Jürgen Liminski: Es sind gerade mal zwei Wochen her, dass der Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull auf Island ausbrach und den europäischen Luftraum tagelang leerte. Es scheint schon vergessen, obwohl, wie man in der Presse las, neben dem Vulkan noch ein größerer Bruder steht, unter dem es kocht und brodelt. Immerhin hat der den einfach Namen Katla. Wie lebt es sich in der Nachbarschaft von brodelnden Vulkanen und wie erlebt der Isländer auf seinen Reisen in Europa die Folgen eines solchen Ausbruchs? – Das fragen wir nun den isländischen Schriftsteller Halldor Gudmundsson. Er ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, hat eine ganze Reihe internationaler Preise abgeräumt und ist nun in Island, genauer in Reykjavík am Telefon. Guten Morgen, Herr Gudmundsson.
Halldor Gudmundsson: Schönen guten Morgen!
Liminski: Herr Gudmundsson, auf dem Kontinent scheint der Ausbruch des Eyjafjallajökull vergessen, beziehungsweise der Ausbruch der Euro-Krise überschattet die Erinnerung und besetzt die medialen Plätze, aber der Vulkan spuckt immer noch und daneben steht auch noch ein größerer. Wie lebt es sich in dieser brodelnden Nachbarschaft?
Gudmundsson: Es war schon ziemlich erschreckend zum Anfang. Das heißt, es fing mit einem sehr friedlichen kleinen, touristenfreundlichen Ausbruch an. Da konnte man hinfahren und den anschauen, und das ist immer ein großartiger Anblick. Dann ging es zwei Wochen später richtig los mit dem, wie Sie so schön sagten, Eyjafjallajökull himself, wenn man das so sagen kann, und der hat seit 1821 nichts von sich hören lassen, und das ist dann wirklich ein Berg, ein 1700 Meter Berg, und man braucht von Reykjavík aus nur ein bisschen in die Berge zu fahren und dann sieht man noch immer die Wolke darüber.
Liminski: Und der Katla, soll der ...
Gudmundsson: Ja, da warten wir noch drauf. Wir würden "die Katla" hier sagen. Die steht nebenan in einem Gletscher gleich in der Nähe und eigentlich erwartet man bei ihr einen Ausbruch schon lange, denn der letzte war 1918 und bisher war das im Mittel so alle 50 Jahre mal. Aber das ist das Problem mit geologischen Vorhersagen; die haben ein bisschen ein anderes Zeitverständnis als wir. Da kann plus-minus 100 Jahre eigentlich kurz sein.
Liminski: Was wir vor zehn Tagen da erlebt haben, soll ja nur ein kleiner Probeausbruch gewesen sein im Vergleich zu dem, was da im Nachbarschaftsvulkan, eben in diesem Katla hochkocht. Gibt es keine gesicherten Informationen?
Gudmundsson: Das zeigt, dass die Isländer noch immer zu Übertreibungen neigen, denn wenn gerade Eyjafjallajökull einen Ausbruch gehabt hat, dann ist meistens der Katla-Ausbruch kleiner. Es ist sozusagen derselbe Druck, der dahinter ist, und man kann sich fast selber sagen, dann wird der zweite Ausbruch doch nicht viel gewaltiger, sondern eher kleiner.
Liminski: Das ist beruhigend. – Sie sind in den letzten Tagen und Wochen, Herr Gudmundsson, durch Europa gereist. Sind Sie da auf Skepsis oder Abneigung gestoßen, weil Sie aus dem Land der Vulkane, oder auch der Geldverbrennung kommen?
Gudmundsson: Geldverbrennung schon! Da sieht man die Skepsis, obwohl sich das Geldverbrennen ja seit uns doch ziemlich weit verbreitet hat und sie ja auch jetzt im Süden Europas relativ gesehen viel größere Sorgen haben als wir. Hingegen war ich eher froh, nicht die europäischen Lufthäfen besuchen zu müssen, während die Asche den gesamten Flugverkehr lahmgelegt hat. Aber ich glaube, die meisten – und besonders in Deutschland merkt man ja immer sehr viel Sympathie – wissen halt, wir haben gezeigt, dass wir nicht mit unseren Banken umgehen können, aber für die Naturgewalten können wir nun wirklich nichts.
Liminski: Hat man inzwischen etwas aus dem Ausbruch auf der, ich sage mal salopp, Bankrottinsel im hohen Norden gelernt? Welche Lektionen lehrt uns Eyjafjallajökull, oder sollen wir, wie das jetzt geschieht, einfach wieder nur zur Tagesordnung übergehen?
Gudmundsson: Ich hoffe sehr, dass der finanzielle Kollaps, sozusagen die menschgemachte Katastrophe hier Anfang Oktober 2008, den Isländern doch einiges beigebracht hat, was kritische Öffentlichkeit und demokratische Kontrolle betrifft, denn gerade zwischen den Ausbrüchen, als sei es orchestriert worden, wurde hier ein großer Bericht einer parlamentarischen Kommission abgeliefert, um zu sagen, was ist bei uns schief gelaufen. Das ist ein sehr offener, sehr ehrlicher Bericht, der diese Sachen gut dokumentiert vorlegt, ohne zu irgendwelchen ideologischen Erklärungen zu greifen. Dieses Buch von 2300 Seiten steht jetzt auf dem ersten Platz der isländischen Bestsellerliste für diesen Monat und daraus kann man wirklich vieles lernen, was bei uns versagt hat, was bei uns besser werden könnte, und ich glaube, sogar die Politiker geben sich den Anschein, davon etwas lernen zu wollen.
Liminski: Und welche Lektionen lehrt uns Eyjafjallaj?
Gudmundsson: ... , dass wir trotz allem über die Naturgewalten noch nichts zu sagen haben. Es ist gut, dass wir gelernt haben, auf die Natur Rücksicht zu nehmen, aber wir können nicht verlangen, dass es auch umgekehrt wird.
Liminski: Die Natur ist mächtiger als der Mensch, sie zeigt ihm immer wieder mal die Grenzen auf. Das war aus Reykjavík der isländische Schriftsteller Halldor Gudmundsson. Besten Dank für das Gespräch, Herr Gudmundsson.
Gudmundsson: Danke gleichfalls.
Halldor Gudmundsson: Schönen guten Morgen!
Liminski: Herr Gudmundsson, auf dem Kontinent scheint der Ausbruch des Eyjafjallajökull vergessen, beziehungsweise der Ausbruch der Euro-Krise überschattet die Erinnerung und besetzt die medialen Plätze, aber der Vulkan spuckt immer noch und daneben steht auch noch ein größerer. Wie lebt es sich in dieser brodelnden Nachbarschaft?
Gudmundsson: Es war schon ziemlich erschreckend zum Anfang. Das heißt, es fing mit einem sehr friedlichen kleinen, touristenfreundlichen Ausbruch an. Da konnte man hinfahren und den anschauen, und das ist immer ein großartiger Anblick. Dann ging es zwei Wochen später richtig los mit dem, wie Sie so schön sagten, Eyjafjallajökull himself, wenn man das so sagen kann, und der hat seit 1821 nichts von sich hören lassen, und das ist dann wirklich ein Berg, ein 1700 Meter Berg, und man braucht von Reykjavík aus nur ein bisschen in die Berge zu fahren und dann sieht man noch immer die Wolke darüber.
Liminski: Und der Katla, soll der ...
Gudmundsson: Ja, da warten wir noch drauf. Wir würden "die Katla" hier sagen. Die steht nebenan in einem Gletscher gleich in der Nähe und eigentlich erwartet man bei ihr einen Ausbruch schon lange, denn der letzte war 1918 und bisher war das im Mittel so alle 50 Jahre mal. Aber das ist das Problem mit geologischen Vorhersagen; die haben ein bisschen ein anderes Zeitverständnis als wir. Da kann plus-minus 100 Jahre eigentlich kurz sein.
Liminski: Was wir vor zehn Tagen da erlebt haben, soll ja nur ein kleiner Probeausbruch gewesen sein im Vergleich zu dem, was da im Nachbarschaftsvulkan, eben in diesem Katla hochkocht. Gibt es keine gesicherten Informationen?
Gudmundsson: Das zeigt, dass die Isländer noch immer zu Übertreibungen neigen, denn wenn gerade Eyjafjallajökull einen Ausbruch gehabt hat, dann ist meistens der Katla-Ausbruch kleiner. Es ist sozusagen derselbe Druck, der dahinter ist, und man kann sich fast selber sagen, dann wird der zweite Ausbruch doch nicht viel gewaltiger, sondern eher kleiner.
Liminski: Das ist beruhigend. – Sie sind in den letzten Tagen und Wochen, Herr Gudmundsson, durch Europa gereist. Sind Sie da auf Skepsis oder Abneigung gestoßen, weil Sie aus dem Land der Vulkane, oder auch der Geldverbrennung kommen?
Gudmundsson: Geldverbrennung schon! Da sieht man die Skepsis, obwohl sich das Geldverbrennen ja seit uns doch ziemlich weit verbreitet hat und sie ja auch jetzt im Süden Europas relativ gesehen viel größere Sorgen haben als wir. Hingegen war ich eher froh, nicht die europäischen Lufthäfen besuchen zu müssen, während die Asche den gesamten Flugverkehr lahmgelegt hat. Aber ich glaube, die meisten – und besonders in Deutschland merkt man ja immer sehr viel Sympathie – wissen halt, wir haben gezeigt, dass wir nicht mit unseren Banken umgehen können, aber für die Naturgewalten können wir nun wirklich nichts.
Liminski: Hat man inzwischen etwas aus dem Ausbruch auf der, ich sage mal salopp, Bankrottinsel im hohen Norden gelernt? Welche Lektionen lehrt uns Eyjafjallajökull, oder sollen wir, wie das jetzt geschieht, einfach wieder nur zur Tagesordnung übergehen?
Gudmundsson: Ich hoffe sehr, dass der finanzielle Kollaps, sozusagen die menschgemachte Katastrophe hier Anfang Oktober 2008, den Isländern doch einiges beigebracht hat, was kritische Öffentlichkeit und demokratische Kontrolle betrifft, denn gerade zwischen den Ausbrüchen, als sei es orchestriert worden, wurde hier ein großer Bericht einer parlamentarischen Kommission abgeliefert, um zu sagen, was ist bei uns schief gelaufen. Das ist ein sehr offener, sehr ehrlicher Bericht, der diese Sachen gut dokumentiert vorlegt, ohne zu irgendwelchen ideologischen Erklärungen zu greifen. Dieses Buch von 2300 Seiten steht jetzt auf dem ersten Platz der isländischen Bestsellerliste für diesen Monat und daraus kann man wirklich vieles lernen, was bei uns versagt hat, was bei uns besser werden könnte, und ich glaube, sogar die Politiker geben sich den Anschein, davon etwas lernen zu wollen.
Liminski: Und welche Lektionen lehrt uns Eyjafjallaj?
Gudmundsson: ... , dass wir trotz allem über die Naturgewalten noch nichts zu sagen haben. Es ist gut, dass wir gelernt haben, auf die Natur Rücksicht zu nehmen, aber wir können nicht verlangen, dass es auch umgekehrt wird.
Liminski: Die Natur ist mächtiger als der Mensch, sie zeigt ihm immer wieder mal die Grenzen auf. Das war aus Reykjavík der isländische Schriftsteller Halldor Gudmundsson. Besten Dank für das Gespräch, Herr Gudmundsson.
Gudmundsson: Danke gleichfalls.