA, der die Besetzung und Annexion der Krim nicht anerkannt hat. Der russische Fußballverband befürchtet mögliche internationale Sanktionen und deswegen haben sie Vereine von der Krim auch nicht in ihre unterschiedlichen Ligen integriert.
Einige von ihnen nehmen auch in den lokalen Ligen teil, aber sie haben keinerlei Möglichkeit sich für die internationalen europäischen Wettbewerbe zu qualifizieren. So ist die Situation auch mehr oder weniger in den anderen Sportarten. Es gibt einige Ausnahmen bei Individualsportlern, einige Athleten konnten sich im russischen Sport integrieren und an den Olympischen Spielen oder anderen internationalen Wettbewerben mit den russischen Nationalmannschaften teilnehmen.
Aber die meisten haben Probleme, weil sie entweder in die Ukraine als ukrainische Bürger einreisen müssen und somit ihre sportliche Laufbahn als ukrainische Sportler fortführen können oder sie verlassen die Ukraine und gehen nach Russland, was verständlicherweise für viele aus unterschiedlichen Gründen, keine gute Option ist.
Kein Geld für Breitensport
Friebe: Verstehe ich sie richtig? Man entscheidet sich für Russland oder die Ukraine und macht seinen Sport da aber auf der Krim ist der Sport tot?
Jaremenko: Er ist nicht tot, aber er ist nicht teil des internationalen oder europäischen Sportsystems, noch nicht einmal des russischen Sportsystems. Aus Sicht eines einzelnen Athleten gesprochen, ja, es ist viel einfacher sich entweder für die Ukraine oder Russland zu entscheiden und seine Karriere auf dem ukrainischen Festland oder in der russischen Föderation weiter zu verfolgen.
Friebe: Aber man muss sich entscheiden…
Jaremenko: Man muss sich entscheiden. Andernfalls kann man nicht an den wichtigsten Sportevents teilnehmen.
Friebe: Wir haben über den Wettkampfsport gesprochen – was ist mit dem Breitensport?
Jaremenko: Formell ist die Krim aktuell Teil der Ukraine, auch wenn sie von der russischen Föderation annektiert worden ist. Natürlich gibt es ein allgemeines Sportsystem, Sportunterricht und Training und sowas. Die Situation unterscheidet sich natürlich sehr von der auf dem ukrainischen Festland oder von der in Russland. Das System wird langsam immer schlechter, weil in der Sowjetunion oder während der Sowjetzeit, war das System viel effektiver und die Regierung hat viel mehr Geld in den Breitensport oder die Köperkultur gesteckt. Aktuell wird immer weniger öffentliches Geld in den Breitensport in der Ukraine und in Russland investiert, aber wenn es um den Leistungssport geht und Du erzielst die passenden Ergebnisse, dann gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie Du Deine Karriere fortsetzen kannst, wie Du Geld auftreiben kannst, wie Du Sponsorengelder generieren kannst, noch einmal ich rede hier über die allgemeine Situation in der Ukraine und in Russland – für die Bewohner der Krim unterscheidet sich das irgendwie. Einfach weil die Annexion der Krim durch die russische Föderation von einer Vielzahl von Ländern weltweit nicht anerkannt wird.
Kein Austausch mit Vereinen auf dem Festland
Friebe: Was ist mit den Vereinen und ihren Fans zum Beispiel bei Tawrija Simferopol. Was denken die darüber?
Jaremenko: Vor fünf Jahren, während des Euromaidan in der Ukraine, waren die Fußballfans von Charkiw, viele aus Kiew, aus Lwiw, ein Teil auch von der Krim, die waren ein wesentlicher Teil der Proteste. Nach der Besetzung der Krim habe ich ehrlicherweise noch nie von einer organisierten oder strukturierten Zusammenarbeit zwischen den Fans vom Festland der Ukraine und der Krim gehört. Ich weiß auch warum. Es ist einfach schwierig für die Leute auf der Krim enge Verbindungen mit dem ukrainischen Festland zu pflegen, andernfalls würden sie vom russischen Geheimdienst als Verräter oder verdächtige Personen eingestuft. So versuchen die Menschen keinerlei Verbindungen mit dem ukrainischen Festland zu zeigen. In den Massenmedien gibt es wirklich keine Berichte über irgendeine Art von Austausch oder Konflikten zwischen Fans von Fußballclubs auf der Krim und Vereinen auf dem Festland der Ukraine.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.