In diesen Tagen vor fünf Jahren war er einer der ersten, der Pläne für Hilfsprojekte auf der Insel Pulau Weh vorgelegt hatte. Mit seiner "Förder- und Interessengemeinschaft Indonesia", kurz: FIG-Indonesia.
Seit Jahren schon lebe er in Indonesien, kenne das Land und die Menschen und wisse sehr genau, wie nach dem Tsunami am besten zu helfen sei. Viel mehr ist nicht nötig für den Mann mit dem angeblichen Namen Yves Dantin, um an 2,3 Millionen Euro Spendengelder zu kommen.
"Bild hilft - Ein Herz für Kinder"
Die Aktion der Bildzeitung überweist Yves Dantin im Februar 2005 zwei Millionen Euro. "Handeln" hieß damals die Devise, erinnert sich der Pressesprecher des Springer-Verlages, Tobias Fröhlich.
"Die Situation seinerzeit war so: Nach der Tsunamikatastrophe war schnelle Hilfe gefragt. Der Verein FIG hat uns seinerzeit glaubhaft nachweisen können, dass er vor Ort Unterstützung leisten kann. Darauf haben wir dann nach bestmöglicher Prüfung vertraut."
Was die bestmögliche Prüfung von "Bild hilft" nicht ergibt: der Mann heißt in Wahrheit Jürgen Klaus Biesenbach, ist zur Zeit der Tsunamikatastrophe Hartz-IV-Empfänger in Hamburg und hat neun Monate zuvor als Schuldner eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, also den Offenbarungseid geleistet. Weder hat er irgendwelche Erfahrungen mit Hilfsprojekten noch ist er jemals zuvor auf der Insel Pulau Weh gewesen.
Möglicherweise hat die Aussicht auf geeignete Schlagzeilen über Hilfe für die Tsunamiopfer auch das zugehörige Boulevardblatt unvorsichtig werden lassen. Es vergeht ein gutes Jahr, bevor im Springer-Verlag ernsthaft gehandelt wird. Am 19. Januar 2006 schließlich kündigt "Bild hilft" die Zusammenarbeit mit der FIG-Indonesia. Es fehlen jegliche Belege für die Verwendung der Spendengelder.
"Selbstverständlich haben wir versucht, mit Herrn Biesenbach in Kontakt zu treten. Allerdings befinden wir uns seit 2006 in einem Rechtsstreit mit ihm und in diesem Zusammenhang entzieht er sich leider jedem Kontakt mit uns."
Solcherart Kontakt pflegt der Spendensammler Jürgen Klaus Biesenbach hingegen weiterhin zur Deutschen Bank. Und das aus gutem Grund: Der Großteil der Spenden ist zwischenzeitlich nicht etwa vom dortigen Spendenkonto in Hilfsprojekte nach Indonesien geflossen, sondern in ein Anlage- und Aktiendepot.
Kein ungewöhnlicher Vorgang, sagt ein Fachmann für Wertpapiere bei der Deutschen Bank.
Damit Spenden in Aktien angelegt werden können, bedarf es der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung durch die jeweilige Hilfsorganisation. In der Satzung der FIG-Indonesia steht von alledem aber nichts.
Biesenbach hat die Spenden nicht nur als sicheres Festgeld, sondern auch in risikobehaftete Aktien und Rohstoffwerte angelegt. Eine Anlagestrategie, die nicht hätte gewählt werden dürfen, sagt dazu der Finanzfachmann der Deutschen Bank. Seine Aussagen lassen wir nachsprechen, um ihn zu schützen.
"Aktien unterliegen Schwankungen und Schwankungen bedeuten Risiko. Das kann dazu führen, dass die Spendengelder einfach dahinschmelzen. Diese Anlageform hier ist auf drei bis fünf Jahre angelegt und dabei darf es keine Risikopapiere geben."
Wie kann es überhaupt sein, dass eine Bank mit einem Kunden, der neun Monate zuvor seine Zahlungsunfähigkeit an Eides statt erklärt hat, eine Geschäftsbeziehung dieser Art eingeht, ohne die Hintergründe zu kennen?
Bei jeder Kontoeröffnung sind Anfragen an die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung obligatorisch.
KYC heißt das entsprechende Kürzel im Banker-Einmaleins. Jeder Berater der Deutschen Bank muss das beherzigen – "know your customer", also alles Notwendige über den Kunden in Erfahrung bringen.
Es handelt sich dabei um klare Vorgaben des Gesetzgebers. Doch möglicherweise hat die Bank hier von einer Prüfung abgesehen.
"Wir haben hier keinen Privatmann, sondern eine juristische Person. Da kann es schon sein, dass die Einzelperson auf Schufa nicht abgefragt wurde. Das sind Einzelfallentscheidungen."
Biesenbach ist unter dem Namen Yves Dantin aber auch Privatkunde bei der Deutschen Bank. Neben Motorrad und Geländewagen genehmigt er sich aus dem Spendenkonto bei der Deutschen Bank monatlich 4500 Euro "Gehalt". Dafür führt er weder Steuern noch Sozialabgaben ab.
In Hamburg ist er zu dieser Zeit immer noch arbeitslos gemeldet und kassiert dort zusätzlich 345 Euro monatlich nach Hartz IV. Das hätte der Deutschen Bank auffallen müssen, so der Insider.
"Bei Privatkunden bin ich als Berater verpflichtet, Auffälligkeiten zu prüfen. Wenn mir etwas nicht plausibel ist, muss ich das intern melden. Möglicherweise muss der Fall dann über die Staatsanwaltschaft geklärt werden."
Für ihre Dienste im Investmentbereich hat die Deutsche Bank von Biesenbach - wohlgemerkt aus dem Spendentopf - ein "Beraterhonorar" kassiert: zwischen 15.000 und 20.000 Euro.
Auch wenn die Bank keinerlei moralische Bedenken gegen eine solche Anlageform von Spendengeldern haben mag: Möglicherweise hat sie gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen. Der Fachmann von der Deutschen Bank:
"Das Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet uns, im Gespräch mit dem Kunden Fragen zu stellen, zur Zweckbestimmung der Gelder und zu den Kenntnissen zur Wertpapieranlage. Und wenn ich das sorgfältig mache, muss ich in diesem Falle zwangsläufig auf eine große Divergenz kommen. Nämlich wir haben eine Situation, wo die Gelder eher kurzfristig zur Verfügung stehen – es handelt sich ja um Spendengelder - und eine Anlagestrategie gewählt wird, die langfristig oder mittelfristig orientiert ist. Aus meiner Sicht eine Situation, die zu Problemen führt."
Es sei denn, Biesenbach hat auf dem sogenannten "Wertpapierhandelsbogen" erklärt, diese unsichere Anlagestrategie entspreche ausdrücklich seinem eigenen Wunsch - und nicht den Empfehlungen der Bank.
Auskunft über den genauen Ablauf dieses Vorgangs kann nur die Bank selbst geben. Wir wenden uns deshalb an das Geldhaus und wollen mehr wissen. Die Bank teilt uns schriftlich mit, eine Kundenbeziehung zu einem Jürgen Klaus Biesenbach oder Yves Dantin bestehe nicht.
Offensichtlich hat die Deutsche Bank die Orientierung über ihre Kundendaten verloren. Wir helfen nach und teilen der Deutschen Bank ganz konkret die Recherche-Ergebnisse des Deutschlandfunks mit: Biesenbach hat unter dem Namen Yves Dantin - zweieinhalb Monate nach dem Tsunami - am 10. März 2005 bei der Deutschen Bank ein Privatkonto eröffnet und bereits elf Tage zuvor eines unter dem Namen der FIG-Indonesia. Dafür sind weitere vier Unterkonten angelegt worden, über die auch die Wertpapiergeschäfte abgewickelt wurden.
Erst jetzt meldet sich ein Sprecher der Deutschen Bank persönlich am Telefon, allerdings nur mit der Information, dass sich die Bank auf den Schutz ihrer Kundendaten berufe.
Die Frankfurterin Sandra Thomaszewski war damals Regionalleiterin Hessen der FIG-Indonesia. Sie muss sehr bald feststellen, dass Biesenbach alias Dantin keinerlei Rechenschaft über den Verbleib der Spendengelder ablegen kann oder will.
Als Rechenschaftsbericht 2005 präsentiert Biesenbach ein einziges DIN A4-Blatt. Genau 8793,80 Euro habe die FIG seit 2003 eingenommen, erklärt er den Vereinsmitgliedern schriftlich.
"Da war dann auch eine größere Summe von der Bildzeitung im Gespräch, die nach dem Tsunami die FIG unterstützt hätte, aber es war dann so, das diese zwei Millionen Euro nirgendwo auftauchten."
Sandra Thomaszewski fühlt sich für die Spenden verantwortlich, will Missbrauch verhindern. Schließlich stellt sie am 20. Januar 2006 Strafanzeige gegen Yves Dantin wegen Betrugsverdachtes. Von den behördlichen Stellen, die sie immer wieder informiert, fühlt sie sich im Stich gelassen.
"Persönlich ärgert mich das Ganze maßlos, dass keine offizielle Stelle irgendeinen Finger gerührt hat, um dem entgegenzutreten oder das Ganze auch noch zu verhindern oder auch Gelder zurückzuholen, dass die Gelder, die man selbst gespendet hat - nicht nur ich, auch andere – jetzt dazu dienen, damit ein gewisser Herr da sich ein schönes Leben in der Sonne machen kann."
Der Staatsanwaltschaft Hamburg wirft sie vor, sie lasse einen Spendenbetrüger unbehelligt. Deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, widerspricht ihr.
"Ob Herr Biesenbach in der Vergangenheit in Deutschland unbehelligt geblieben ist, ist eine Wertungsfrage, im Übrigen hat sich Herr Biesenbach bis heute nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Insofern, unbehelligt sein ist nicht identisch mit nicht in Haft sitzen."
Allerdings haben die Hamburger Ermittler es bis heute nicht für notwendig erachtet, Biesenbach vorzuladen. Auch nicht, als Sandra Thomaszewski in einem Dringlichkeitsschreiben vom 20. Februar 2006 darauf hinweist, Biesenbach wolle sich am 26. Februar nach Indonesien absetzen. Mit welchem Erfolg, beschreibt sie äußerst knapp.
"Mit gar keinem. Schweigen."
Am 26. Februar verlässt Dantin Deutschland in Richtung Indonesien. Die Ermittler haben bis heute das Nachsehen. Jetzt räumt Oberstaatsanwalt Möllers ein:
"In diesem umfangreichen Verfahren sind die Ermittlungen komplex und wegen des Auslandsbezugs, aber auch wegen des Umstands, dass der Beschuldigte sich nicht in Deutschland, mutmaßlich nicht in Deutschland aufhält, schwierig und umfangreich."
Immer wieder erkundigt sich Sandra Thomaszewski nach dem Stand der Ermittlungen. Fortschritte kann sie nicht erkennen, erhält stets die stereotype Aussage, dass die Ermittlungen noch liefen.
Wesentlich zügiger dagegen die Zivilkammer des Landgerichts Hamburg. Sie verurteilt am 31. August 2006 nach einer Klage von "Bild hilft" die FIG-Indonesia zur Rückzahlung von rund 850.000 Euro plus Zinsen. Aufgrund dieses Urteils wird das Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank im März 2007 zwangsaufgelöst. Das Gericht lässt keinen Zweifel an der missbräuchlichen Nutzung der Spendengelder.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg indessen sieht bis heute keine Grundlage, Jürgen Klaus Biesenbach festzusetzen.
"Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls wegen schweren Betruges liegen zurzeit nicht vor. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage, einen dringenden Tatverdacht, also eine weit überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit annehmen zu können."
Sandra Thomaszewski wird nun von dem Freiburger Anwalt David Einhaus vertreten. Sie will erreichen, dass die Spender ihr Geld zurückbekommen. Einhaus sieht im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Hamburg sehr wohl gute Gründe, einen Haftbefehl gegen Biesenbach zu erwirken. Dieser habe Spendengelder satzungswidrig in Risikopapiere angelegt, sei in einem Zivilverfahren rechtskräftig verurteilt und untergetaucht. Zudem habe er sich selbst das Gehalt von monatlich 4500 Euro ausbezahlt, ohne die dafür fälligen Sozialabgaben und Steuern zu bezahlen.
"Das reicht zur Annahme eines dringenden Tatverdachtes aus und mittlerweile weiß man ja auch, dass er gesucht wird und nicht auffindbar ist, sodass auch der Grund der Fluchtgefahr da wäre und das, gemeinsam mit dem dringenden Tatverdacht reicht nach meiner Einschätzung aus für die Beantragung eines Haftbefehls."
Zudem, kritisiert Einhaus, habe er als anwaltlicher Vertreter fast eineinhalb Jahre darauf warten müssen, bis ihm die Staatsanwaltschaft Hamburg die Akten zur Einsicht geschickt habe. Zum Nachteil seiner Mandantin. Ein Umstand, den Oberstaatsanwalt Möllers so begründet.
"Bevor die Staatsanwaltschaft Akteneinsicht an den Geschädigten veranlasst, ist immer zu prüfen, ob die bisherigen Ermittlungen möglicherweise nicht gefährdet sind. Insofern hatte die zugegebenermaßen etwas längere Wartezeit des Rechtsanwaltes ermittlungstaktische Gründe."
Anwalt Einhaus hält diese Begründung für vorgeschoben.
"Wenn man dann aber nach so langer Zeit die Akte dann endlich bekommt, um festzustellen, dass diejenigen Ermittlungen, die man erwartet oder erwarten könnte, nicht durchgeführt wurden, dann fragt man sich natürlich in der Rückschau, warum man die Akte nicht vorher bekommen hat."
Zudem beklagt Anwalt Einhaus, dass bis heute noch kein Rechtshilfeersuchen in Indonesien gestellt worden sei. Die Staatsanwaltschaft begründet das unter anderem damit, dass sie ja gar nicht wisse, ob sich Biesenbach überhaupt in Indonesien aufhalte.
"Im übrigen ist es so, dass wir im Moment auch gar nicht wüssten, welche ermittlungstechnischen Fragen im Rahmen einer Rechtshilfe mit Indonesien abgeklärt werden sollten."
Auch das kann Anwalt Einhaus nicht nachvollziehen. Ihm fallen nach Einsicht in die Akten spontan mehrere Fragen ein, mit denen man die indonesischen Kollegen im Fall Biesenbach um Rechtshilfe bitten könnte.
"Wo ist er und was macht er derzeit? Und insbesondere noch eine anschließende Frage: Hat er Geld für diese Versprechungen verwendet oder hat er keinerlei seiner versprochenen Projekte umgesetzt?"
Anwalt Einhaus findet es ebenso bedauerlich wie auffällig, dass die Staatsanwaltschaft darauf hinweise, einerseits nicht über hinreichende Erkenntnisse zu verfügen, andererseits zur Erlangung der Erkenntnisse nicht in der Lage sei, entsprechende Fragen an die indonesischen Ermittlungsbehörden zu stellen.
"Hier beißt sich die Katze, wie gesagt, in den Schwanz. Ich beklage mich darüber, den zweiten Schritt nicht machen zu können wenn nicht mal den ersten versuche."
Eine wichtige Rolle in diesem Fall spielt die gemeinnützige GmbH Inwent in Bonn. Sie betreibt - vereinfacht ausgedrückt - Entwicklungshilfe und gehört mehrheitlich dem Bund.
Die dort eingerichtete "Servicestelle Partnerschaftsinitiative" hatte die Aufgabe, den zahlreichen Privatspendern Hilfsprojekte im Tsunamigebiet zu vermitteln.
Inwent vermittelt auch an die "FIG-Indonesia". Geprüft hat sie die vermeintliche Hilfsorganisation nicht. Für die Spender verhängnisvoll.
Auch die Firma Dörken im westfälischen Herdecke hat 50.000 Euro gespendet. Wir konfrontieren das Vorstandsmitglied Karl Ewald Dörken mit unseren Rechercheergebnissen.
"Ich muss sagen, ich bin platt und erschüttert. Mein Rechtsempfinden ist erschüttert. Und ich habe jetzt hier den festen Willen als Vertreter der Ewald Dörken AG in Herdecke dieser Sache auf den Grund zu gehen."
Wie die Firma Dörken haben sich auch andere fest darauf verlassen, die Empfänger der Spenden und deren Projekte seien geprüft - so wie es auch in einem Tätigkeitsbericht bei Inwent wörtlich heißt –
"hinsichtlich Inhalt, Nachhaltigkeit, Finanzierung und Nutzen für die lokale Bevölkerung."
Zwischenzeitlich erklärt Inwent, das Auswärtige Amt habe vor Ort die Projekte geprüft. Das Auswärtige Amt wiederum bestätigt zwar auf Anfrage ein "enges Monitoring", gibt aber bei den Ermittlungsbehörden genau das Gegenteil zu Protokoll. In einem Ermittlungsvermerk vom 24. Februar 2006 heißt es, das Auswärtige Amt führe vor Ort keine Untersuchungen durch. Dies mache aber Inwent.
Inwent kann bis heute diesen Widerspruch nicht auflösen. Stattdessen wird neuerdings behauptet, man habe die Spender immer darauf hingewiesen, diese müssten sich selbst um die Seriosität der Hilfsprojekte kümmern. Demnach läge die Verantwortung, so Inwent, bei den Spendern selbst. Karl Ewald Dörken weiß von solchen Hinweisen nichts. Dann stellte sich ja die Frage, so Dörken, wozu Inwent an dieser Stelle überhaupt nötig gewesen sei.
"Wenn man eine Organisation hier im Hintergrund hat, die dann auch noch an der Bundesregierung aufgehängt ist, dann geht man natürlich davon aus, dass diese Menschen dann auch mit prüfen. Dass hier Behörden, ich sage mal, den Schwarzen Peter hin und herschieben, Pingpong spielen, kann ich nur beobachten, bewerten kann ich das nicht. Ich kann mir vorstellen, dass diese Menschen dort Schwierigkeiten haben, in dieser Sache sich wirklich den Hut aufzusetzen, weil es irgendwo hoch unangenehm ist."
Als Sandra Thomaszewski im Frühjahr 2006 Inwent informiert, dass sie einen Strafantrag gegen Biesenbach gestellt hat, macht sie eine seltsame Erfahrung. Sie bekommt das Gefühl vermittelt, Inwent möchte Ihre Bedenken zerstreuen.
"Ja, Vertröstungen eigentlich. Die haben einfach gesagt, es besteht nicht ausreichend Verdacht, dass da Gelder veruntreut wurden und dass sie natürlich das auch prüfen würden, dass das aber alles nicht wahr wäre."
Eine weitere Begebenheit stützt Thomaszewskis Vermutung. Am 11. März 2006 kommt es in der Volkshochschule Köln zu einem denkwürdigen Vorfall. Bei einer Veranstaltung zum Tsunami ziehen verschiedene Organisationen Bilanz oder legen Berichte über Ihre Tätigkeit vor. Für Inwent ist auch der für die FIG zuständige Projektleiter, Michael Gräf, zugegen. Marianne Klute von "watch Indonesia!" schildert den Vorgang so. Aus dem Protokoll:
Unter anderem haben die Teilnehmer Sinn und Unsinn einer institutionalisierten Vermittlung von Spendengeldern durch Inwent diskutiert, da zahlreiche kleine Projekte aufgrund dieser Vorgehensweise keinen einzigen Cent gesehen haben. Michael Gräf hat auch die Projekte der FIG angesprochen und der Versammlung Zahlenmaterial vorgelegt, das beweisen sollte, dass die FIG sauber und korrekt arbeitet. Daraufhin habe ich, da ich bestens über die Verhältnisse auf Pulau Weh bescheid weiß, Gräf öffentlich der Lüge bezichtigt. Er hat diesen ungeheuerlichen Vorwurf nicht zurückgewiesen.
Auch Michael Gräf haben wir vom "Hintergrund" des Deutschlandfunks kontaktiert. Reagiert hat er nicht. Heute ist Gräf Ansprechpartner eines neuen Inwent-Projektes. Diesmal zur Fußball-WM 2010 in Südafrika. Auch dieses Mal sollen – wie nach dem Tsunami – Partnerschaften auf den Weg gebracht werden.
Doch zu Ende ist die traurige Geschichte um das Versickern der Spendengelder offenbar noch nicht.
Karl Ewald Dörken will sich nicht damit abfinden, dass seine Spende versickert sein soll.
"Es geht ja erst mal darum, ob es hier Chancen gibt, den eigentlich guten Grund für unsere Spende wiederherzustellen und auch vielleicht noch was zu retten in diesem ganzen Fall, nämlich für die Menschen vor Ort."
Und auch er ist Kunde bei der Deutschen Bank:
"Es wird sicherlich auch ein spannendes Gespräch an der Stelle geben."
"Bild hilft" teilt mit, der Großteil der verschwundenen gut eine Million Euro, sei bestimmungsgemäß in Projekte der FIG geflossen. Davon hätte sich die Geschäftsführerin 2007 vor Ort überzeugt, sagt Tobias Fröhlich, der Sprecher des Springer-Verlags.
"Es handelte sich dabei hauptsächlich um 80 Häuser, die wir zu diesem Zeitpunkt von außen besichtigen konnten."
Die Nachfrage bei "Bild hilft", ob es Belege dafür gebe, dass die geplanten Häuser tatsächlich von der FIG gebaut wurden, beantwortet man uns schriftlich so:
Bild habe versucht, Belege zu bekommen.
Vorläufiger Schlussstrich unter der Spendenaktion, an der sich damals so viele Bundesbürger beteiligt hatten – erstens:
Für die mehr als eine Million Euro aus der Aktion "Bild hilft – Ein Herz für Kinder" fehlt bis heute jeglicher Verwendungsnachweis. Auch der Wiederaufbaubehörde vor Ort sind entsprechende Nachweise nicht bekannt.
Zweitens:
Die FIG-Indonesia wird am 11. Dezember 2007 aus dem Vereinsregister gelöscht. Die Homepage des Vereins ist seit Kurzem abgeschaltet.
Drittens:
Dreizehneinhalb Millionen Euro sind bei der diesjährigen Spendengala von "Bild hilft – Ein Herz für Kinder" zusammengekommen. Auf einem Konto der Deutschen Bank in Hamburg.
Und viertens:
Jürgen Klaus Biesenbach hält sich auch weiterhin auf der indonesischen Insel Pulau Weh auf. Dort, wo er nach eigenen Worten "schon immer mal hin wollte". Inzwischen hat er unter dem Namen seiner jetzigen Frau und früheren FIG-Mitarbeiterin dort ein Hotel gebaut.
Wir finden keine andere Erklärung dafür als diese:
Biesenbach alias Dantin kann das Hotel nur mithilfe der außergewöhnlichen Spendenbereitschaft in Deutschland finanziert haben.
Seit Jahren schon lebe er in Indonesien, kenne das Land und die Menschen und wisse sehr genau, wie nach dem Tsunami am besten zu helfen sei. Viel mehr ist nicht nötig für den Mann mit dem angeblichen Namen Yves Dantin, um an 2,3 Millionen Euro Spendengelder zu kommen.
"Bild hilft - Ein Herz für Kinder"
Die Aktion der Bildzeitung überweist Yves Dantin im Februar 2005 zwei Millionen Euro. "Handeln" hieß damals die Devise, erinnert sich der Pressesprecher des Springer-Verlages, Tobias Fröhlich.
"Die Situation seinerzeit war so: Nach der Tsunamikatastrophe war schnelle Hilfe gefragt. Der Verein FIG hat uns seinerzeit glaubhaft nachweisen können, dass er vor Ort Unterstützung leisten kann. Darauf haben wir dann nach bestmöglicher Prüfung vertraut."
Was die bestmögliche Prüfung von "Bild hilft" nicht ergibt: der Mann heißt in Wahrheit Jürgen Klaus Biesenbach, ist zur Zeit der Tsunamikatastrophe Hartz-IV-Empfänger in Hamburg und hat neun Monate zuvor als Schuldner eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, also den Offenbarungseid geleistet. Weder hat er irgendwelche Erfahrungen mit Hilfsprojekten noch ist er jemals zuvor auf der Insel Pulau Weh gewesen.
Möglicherweise hat die Aussicht auf geeignete Schlagzeilen über Hilfe für die Tsunamiopfer auch das zugehörige Boulevardblatt unvorsichtig werden lassen. Es vergeht ein gutes Jahr, bevor im Springer-Verlag ernsthaft gehandelt wird. Am 19. Januar 2006 schließlich kündigt "Bild hilft" die Zusammenarbeit mit der FIG-Indonesia. Es fehlen jegliche Belege für die Verwendung der Spendengelder.
"Selbstverständlich haben wir versucht, mit Herrn Biesenbach in Kontakt zu treten. Allerdings befinden wir uns seit 2006 in einem Rechtsstreit mit ihm und in diesem Zusammenhang entzieht er sich leider jedem Kontakt mit uns."
Solcherart Kontakt pflegt der Spendensammler Jürgen Klaus Biesenbach hingegen weiterhin zur Deutschen Bank. Und das aus gutem Grund: Der Großteil der Spenden ist zwischenzeitlich nicht etwa vom dortigen Spendenkonto in Hilfsprojekte nach Indonesien geflossen, sondern in ein Anlage- und Aktiendepot.
Kein ungewöhnlicher Vorgang, sagt ein Fachmann für Wertpapiere bei der Deutschen Bank.
Damit Spenden in Aktien angelegt werden können, bedarf es der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung durch die jeweilige Hilfsorganisation. In der Satzung der FIG-Indonesia steht von alledem aber nichts.
Biesenbach hat die Spenden nicht nur als sicheres Festgeld, sondern auch in risikobehaftete Aktien und Rohstoffwerte angelegt. Eine Anlagestrategie, die nicht hätte gewählt werden dürfen, sagt dazu der Finanzfachmann der Deutschen Bank. Seine Aussagen lassen wir nachsprechen, um ihn zu schützen.
"Aktien unterliegen Schwankungen und Schwankungen bedeuten Risiko. Das kann dazu führen, dass die Spendengelder einfach dahinschmelzen. Diese Anlageform hier ist auf drei bis fünf Jahre angelegt und dabei darf es keine Risikopapiere geben."
Wie kann es überhaupt sein, dass eine Bank mit einem Kunden, der neun Monate zuvor seine Zahlungsunfähigkeit an Eides statt erklärt hat, eine Geschäftsbeziehung dieser Art eingeht, ohne die Hintergründe zu kennen?
Bei jeder Kontoeröffnung sind Anfragen an die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung obligatorisch.
KYC heißt das entsprechende Kürzel im Banker-Einmaleins. Jeder Berater der Deutschen Bank muss das beherzigen – "know your customer", also alles Notwendige über den Kunden in Erfahrung bringen.
Es handelt sich dabei um klare Vorgaben des Gesetzgebers. Doch möglicherweise hat die Bank hier von einer Prüfung abgesehen.
"Wir haben hier keinen Privatmann, sondern eine juristische Person. Da kann es schon sein, dass die Einzelperson auf Schufa nicht abgefragt wurde. Das sind Einzelfallentscheidungen."
Biesenbach ist unter dem Namen Yves Dantin aber auch Privatkunde bei der Deutschen Bank. Neben Motorrad und Geländewagen genehmigt er sich aus dem Spendenkonto bei der Deutschen Bank monatlich 4500 Euro "Gehalt". Dafür führt er weder Steuern noch Sozialabgaben ab.
In Hamburg ist er zu dieser Zeit immer noch arbeitslos gemeldet und kassiert dort zusätzlich 345 Euro monatlich nach Hartz IV. Das hätte der Deutschen Bank auffallen müssen, so der Insider.
"Bei Privatkunden bin ich als Berater verpflichtet, Auffälligkeiten zu prüfen. Wenn mir etwas nicht plausibel ist, muss ich das intern melden. Möglicherweise muss der Fall dann über die Staatsanwaltschaft geklärt werden."
Für ihre Dienste im Investmentbereich hat die Deutsche Bank von Biesenbach - wohlgemerkt aus dem Spendentopf - ein "Beraterhonorar" kassiert: zwischen 15.000 und 20.000 Euro.
Auch wenn die Bank keinerlei moralische Bedenken gegen eine solche Anlageform von Spendengeldern haben mag: Möglicherweise hat sie gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen. Der Fachmann von der Deutschen Bank:
"Das Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet uns, im Gespräch mit dem Kunden Fragen zu stellen, zur Zweckbestimmung der Gelder und zu den Kenntnissen zur Wertpapieranlage. Und wenn ich das sorgfältig mache, muss ich in diesem Falle zwangsläufig auf eine große Divergenz kommen. Nämlich wir haben eine Situation, wo die Gelder eher kurzfristig zur Verfügung stehen – es handelt sich ja um Spendengelder - und eine Anlagestrategie gewählt wird, die langfristig oder mittelfristig orientiert ist. Aus meiner Sicht eine Situation, die zu Problemen führt."
Es sei denn, Biesenbach hat auf dem sogenannten "Wertpapierhandelsbogen" erklärt, diese unsichere Anlagestrategie entspreche ausdrücklich seinem eigenen Wunsch - und nicht den Empfehlungen der Bank.
Auskunft über den genauen Ablauf dieses Vorgangs kann nur die Bank selbst geben. Wir wenden uns deshalb an das Geldhaus und wollen mehr wissen. Die Bank teilt uns schriftlich mit, eine Kundenbeziehung zu einem Jürgen Klaus Biesenbach oder Yves Dantin bestehe nicht.
Offensichtlich hat die Deutsche Bank die Orientierung über ihre Kundendaten verloren. Wir helfen nach und teilen der Deutschen Bank ganz konkret die Recherche-Ergebnisse des Deutschlandfunks mit: Biesenbach hat unter dem Namen Yves Dantin - zweieinhalb Monate nach dem Tsunami - am 10. März 2005 bei der Deutschen Bank ein Privatkonto eröffnet und bereits elf Tage zuvor eines unter dem Namen der FIG-Indonesia. Dafür sind weitere vier Unterkonten angelegt worden, über die auch die Wertpapiergeschäfte abgewickelt wurden.
Erst jetzt meldet sich ein Sprecher der Deutschen Bank persönlich am Telefon, allerdings nur mit der Information, dass sich die Bank auf den Schutz ihrer Kundendaten berufe.
Die Frankfurterin Sandra Thomaszewski war damals Regionalleiterin Hessen der FIG-Indonesia. Sie muss sehr bald feststellen, dass Biesenbach alias Dantin keinerlei Rechenschaft über den Verbleib der Spendengelder ablegen kann oder will.
Als Rechenschaftsbericht 2005 präsentiert Biesenbach ein einziges DIN A4-Blatt. Genau 8793,80 Euro habe die FIG seit 2003 eingenommen, erklärt er den Vereinsmitgliedern schriftlich.
"Da war dann auch eine größere Summe von der Bildzeitung im Gespräch, die nach dem Tsunami die FIG unterstützt hätte, aber es war dann so, das diese zwei Millionen Euro nirgendwo auftauchten."
Sandra Thomaszewski fühlt sich für die Spenden verantwortlich, will Missbrauch verhindern. Schließlich stellt sie am 20. Januar 2006 Strafanzeige gegen Yves Dantin wegen Betrugsverdachtes. Von den behördlichen Stellen, die sie immer wieder informiert, fühlt sie sich im Stich gelassen.
"Persönlich ärgert mich das Ganze maßlos, dass keine offizielle Stelle irgendeinen Finger gerührt hat, um dem entgegenzutreten oder das Ganze auch noch zu verhindern oder auch Gelder zurückzuholen, dass die Gelder, die man selbst gespendet hat - nicht nur ich, auch andere – jetzt dazu dienen, damit ein gewisser Herr da sich ein schönes Leben in der Sonne machen kann."
Der Staatsanwaltschaft Hamburg wirft sie vor, sie lasse einen Spendenbetrüger unbehelligt. Deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, widerspricht ihr.
"Ob Herr Biesenbach in der Vergangenheit in Deutschland unbehelligt geblieben ist, ist eine Wertungsfrage, im Übrigen hat sich Herr Biesenbach bis heute nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Insofern, unbehelligt sein ist nicht identisch mit nicht in Haft sitzen."
Allerdings haben die Hamburger Ermittler es bis heute nicht für notwendig erachtet, Biesenbach vorzuladen. Auch nicht, als Sandra Thomaszewski in einem Dringlichkeitsschreiben vom 20. Februar 2006 darauf hinweist, Biesenbach wolle sich am 26. Februar nach Indonesien absetzen. Mit welchem Erfolg, beschreibt sie äußerst knapp.
"Mit gar keinem. Schweigen."
Am 26. Februar verlässt Dantin Deutschland in Richtung Indonesien. Die Ermittler haben bis heute das Nachsehen. Jetzt räumt Oberstaatsanwalt Möllers ein:
"In diesem umfangreichen Verfahren sind die Ermittlungen komplex und wegen des Auslandsbezugs, aber auch wegen des Umstands, dass der Beschuldigte sich nicht in Deutschland, mutmaßlich nicht in Deutschland aufhält, schwierig und umfangreich."
Immer wieder erkundigt sich Sandra Thomaszewski nach dem Stand der Ermittlungen. Fortschritte kann sie nicht erkennen, erhält stets die stereotype Aussage, dass die Ermittlungen noch liefen.
Wesentlich zügiger dagegen die Zivilkammer des Landgerichts Hamburg. Sie verurteilt am 31. August 2006 nach einer Klage von "Bild hilft" die FIG-Indonesia zur Rückzahlung von rund 850.000 Euro plus Zinsen. Aufgrund dieses Urteils wird das Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank im März 2007 zwangsaufgelöst. Das Gericht lässt keinen Zweifel an der missbräuchlichen Nutzung der Spendengelder.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg indessen sieht bis heute keine Grundlage, Jürgen Klaus Biesenbach festzusetzen.
"Die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls wegen schweren Betruges liegen zurzeit nicht vor. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage, einen dringenden Tatverdacht, also eine weit überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit annehmen zu können."
Sandra Thomaszewski wird nun von dem Freiburger Anwalt David Einhaus vertreten. Sie will erreichen, dass die Spender ihr Geld zurückbekommen. Einhaus sieht im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Hamburg sehr wohl gute Gründe, einen Haftbefehl gegen Biesenbach zu erwirken. Dieser habe Spendengelder satzungswidrig in Risikopapiere angelegt, sei in einem Zivilverfahren rechtskräftig verurteilt und untergetaucht. Zudem habe er sich selbst das Gehalt von monatlich 4500 Euro ausbezahlt, ohne die dafür fälligen Sozialabgaben und Steuern zu bezahlen.
"Das reicht zur Annahme eines dringenden Tatverdachtes aus und mittlerweile weiß man ja auch, dass er gesucht wird und nicht auffindbar ist, sodass auch der Grund der Fluchtgefahr da wäre und das, gemeinsam mit dem dringenden Tatverdacht reicht nach meiner Einschätzung aus für die Beantragung eines Haftbefehls."
Zudem, kritisiert Einhaus, habe er als anwaltlicher Vertreter fast eineinhalb Jahre darauf warten müssen, bis ihm die Staatsanwaltschaft Hamburg die Akten zur Einsicht geschickt habe. Zum Nachteil seiner Mandantin. Ein Umstand, den Oberstaatsanwalt Möllers so begründet.
"Bevor die Staatsanwaltschaft Akteneinsicht an den Geschädigten veranlasst, ist immer zu prüfen, ob die bisherigen Ermittlungen möglicherweise nicht gefährdet sind. Insofern hatte die zugegebenermaßen etwas längere Wartezeit des Rechtsanwaltes ermittlungstaktische Gründe."
Anwalt Einhaus hält diese Begründung für vorgeschoben.
"Wenn man dann aber nach so langer Zeit die Akte dann endlich bekommt, um festzustellen, dass diejenigen Ermittlungen, die man erwartet oder erwarten könnte, nicht durchgeführt wurden, dann fragt man sich natürlich in der Rückschau, warum man die Akte nicht vorher bekommen hat."
Zudem beklagt Anwalt Einhaus, dass bis heute noch kein Rechtshilfeersuchen in Indonesien gestellt worden sei. Die Staatsanwaltschaft begründet das unter anderem damit, dass sie ja gar nicht wisse, ob sich Biesenbach überhaupt in Indonesien aufhalte.
"Im übrigen ist es so, dass wir im Moment auch gar nicht wüssten, welche ermittlungstechnischen Fragen im Rahmen einer Rechtshilfe mit Indonesien abgeklärt werden sollten."
Auch das kann Anwalt Einhaus nicht nachvollziehen. Ihm fallen nach Einsicht in die Akten spontan mehrere Fragen ein, mit denen man die indonesischen Kollegen im Fall Biesenbach um Rechtshilfe bitten könnte.
"Wo ist er und was macht er derzeit? Und insbesondere noch eine anschließende Frage: Hat er Geld für diese Versprechungen verwendet oder hat er keinerlei seiner versprochenen Projekte umgesetzt?"
Anwalt Einhaus findet es ebenso bedauerlich wie auffällig, dass die Staatsanwaltschaft darauf hinweise, einerseits nicht über hinreichende Erkenntnisse zu verfügen, andererseits zur Erlangung der Erkenntnisse nicht in der Lage sei, entsprechende Fragen an die indonesischen Ermittlungsbehörden zu stellen.
"Hier beißt sich die Katze, wie gesagt, in den Schwanz. Ich beklage mich darüber, den zweiten Schritt nicht machen zu können wenn nicht mal den ersten versuche."
Eine wichtige Rolle in diesem Fall spielt die gemeinnützige GmbH Inwent in Bonn. Sie betreibt - vereinfacht ausgedrückt - Entwicklungshilfe und gehört mehrheitlich dem Bund.
Die dort eingerichtete "Servicestelle Partnerschaftsinitiative" hatte die Aufgabe, den zahlreichen Privatspendern Hilfsprojekte im Tsunamigebiet zu vermitteln.
Inwent vermittelt auch an die "FIG-Indonesia". Geprüft hat sie die vermeintliche Hilfsorganisation nicht. Für die Spender verhängnisvoll.
Auch die Firma Dörken im westfälischen Herdecke hat 50.000 Euro gespendet. Wir konfrontieren das Vorstandsmitglied Karl Ewald Dörken mit unseren Rechercheergebnissen.
"Ich muss sagen, ich bin platt und erschüttert. Mein Rechtsempfinden ist erschüttert. Und ich habe jetzt hier den festen Willen als Vertreter der Ewald Dörken AG in Herdecke dieser Sache auf den Grund zu gehen."
Wie die Firma Dörken haben sich auch andere fest darauf verlassen, die Empfänger der Spenden und deren Projekte seien geprüft - so wie es auch in einem Tätigkeitsbericht bei Inwent wörtlich heißt –
"hinsichtlich Inhalt, Nachhaltigkeit, Finanzierung und Nutzen für die lokale Bevölkerung."
Zwischenzeitlich erklärt Inwent, das Auswärtige Amt habe vor Ort die Projekte geprüft. Das Auswärtige Amt wiederum bestätigt zwar auf Anfrage ein "enges Monitoring", gibt aber bei den Ermittlungsbehörden genau das Gegenteil zu Protokoll. In einem Ermittlungsvermerk vom 24. Februar 2006 heißt es, das Auswärtige Amt führe vor Ort keine Untersuchungen durch. Dies mache aber Inwent.
Inwent kann bis heute diesen Widerspruch nicht auflösen. Stattdessen wird neuerdings behauptet, man habe die Spender immer darauf hingewiesen, diese müssten sich selbst um die Seriosität der Hilfsprojekte kümmern. Demnach läge die Verantwortung, so Inwent, bei den Spendern selbst. Karl Ewald Dörken weiß von solchen Hinweisen nichts. Dann stellte sich ja die Frage, so Dörken, wozu Inwent an dieser Stelle überhaupt nötig gewesen sei.
"Wenn man eine Organisation hier im Hintergrund hat, die dann auch noch an der Bundesregierung aufgehängt ist, dann geht man natürlich davon aus, dass diese Menschen dann auch mit prüfen. Dass hier Behörden, ich sage mal, den Schwarzen Peter hin und herschieben, Pingpong spielen, kann ich nur beobachten, bewerten kann ich das nicht. Ich kann mir vorstellen, dass diese Menschen dort Schwierigkeiten haben, in dieser Sache sich wirklich den Hut aufzusetzen, weil es irgendwo hoch unangenehm ist."
Als Sandra Thomaszewski im Frühjahr 2006 Inwent informiert, dass sie einen Strafantrag gegen Biesenbach gestellt hat, macht sie eine seltsame Erfahrung. Sie bekommt das Gefühl vermittelt, Inwent möchte Ihre Bedenken zerstreuen.
"Ja, Vertröstungen eigentlich. Die haben einfach gesagt, es besteht nicht ausreichend Verdacht, dass da Gelder veruntreut wurden und dass sie natürlich das auch prüfen würden, dass das aber alles nicht wahr wäre."
Eine weitere Begebenheit stützt Thomaszewskis Vermutung. Am 11. März 2006 kommt es in der Volkshochschule Köln zu einem denkwürdigen Vorfall. Bei einer Veranstaltung zum Tsunami ziehen verschiedene Organisationen Bilanz oder legen Berichte über Ihre Tätigkeit vor. Für Inwent ist auch der für die FIG zuständige Projektleiter, Michael Gräf, zugegen. Marianne Klute von "watch Indonesia!" schildert den Vorgang so. Aus dem Protokoll:
Unter anderem haben die Teilnehmer Sinn und Unsinn einer institutionalisierten Vermittlung von Spendengeldern durch Inwent diskutiert, da zahlreiche kleine Projekte aufgrund dieser Vorgehensweise keinen einzigen Cent gesehen haben. Michael Gräf hat auch die Projekte der FIG angesprochen und der Versammlung Zahlenmaterial vorgelegt, das beweisen sollte, dass die FIG sauber und korrekt arbeitet. Daraufhin habe ich, da ich bestens über die Verhältnisse auf Pulau Weh bescheid weiß, Gräf öffentlich der Lüge bezichtigt. Er hat diesen ungeheuerlichen Vorwurf nicht zurückgewiesen.
Auch Michael Gräf haben wir vom "Hintergrund" des Deutschlandfunks kontaktiert. Reagiert hat er nicht. Heute ist Gräf Ansprechpartner eines neuen Inwent-Projektes. Diesmal zur Fußball-WM 2010 in Südafrika. Auch dieses Mal sollen – wie nach dem Tsunami – Partnerschaften auf den Weg gebracht werden.
Doch zu Ende ist die traurige Geschichte um das Versickern der Spendengelder offenbar noch nicht.
Karl Ewald Dörken will sich nicht damit abfinden, dass seine Spende versickert sein soll.
"Es geht ja erst mal darum, ob es hier Chancen gibt, den eigentlich guten Grund für unsere Spende wiederherzustellen und auch vielleicht noch was zu retten in diesem ganzen Fall, nämlich für die Menschen vor Ort."
Und auch er ist Kunde bei der Deutschen Bank:
"Es wird sicherlich auch ein spannendes Gespräch an der Stelle geben."
"Bild hilft" teilt mit, der Großteil der verschwundenen gut eine Million Euro, sei bestimmungsgemäß in Projekte der FIG geflossen. Davon hätte sich die Geschäftsführerin 2007 vor Ort überzeugt, sagt Tobias Fröhlich, der Sprecher des Springer-Verlags.
"Es handelte sich dabei hauptsächlich um 80 Häuser, die wir zu diesem Zeitpunkt von außen besichtigen konnten."
Die Nachfrage bei "Bild hilft", ob es Belege dafür gebe, dass die geplanten Häuser tatsächlich von der FIG gebaut wurden, beantwortet man uns schriftlich so:
Bild habe versucht, Belege zu bekommen.
Vorläufiger Schlussstrich unter der Spendenaktion, an der sich damals so viele Bundesbürger beteiligt hatten – erstens:
Für die mehr als eine Million Euro aus der Aktion "Bild hilft – Ein Herz für Kinder" fehlt bis heute jeglicher Verwendungsnachweis. Auch der Wiederaufbaubehörde vor Ort sind entsprechende Nachweise nicht bekannt.
Zweitens:
Die FIG-Indonesia wird am 11. Dezember 2007 aus dem Vereinsregister gelöscht. Die Homepage des Vereins ist seit Kurzem abgeschaltet.
Drittens:
Dreizehneinhalb Millionen Euro sind bei der diesjährigen Spendengala von "Bild hilft – Ein Herz für Kinder" zusammengekommen. Auf einem Konto der Deutschen Bank in Hamburg.
Und viertens:
Jürgen Klaus Biesenbach hält sich auch weiterhin auf der indonesischen Insel Pulau Weh auf. Dort, wo er nach eigenen Worten "schon immer mal hin wollte". Inzwischen hat er unter dem Namen seiner jetzigen Frau und früheren FIG-Mitarbeiterin dort ein Hotel gebaut.
Wir finden keine andere Erklärung dafür als diese:
Biesenbach alias Dantin kann das Hotel nur mithilfe der außergewöhnlichen Spendenbereitschaft in Deutschland finanziert haben.