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Fünf Jahre nach dem "Spionageskandal"
Stillstand oder Neuanfang für den Moscheeverband Ditib?

2017 setzte die NRW-Landesregierung die Mitwirkung der Ditib bei der Gestaltung des Islamischen Religionsunterrichts aus - wegen eines "Spionageskandals" um Imame. Der Dachverband der türkischen Moscheegemeinden kündigte einen Neuanfang an. Doch bis heute bleiben Fragen - und Vorurteile.

Von Luise Sammann |
Die Moschee in Köln im Abendlicht
Der Dachverband Ditib mit der Zentrale in Köln umfasst rund 900 Moscheegemeinden in Deutschland (picture alliance/dpa | Oliver Berg)
Berivan Aymaz lässt sich nicht einschüchtern. Ende Mai hatte sich die nordrheinwestfälische Landtags-Abgeordnete kritisch über die Ditib, Deutschlands größten Moscheeverband, geäußert. Daraufhin wurde sie zur Zielscheibe türkischer Medien, sie wurde als "Feindin der Türkei" bezeichnet - als "PKK-Sympathisantin". "Wir kennen dich, Berivan!" titelte die europäische Ausgabe der Erdogan-nahen Zeitung "Sabah". Berivan Aymaz erhielt Morddrohungen – und schließlich Polizeischutz.
An ihrer Haltung zur Ditib hat das nichts geändert: "Ich finde es nach wie vor absolut nicht nachvollziehbar, aus welchen Überlegungen heraus die NRW-Landesregierung die Ditib erneut in die Kommission zur Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts aufgenommen hat."
Ein Rückblick: 2017 hatte die damals rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen entschieden, die Mitwirkung der Ditib bei der Ausgestaltung des Islamischen Religionsunterrichts im Bundesland auszusetzen. Denn: Kurz zuvor hatte sich herausgestellt, dass Imame des Moscheeverbands in Deutschland Listen mit Anhängern des Predigers Fethullah Gülen erstellt und nach Ankara weitergeleitet hatten.
Ein Aufkleber mit der Aufschrift "Stoppt Erdogans Staats-Terrorismus".
Wie die Türkei weltweit auf Dissidentenjagd geht
Immer mehr autoritäre Regime folgen einem Trend, der "Transnational Repression" genannt wird - Unterdrückung über nationale Grenzen hinweg. Das konstatiert die amerikanische Denkfabrik "Freedom House".
Gülen und seine Vertrauten werden von Erdogan und weiten Teilen der türkischen Bevölkerung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht und vonseiten des Staates zur Rechenschaft gezogen. Dem Dachverband Ditib, der seinen Sitz in Köln hat, wurde daraufhin Spionage für Ankara vorgeworfen.
Trotzdem entschied die inzwischen CDU-geführte Landesregierung in Düsseldorf im Mai dieses Jahres, den Moscheeverband wieder an der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen zu beteiligen.
Der Landesverband der Ditib entsendet dazu eine Vertreterin in eine Kommission, der derzeit fünf weitere Verbände angehören. Die Kommission entscheidet mit der Mehrheit ihrer Mitglieder, unter anderem über die Lehrbefugnis für islamische Religionslehrer. Die Lehrpläne zum Islamischen Religionsunterricht sind und bleiben dagegen staatlich verantwortet, wie das Ministerium für Schule und Bildung in Düsseldorf betont. Sie würden jedoch im "Einvernehmen" mit der Kommission beschlossen. Die Rolle der Kommission sei damit vergleichbar mit der der Kirchen bei der Erarbeitung des christlichen Religionsunterrichts.

Politikerin Aymaz: "Ditib ist eine Ableger-Organisation des türkischen Staates"

Für die Teilnahme der Ditib an der Arbeit der Kommission habe das Schulministerium vorausgesetzt, dass der Landesverband eigenständig und unabhängig von Ankara mit dem Ministerium in Düsseldorf zusammenarbeitete und die Verfassungsprinzipien achtete. Das sei eingelöst worden. In einer Erklärung gegenüber dem Deutschlandfunk heißt es dazu:
"Der Ditib-Landesverband Nordrhein-Westfalen hat seine eigene Satzung und die Satzungen seiner Regionalverbände so geändert, dass in der Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht von einer ausreichenden Unabhängigkeit vom Ditib-Bundesverband und vom türkischen Staat ausgegangen werden kann."
Diese Einschätzung hält der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee für falsch. Ein Ditib-Landesverband könne sich gar nicht selber unabhängig machen", so der Experte in einem Interview gegenüber dem WDR. Auch habe die neue Satzung "keine Wirkung gegenüber der türkischen Staatsgewalt". Ähnlich sieht es Grünen-Politikerin Berivan Aymaz. Sie verweist darauf, dass die Ditib als Gesamtverband dem türkischen Präsidenten selbst unterstellt sei, ihm und seiner Auslegung von Islam.
"Die Ditib ist weiterhin ganz klar eine Ableger-Organisation des türkischen Staates. Sie unterliegt der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Die wiederum ist direkt an den Staatspräsidenten Erdogan angeschlossen, ist ein sehr zentrales Organ zur Verbreitung der AKP-Politik in die breiten Massen. Und dazu gehört auch, dass die Diyanet ganz klar auch die antisemitische Politik dieser AKP-Regierung immer wieder verbreitet, auch über die Freitagsgebete zum Beispiel, aber auch über andere Wege."
Ein Imam steht auf einem kleinen verzierten Balkon und spricht zu einer Gruppe Männer. An der Wand befinden sich arabische Schriftzeichen.
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Schon lange wird darüber diskutiert, getan hat sich bisher wenig. Die große Mehrheit der muslimischen Geistlichen bundesweit kommt nach wie vor aus dem Ausland. Das soll sich nun ändern – mit dem "Islamkolleg Deutschland".
Auch der Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück sieht die Abhängigkeit der Ditib von Ankara als, Zitat, "gewichtiges Problem". Erst die Praxis werde zeigen, ob sich die veränderte Satzung des Ditib-Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen auf die Arbeit im Land auswirken wird. Den immer wieder vorgebrachten Vorwurf, dass Erdogans "langer Arm" durch die Aufnahme in die Kommission nun bis in die deutschen Klassenzimmer reiche, teilt der Islamwissenschaftler jedoch nicht.
"Der Islamunterricht ist ein staatliches Angebot, er findet unter der Aufsicht der Bezirksregierung, der Schulämter statt, und die Lehrer sind festangestellte Lehrkräfte, die noch ein anderes Fach unterrichten und niemand macht hier tatsächlich Vorgaben. Die Einflussmöglichkeiten des türkischen Staates bestehen faktisch nicht."
Dennoch: Der so genannte "Spionageskandal" war nicht der erste Vorfall, der Fragen an der Unabhängigkeit der Ditib – ob nun auf Bundes- oder Länderebene - aufkommen ließ. Zugleich schien er in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt: Der Verband selbst kündigte damals öffentlich eine umfassende Aufarbeitung der Vorkommnisse an.

Ditib weit mehr als Dachverband in Köln

Wo also steht Deutschlands größter sunnitisch-islamischer Moscheeverband heute, fünf Jahre nach Bekanntwerden der Vorwürfe? Hat sich die Ditib grundlegend reformiert? Ist die Kritik, wie sie zuletzt nach der Entscheidung zum Islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen wiederaufkam, reflexhaft, womöglich nicht zutreffend?
"Ich empfinde die Debatte um die Ditib immer sehr pauschalisierend", konstatiert Theresa Beilschmidt von der Stiftung "Weltethos für interkulturelle und interreligiöse Forschung, Bildung und Begegnung" – einst gegründet vom Theologen Hans Küng. Theresa Beilschmidts Dissertation aus dem Jahr 2015 gilt als eine der wenigen wissenschaftlichen Arbeiten zur Ditib überhaupt. Dem Titel "Gelebter Islam. Eine empirische Studie zur Ditib" folgend, beschäftigt sich die Religionswissenschaftlerin vor allem mit der Arbeit der Gemeinden vor Ort, weniger mit Strukturen und Abhängigkeiten.
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Der Bau sollte ein Zeichen gelungener Integration sein: Doch die Eröffnung der Kölner Ditib-Zentralmoschee durch den türkischen Präsidenten Erdogan sorgte für einen Eklat. Die Forderung nach mehr Transparenz an den Hausherrn bleibt.
Die Arbeit der Gemeinden, so Theresa Beilschmidt, würde im allgemeinen Diskurs zu wenig beachtet - die Probleme, die unbestreitbar existierten, meist den Dachverband in Köln beträfen, dagegen umso mehr.
"Als ich meine Forschung angefangen habe, was jetzt auch schon zehn Jahre her ist, da waren oft die ersten Reaktionen, dass sich die Menschen sehr gefreut haben, dass jemand mal zu ihnen kommt und mit ihnen redet. Weil auch damals war es eben schon so, kaum einer hat sich sozusagen für die Normalos unter den Muslimen interessiert. Und ich habe da eben auch viele Initiativen gesehen, wo auch über die Moscheegemeinden dann quasi Integration stattgefunden hat, dass Menschen dann über die Moschee überhaupt erst Kontakt bekommen haben zu Menschen anderer Religionen oder zu Einheimischen, also, dass einfach lokal da viel mehr möglich war."
Die Ditib, so Theresa Beilschmidt, sei weit mehr als ihr Dachverband mit seiner Zentrale in Köln. Nach eigenen Angaben verfügt der Verband über rund 24.000 ehrenamtliche Mitarbeiter in Deutschland. Hinzu kämen rund 200.000 Mitglieder in unterschiedlichen Gemeinden - zusammen mit deren Familienangehörigen seien das rund 800.000 Muslime in Deutschland.

Reformfreude in den Landesverbänden

Taha Taskiran engagiert sich im Jugendvorstand der Selimiye-Moschee in Berlin Tegel – organisiert dort mit anderen jungen Muslimen Ausflüge, Diskussionsrunden, aber auch Film- oder Computerspielabende mitten in der Moschee. Der Großteil seiner täglichen Arbeit, so der 21-jährige Architekturstudent, habe nichts mit Politik zu tun.
"Da geht man gemeinsam mal Fußballspielen oder schaut man sich gemeinsam einen Film an. Damit die Jugendlichen eben die Moscheen nicht nur als einen Ort wahrnehmen, wo man nur betet, sondern auch eben freizeitlich sich engagieren kann oder die Zeit so nutzen kann."
Knapp 100 Jugendliche nähmen an den Veranstaltungen teil, so Taha Taskiran, der sich auch im Berliner Landesverband engagiert. Dass sein Einsatz von außen so wenig gewürdigt oder gar mit Misstrauen beäugt wird, frustriert ihn. "Weil ich bin ja wirklich da drin, so sehr aktiv schon seit Jahren und weiß, dass es ja eigentlich so nicht ist, dass man über politische Themen redet. Sondern, dass dann bewusst auch gesagt wird: Ei, schaut mal, wir wollen hier nichts über Politik reden. Könnt ihr gerne draußen machen, aber halt hier nicht drinn, weil es eben nicht der richtige Ort ist."
Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bildete die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. – Diyanet İşleri Türk İslam Birliği (DITIB) im Jahr 2020 gemessen an der Zahl der Moscheegemeinden den größten islamischen Verband in Deutschland. Der DITIB-Verband bündelt über 960 Ortsgemeinden in Deutschland.
Versuche, die türkische Politik und deren Lesart von Islam aus den Moscheen herauszuhalten – sich gar strukturell von Ankara zu lösen, beobachtet der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer seit einigen Jahren verstärkt bei Ditib-Orts- und Landesverbänden.
"Ich sehe in bestimmten Bereichen Veränderungen. Positiv zu werten ist, dass in Hessen ja genau das Gleiche passiert ist, wie in NRW, beziehungsweise der hessische Landesverband war ja sogar der erste, der Satzungsveränderungen durchgeführt hat. In Hessen, aber auch in anderen Landesverbänden sind mittlerweile zum Teil auch sehr junge Menschen tätig, die durchaus einen sehr kritischen Blick auf die eigene Organisationsgeschichte und die eigene Organisation haben und die Veränderungen wünschen."
Michael Kiefer warnt davor, diese Kräfte zu entmutigen - mit Urteilen, die stark pauschalisieren. Zugleich weiß er, dass den vorsichtigen Reformen einzelner Verbände nach wie vor Strukturen und Skandale entgegenstehen, wie es sie auch nach dem so genannten "Spionageskandal" 2016 immer wieder gegeben hat.

Abhängigkeit von Ankara bleibt

Aktuell muss sich der ehemalige Vorsitzende eines Moscheevereins in Göttingen vor Gericht verantworten [*]. Mustafa Keskin hatte zwischen Mai 2015 und 2021 mehrfach Posts in türkischer Sprache auf seinem privaten Account veröffentlicht, mit denen er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft teilweise antisemitische und antiisraelische Inhalte verbreitete. In einem dieser Beiträge hieß es sinngemäß: Weil Papst Franziskus den Völkermord an den Armeniern als historische Realität anerkenne, müsse er sich nicht wundern, wenn ihm jemand in den Kopf schieße.
"Es sind mit Sicherheit keine Einzelfälle, denn es kommt zu häufig vor, um es so zu formulieren", so Islamwissenschaftler Michael Kiefer. Bei aller Reformfreude in den Landesverbänden verweist er auf die hierarchische Struktur der Ditib: Die Landesverbände unterstehen dem Dachverband in Köln. Der wiederum untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Das mächtigste Organ der Ditib ist der religiöse Beirat. Dessen Vorsitzender ist laut Satzung der Präsident des "Amtes für religiöse Angelegenheiten" in der Türkei: Diyanet.
"Und man darf natürlich nicht vergessen, dass Diyanet ja gut 1.000 Imame, ganz klar türkische Beamte, entsendet, die natürlich mit einer gewissen inhaltlichen Orientierung hier nach Deutschland kommen und mit den Verhältnissen hier wenig vertraut sind."
Die damit sowohl in den Strukturen als auch in der Praxis immer wieder deutlich werdende Abhängigkeit von der türkischen Regierung bleibe - auch wenn einzelne Verantwortliche nach Skandalen ausgetauscht würden – das Grundproblem der Ditib, so Michael Kiefer.
DITIB-Zentralmoschee in Köln
Debatte um "Deutschen Islam" - Zwischen Koran und Grundgesetz
Mehr als vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Die Bundesregierung will, dass die Menschen eine deutsche Variante des Islams entwickeln. Religionsexperten unterstützen die Idee, Islamverbände leisten Widerstand.
Neu ist diese Abhängigkeit allerdings nicht. 1984 wurde die Ditib gegründet. Eine enge strukturelle Verflechtung mit der Religionsbehörde Diyanet in der Türkei sei damals auch von Deutschland ausdrücklich gewollt gewesen. Daran erinnert Religionswissenschaftlerin Theresa Beilschmidt:
"Also man wollte, dass es einen Moscheeverband gibt, wo sozusagen die türkische Politik die Hand draufhat. Und man hat dadurch die Religionspolitik 'outgesourct' – so würde ich das nennen. Und das lief über viele Jahre gut. Und die Ditib hat sich ja dann zum Liebling der deutschen Politik entwickelt, war ja Hauptansprechpartner, Hauptdialogpartner, hat ja auch die meisten Gelder bekommen."
Denn: In diesen Jahren begrüßte die Bundesrepublik das zu diesem Zeitpunkt laizistische Religionsverständnis der türkischen Regierung. Der Laizismus galt als willkommenes Bollwerk gegen islamistische Strömungen, die andernorts erstarkten. Doch bei der strikten Trennung von Staat und Religion in der Türkei blieb es nicht, so Islamwissenschaftler Michael Kiefer: "Und dann kam die Regierung von Tayyib Erdogan mit einer gänzlich anderen Orientierung, mit einer eher fundamentalistischen Orientierung, und die Dinge änderten sich. Weil natürlich Personal ausgewechselt wird, weil die Leitung eine andere ist, weil die Ausrichtung dann eine andere wird."
Ein eigens formuliertes Islamverständnis der Ditib gebe es nicht, so Michael Kiefer. Im Gegenteil: Sollte es erneut einen politischen Kurswechsel in Ankara geben, womöglich hin zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit, würde das auch Konsequenzen für den Moscheeverband in Deutschland haben.
Wer darauf allerdings nicht warten und bereits heute reformieren wolle, der werde ausgebremst, so Murat Kayman – einst Mitglied im Ditib-Bundesvorstand und heute einer der schärfsten Kritiker des Verbandes. "Es kommen ja nicht die jungen Leute in diesen Verbandsstrukturen in die nächsten Leitungsebenen, die Widerspruch oder Kritik äußern, sondern diejenigen, die auf Linie sind, die uniform handeln, die das Gleiche sagen, denken, umsetzen wollen wie das, was auf der Führungsebene gutgeheißen wird."

Neuanfang wird infrage gestellt - auch von ehemaligen Ditib-Mitgliedern

Jurist Murat Kayman verließ die Ditib 2017, gründete daraufhin mit anderen die "Alhambra-Gesellschaft". Hier will er innermuslimische Debatten zu Themen anstoßen, die in den großen Verbänden seiner Meinung nach keinen Platz haben. Kürzlich etwa forderte er von der Ditib und anderen Verbänden, sich lauter gegen die "Pervertierung ihrer Religion" durch die Taliban in Afghanistan zu stellen.
Wie Murat Kayman wendeten sich auch andere Mitglieder in der jüngeren Verbandsgeschichte enttäuscht von der Ditib ab. 2017 etwa trat der Bundesvorstand der Ditib-Jugend in Berlin geschlossen zurück, monierte eine "von Misstrauen geprägte Stimmung".
Yilmaz Kilic, ehemaliger Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Niedersachsen und Bremen e.V.,
Streit in Moscheeverband - Ein Rücktritt als Weckruf
Yilmaz Kilic war lange Zeit Vorstand des Moscheenverbandes Ditib in Niedersachsen und Bremen. Er wollte Reformen anstoßen. Doch weil sich die Türkei in die inneren Angelegenheiten des Verbands einmischte, trat er zurück.
"Man ist mit seinen Ideen auf Bundesebene nicht durchgekommen", meint auch Yilmaz Kilic, der sein Amt als Ditib-Landesvorsitzender in Niedersachsen 2018 aufgab. Anstatt seine zuvor über Jahre intern vorgebrachte Kritik anzunehmen, seien er und sein Landesvorstand an die kurze Leine genommen worden:
"Der damalige Religionsattaché hat eigentlich ganz klar versucht, auch in dem Landesverband Einfluss zu nehmen, in den Moscheen Einfluss zu nehmen und es sollte alles über seinen Tisch laufen. Und genau das war ein Knackpunkt, wo ich sage: Nein, das funktioniert gar nicht. Er ist Diplomat, er ist angestellt bei der türkischen Regierung und hat hier in Deutschland null Verantwortung, und er ist nach vier Jahren weg. Und ich habe als Vater, als Landesvorsitzender, Verantwortung für meine Kinder. Dass die hier vernünftig ihre Religion lernen und dass die islamischen Institute vernünftig funktionieren. Und das war der Grund, wo wir gesagt haben: Nein, so funktioniert es nicht."
Yilmaz Kilic wollte mit seinem Rücktritt vor drei Jahren aufrütteln, die Führung der Ditib anhalten, den Forderungen nach Erneuerung aus Orts- und Landesverbänden Gehör zu schenken. Funktioniert, so glaubt er heute, habe das nur sehr bedingt. Nach wie vor tue sich zu wenig beim Dachverband in Köln.

Ditib bleibt Antwort auf Dlf-Fragen schuldig

Ob das im Dachverband anders gesehen wird, ob der mehrfach in den Medien angekündigte Neuanfang tatsächlich eingeleitet wurde – und nicht zuletzt, ob es grundlegende Veränderungen im Verhältnis zu Ankara gibt – all das lässt sich von außen betrachtet nicht endgültig beantworten. Ein Grund mehr, den Verband selbst zu fragen:
"In welchem Verhältnis steht die Ditib heute zur türkischen Regierung? Versteht sich die Ditib als unabhängiger Verband? Hat seit Bekanntwerden des so genannten "Spionageskandals" 2016 eine Aufarbeitung der Ereignisse stattgefunden?"
Diese und andere Fragen stellte der Deutschlandfunk. Trotz mehrmaliger Nachfrage beim Dachverband der Ditib in Köln blieben sie unbeantwortet. Und so lässt sich die immer wieder öffentlich gestellte Forderung der Ditib, man müsse mehr mit und weniger über sie sprechen, nicht einlösen. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf die knapp 1.000 lokalen Gemeinden des Moscheeverbands zurückfällt.
Das zu ändern, dem Bild der Ditib in der deutschen Öffentlichkeit ein positives entgegenzusetzen, das läge auch und vor allem in den Händen des Dachverbandes in Köln. Dort allerdings scheinen die Prioritäten anders gesetzt: Erst im April dieses Jahres reiste der Ditib-Vorstandvorsitzende mit Vertretern anderer Moscheeverbände zu einem Besuch bei Präsident Erdogan, traf dort den Verteidigungsminister und den Vorsitzenden der rechtsextremen Regierungspartei MHP, der regelmäßig offen gegen Armenier und Juden hetzt.
Was bei den Gesprächen genau besprochen wurde, blieb vertraulich – und passt damit in das Bild, das die Ditib auch fünf Jahre nach dem sogenannten "Spionageskandal" in der deutschen Öffentlichkeit abgibt.
[*] Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir eine präzisierende Ergänzung vorgenommen.