Keine drei Tage nach dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel eine weitreichende Entscheidung: ein Moratorium für die erst wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke.
"Die Bilder, die uns seit Freitag erreichen machen, eine geradezu apokalyptisches Ausmaß deutlich und sie lassen uns verstummen. Denn die Ereignisse in Japan, sie lehren uns, dass etwas, was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für unmöglich gehalten wurde, doch möglich werden könnte."
Aus dem Moratorium wird kurz darauf ein Atomausstieg. Dieser sieht vor, die deutschen Kernkraftwerke im Rahmen der kommerziellen Versorgung schrittweise vom Netz zu nehmen - im Jahr 2022 soll der letzte Meiler abgeschaltet sein.
Stromversorgung ist sicher geblieben
Fünf Jahre nach Fukushima ist die Bilanz in Deutschland gemischt: Stromausfälle sind ausgeblieben, die Versorgung gilt als sicher.
Dazu steuern auch die Erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag bei, deren Anteil an der Stromversorgung gewachsen ist: Lag er 2010 noch bei 17 Prozent, ist er 2015 auf 30 Prozent geklettert.
Probleme gibt es allerdings beim Ausbau der Stromtrassen, gestritten wird vor allem über die Leitungsnetze.
Für die Verbraucher ist der Strom deutlich teurer geworden.
Doch die womöglich größten Folgen des Atomausstiegs sind sehr langfristig - und sehr teuer. Es geht um die Frage, wer für die Stilllegung der Reaktoren und die Entsorgung des Atommülls zahlt. Das soll zurzeit die Atomkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen grünen Umweltministers Jürgen Trittin klären.
Für die großen deutschen Energieversorger ist der Atomausstieg ein großer Einschnitt, betont Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Konzerne hätten "sehr, sehr lange Jahrzehnte Atomkraftwerke betrieben, hohe Gewinne wurden da gemacht für die Konzerne. Aber die Rückstellungen sind in den Bilanzen der Konzerne. Und jetzt tut sich eben die Gefahr auf, dass die Konzerne, weil sie wirtschaftlich angeschlagen sind, vielleicht nicht mehr in der Lage sein können, die gesamten Kosten zu tragen, die sie eigentlich bilanziert haben."
Klage der Energieversorger
Parallel zum Finanzierungsstreit gibt es einen Rechtsstreit. Eon, RWE und Vattenfall haben gegen das deutsche Atomausstiegsgesetz Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Diese soll kommende Woche in Karlsruhe verhandelt werden. Die Konzerne hoffen auf Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe.
Doch möglicherweise könnten die Klagen auch bald Makulatur sein - nämlich dann, wenn sich die Konzerne mit der Bundesregierung einigen. Diese lockt damit, den Energieversorgern das Risiko bei der Endlagerung des Atommülls abzunehmen.
Seit zwei Jahren ist die sogenannte Endlagerkommission mit geologischen und sicherheitstechnischen Kriterien beschäftigt, die dann bei der Endlagersuche Vorgabe werden sollen. Die Kriterien sollen gleichzeitig auch der Öffentlichkeit im Rahmen eines Bürgerdialogs vorgestellt werden, sagte diese Woche Michael Müller, der Vorsitzende der Kommission:
"Dass das nicht wieder mit dem selben Fehler läuft wie bei Gorleben: Man sucht einen Standort und sagt dann, jetzt müsst ihr den akzeptieren und erst dann beginnt die intensive Debatte. Sondern wir wollen von Anfang an die intensive Debatte über die dann gefundenen Kriterien."
Der Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND verlangt unterdessen einen vorgezogenen Ausstieg aus der Kernkraft und verweist auf wachsende schwere Sicherheitsmängel. In jedem deutschen Atomkraftwerk sei jederzeit ein schwerer Unfall möglich, so der BUND.