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Für Demokratie und Meinungsfreiheit

Am kommenden Wochenende wählt auch Weißrussland ein neues Parlament. Etliche Oppositionskandidaten wurden aber erneut nicht zur Wahl zugelassen. Auch der auch der Oppositionspolitiker Alexander Kosulin wird nicht antreten. Er erholt sich noch von den Strapazen der zweijährigen Haftzeit und den Folgen der Hungerstreiks. Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster berichten.

    Wahlwerbung im weißrussischen Staatsfernsehen. Im Fünf-Minuten-Takt verlesen die Kandidaten ihr Programm. Stellen sich vor. "Sendezeit im staatlichen Rundfunk" - "Zulassung von Oppositions-Kandidaten" - "Internationale Wahlbeobachter im Land". Die weißrussische Regierung wird nicht müde, den demokratischen Charakter der Parlamentswahl zu betonen. Die Opposition sieht das anders. In Weißrussland herrscht vor allem einer: Präsident Alexander Lukaschenko. Die Allmacht des Präsidenten bekam mit voller Härte auch der Oppositionspolitiker Alexander Kosulin zu spüren. 2006 trat er als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko an. Nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen rief er seine Anhänger zu Protesten auf, wurde verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Vor wenigen Wochen wurde Kosulin überraschend freigelassen.

    " Viele in Europa, Deutschland inbegriffen, denken, dass die Parlamentswahlen bei uns demokratisch verlaufen werden. Aber das wird nicht der Fall sein. Es wird am Sonntag genauso gewählt werden wie früher. Diejenigen, die von Lukaschenko ernannt werden, die werden im Parlament sitzen. Das heißt, es wird keine Wahl geben. Das ist alles nur Fassade. "

    Etliche Oppositionskandidaten wurden auch dieses Mal nicht zur Wahl zugelassen. Druckereien weigerten sich, Wahlkampfmaterial der Regime-Kritiker zu drucken. In den Wahlkommissionen, die den Ablauf organisieren, ist die Opposition kaum vertreten. Wahlkampf auf Weißrussisch eben. Alexander Kosulin wird bei diesen Parlamentswahlen nicht antreten. Er erholt sich noch von den Strapazen der zweijährigen Haftzeit und den Folgen der Hungerstreiks. Während er im Gefängnis saß, starb seine Frau an Krebs. Erst nach internationalen Protesten durfte er an ihrer Beerdigung teilnehmen. Der große, schmale 53-Jährige im dunklen Anzug wirkt ruhig und gefasst. Ab und an lächelt er ein wenig. Trotz der schweren Vergangenheit will Kosulin zurück in die Politik. Wie, das mag er aber hier, in dem kleinen Minsker Restaurant, nicht verraten. Kosulin deutet mit dem Kopf Richtung Fenster.

    " Nix sagen, draußen stehen zehn Leute und alles wird mitgeschnitten. "

    "Draußen stehen Autos mit Leuten drin. Unser Gespräch wird sicher mitgeschnitten", sagt Alexander Kosulin. Mit einem ausgeklügelten Instrumentarium versucht das Regime, missliebige Aktivitäten unter Kontrolle zu halten. Wer sich politisch engagiert, der muss mit endlosen Steuerprüfungen rechnen, kann seine Arbeit verlieren und unter Umständen werden die Kinder der Schule verwiesen. Trotz alledem: Kosulin hofft auf einen politischen Wandel:

    " Wissen Sie, ich denke, dass jeder Mensch irgendwann den Krieg müde ist. Und Herr Lukaschenko ist schon seit 14 Jahren in einem andauernden Kriegszustand. Er glaubt, um sich herum nur Feinde zu haben. Ich glaube, es ist an der Zeit, etwas Neues zu schaffen, etwas Bleibendes. Und nicht nach Feinden zu suchen. Ich denke, die Situation selbst zwingt Lukaschenko dazu. "

    Vor allem die wirtschaftliche Situation zwingt Lukaschenko, dem Westen gegenüber Zugeständnisse zu machen. Die weißrussische Wirtschaft ächzt unter steigenden Energiekosten. Rund 500 Staatsbetriebe sollen privatisiert und Investoren aus dem Ausland angelockt werden. "Der Westen sollte die Chance nutzen", sagt Kosulin. "Und auf Demokratisierung und Einhaltung der Menschenrechte pochen". Für ihn ist wichtig, dass der Westen standhaft bleibt und deutlich macht, dass die Parlamentswahlen undemokratisch sind.

    " Mein Beispiel zeigt deutlich: es hängt nicht alles in dieser Welt von Herrn Lukaschenko ab. Er hat versucht, mich zu brechen und mich im Gefängnis zu behalten. Aber der Druck, den die Weltgemeinschaft, die USA und die EU ausgeübt haben, der hat bewirkt, dass Lukaschenko nichts anderes übrigblieb, als mich freizulassen. "