Silvia Engels: Am Telefon begrüße ich Stefan Müller, er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag. Guten Morgen, Herr Müller!
Stefan Müller: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wird es einen Schuldenschnitt für Griechenland mit der CSU-Zustimmung geben?
Müller: Ich muss grundsätzlich natürlich genau den gleichen Satz sagen, den Sie ja gerade im Einspieler auch schon gebracht haben. Es ist, denke ich, im Augenblick wirklich unseriös, schon irgendwelche Überlegungen anzustellen, solange der Bericht der Troika nicht vorliegt. Der muss erst abgewartet werden, bevor man über neue Maßnahmen reden kann. Und was diese Diskussion am Wochenende angeht über einen Schuldenschnitt: Ich sage ganz offen, dass ich da sehr zurückhaltend bin, dass ich auch nicht glaube, dass das zielführend wäre. Wir haben schon einen Schuldenschnitt von über 50 Prozent gemacht, zulasten der Privatgläubiger. Und damals wurde auch gesagt, dass es dabei bleibt. Wenn jetzt aber nun das Problem der Griechen ist, dass sie zu wenig Vertrauen bei den Investoren haben. Und wenn das Ziel ist, dass Griechenland auch irgendwann wieder selbst sich am Finanzmarkt finanzieren kann, dann macht es nur noch wenig Sinn, künftigen Geldgebern jetzt schon Geld abzunehmen, um ihnen zu sagen, aber wir brauchen eure Investitionen in Zukunft natürlich schon wieder.
Engels: Bundesfinanzminister Schäuble hat bei uns ja gestern im Deutschlandfunk die Alternative zumindest für denkbar gehalten, keinen Schuldenschnitt zu machen, aber den Griechen neues Geld zu geben, damit sie damit alte Staatsschuldpapiere aufkaufen. Die sind ja derzeit auf dem Markt günstiger zu haben, als ihr Ausgabepreis ist. Und wenn Athen sie günstiger kaufen würde, würde sich damit automatisch seine Staatsschuldenlast verringern. Ist das eine Alternative, wo auch die CSU mitmachen würde?
Müller: Nun, das war ja auch eine Idee der Europäischen Zentralbank. Ich würde das grundsätzlich gar nicht ausschließen. Jedenfalls muss man auch darüber seriöserweise reden. Es gilt aber da das gleiche, wie bei allen anderen Hilfen: Zunächst einmal brauchen wir einen Überblick darüber, wie die Situation in Griechenland ist. Wir brauchen eine Einschätzung der Troika. Und es muss klar sein, dass die Griechen die Anstrengungen, die sie zugesagt haben, auch tatsächlich einhalten. Und man kann im Augenblick jedenfalls, nach allem, was man so hört, davon ausgehen, dass bislang nicht alles umgesetzt worden ist. Und dazu dient der Troika-Bericht, um einschätzen zu können, ob dann weitere Hilfszahlungen oder gar ein neues Programm machbar sind.
Engels: Aber, Herr Müller, die Spatzen pfeifen es doch wirklich von den Dächern, dass so oder so mehr Geld für Griechenland noch einmal in die Hand genommen werden muss, ob man es nun Schuldenschnitt nennt oder Schuldenrückkaufprogramm. Ist das nicht genau das Fass ohne Boden, von dem Parteichef Seehofer noch vor drei Monaten gesprochen hat?
Müller: Ja nun, also es sind ja nun nicht nur diese beiden Alternativen, über die geredet wird. Wir haben bislang immer davon geredet, dass wir zunächst einmal entscheiden, ob aus dem bestehenden Hilfsprogramm die nächste Teilzahlung geleistet werden kann. Auch dafür ist der Troika-Bericht die Grundlage, was auch die Voraussetzung dafür ist, dass die Maßnahmen, die versprochen worden sind, auch angegangen wurden. Und dann haben wir in der Vergangenheit weder über Schuldenschnitte, noch über Rückkaufprogramme geredet, sondern über die Frage, ob es ein neues, dann drittes Hilfsprogramm geben soll. Das halte ich genauso für spekulativ. Das käme nur dann infrage, wenn das Bestehende nicht ausreicht. Ich sehe derzeit noch kein neues Hilfsprogramm. Ich sehe weder einen Schuldenschnitt, noch ein Schuldenrückkaufprogramm. Wichtig ist, dass die gemachten Zusagen eingehalten werden. Und dann wird man sehen, inwieweit es überhaupt möglich ist für die Griechen, ihre Zusagen einzuhalten.
Eines muss man natürlich schon sagen. Die Griechen unternehmen Anstrengungen. Leider ist allerdings der Einbruch bei der Wirtschaftsleistung so stark, dass jedenfalls mit mehr Sparen wahrscheinlich es nicht getan ist. Aber die Strukturreformen, die kein Geld kosten, die müssen natürlich gemacht werden.
Engels: Herr Müller, Sie sprechen davon, Sie sehen derzeit noch kein neues Hilfspaket. Sie sprechen davon, dass es möglicherweise darüber noch weitere Gespräche geben muss. Wo ist denn da bitte schön die rote Linie der CSU geblieben, die ja lange gesagt hat, irgendwann ist Schluss?
Müller: Die rote Linie bleibt bestehen! Wenn die Griechen ihre Zusagen nicht einhalten, dann kann es auch kein neues Hilfsprogramm geben.
Engels: Aber wenn man die Rahmenbedingungen immer weiter verändert, wie das auch jetzt der Fall ist, dann kann man irgendwann doch allem zustimmen, oder?
Müller: Nein! Die Rahmenbedingungen sind ja nicht verändert worden, sondern beim bestehenden Hilfsprogramm bleiben die Vereinbarungen so, wie sie sind. Und die müssen von den Griechen eingehalten werden. Nun kann ich nicht ausschließen, dass die Troika zum Ergebnis kommt, dass beim besten Willen auch sie nicht einzuhalten waren, zum Beispiel die Vorgaben, was die Sparleistungen angeht, eben weil der Einbruch bei der Wirtschaftsleistung so stark ist. Dann ist aber das Mindeste, dass die zugesagten Strukturreformen, die wiederum kein Geld kosten, auch eingehalten worden sind. Wenn dann die Troika zum Ergebnis kommt, es reicht nicht aus. Und die Griechen sind auch beim besten Willen nicht in der Lage gewesen, ihre Zusagen, was beispielsweise Einsparungen angeht, auch einzuhalten, dann wird sich natürlich die Frage stellen, ob es ein weiteres Hilfsprogramm geben kann. Aber vorher hätte ich bitte doch schon gerne die Einschätzung der Troika gehört.
Engels: Dann schauen wir auf die andere Seite, die die Troika offenbar auch vorschlägt, nämlich schärfere Kontrollen noch einmal für Athen. Da ist die Rede davon laut Medienberichten, dass man auf Sperrkonten erst die neuen Kredittranchen parken will und da automatische Mechanismen gegenüber Athen durchdrücken will. Sind Sie auf dieser Linie dabei?
Müller: Ich halte das für absolut sachgerecht, ja.
Engels: Dann schauen wir auf die Ebene des Bundestages. Da waren am Wochenende ja Zweifel laut geworden, ob denn alle Änderungen, die an Griechenland-Hilfen erfolgen könnten, auch tatsächlich durch den Bundestag abgesegnet werden müssten. Bundestagspräsident Lammert hat die Regierung vorsorglich schon einmal gewarnt, das müsste auf jeden Fall durch den Bundestag. Haben Sie hier Befürchtungen, dass es Änderungen gibt, ohne dass das Parlament zustimmt?
Müller: Nein. Wir haben eine starke Parlamentsbeteiligung. Wir haben zum einen, wenn es darum geht, die nächste Tranche auszubezahlen aus dem bestehenden Hilfsprogramm, immer die Voraussetzung, dass der Haushaltsausschuss dem entsprechend zustimmen muss. Wenn es nun Veränderungen am bestehenden Hilfsprogramm gäbe, zum Beispiel mehr Zeit. Oder wenn es gar ein neues Hilfsprogramm gäbe, dann müsste der Bundestag natürlich insgesamt zustimmen.
Engels: Gilt das auch für den Fall, dass diese Variante käme, dass Athen Geld gegeben wird, um alte Staatsschuldpapiere aufzukaufen?
Müller: Nach meiner Einschätzung wäre eine solche Zusage auch ein neues Hilfsprogramm und dann muss der Bundestag vorher zustimmen.
Engels: Nun gibt es ja, wenn noch einmal der Bundestag über Veränderungen der Griechenland-Hilfe abstimmt, ein Problem, und das heißt, dass die schwarz-gelbe Mehrheit nicht sicher ist. Wie ist es da bei der CSU?
Müller: Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich, wenn es gute Argumente gibt und wenn die auch nachvollziehbar sind und wenn die Troika zu einem entsprechenden Vorschlag kommt, dass es dann auch eine eigene Mehrheit innerhalb der Bundestags- beziehungsweise der Regierungskoalition gibt. Und ich bin mir auch sicher, dass jedenfalls eine deutliche Mehrheit der CSU-Bundestagsabgeordneten dem dann auch zustimmen würde.
Engels: Wie erklären Sie das denn Ihren Wählern in Bayern?
Müller: Ich sage noch mal: Es kommt ja darauf an, dass das, was wir immer gesagt haben, nämlich dass es keine Leistung ohne eine Gegenleistung gibt, sprich die Griechen auch Zusagen machen müssen, was beispielsweise Strukturreformen angeht und Einsparungen angeht, dass das auch gemacht wird, dass dieser Wille erkennbar ist. Zur Ehrlichkeit gehört aber dann eben auch dazu, wenn man zur Einschätzung kommt, es war einfach auch nicht einzuhalten, insbesondere was Einsparungen angeht, wo die Wirtschaft sehr viel schlechter läuft, und so weiter. Das ist aber dann in der Tat einerseits von uns auch noch mal zu bewerten, das wird auch nicht einfach werden, das räume ich ein. Ich glaube aber, dass es durchaus auch zu erläutern ist, auch gegenüber den Wählern. Ich habe jedenfalls bei den Diskussionen, die ich führe, dort immer wenig Probleme, weil auch klar ist, es geht hier um den Zusammenhalt der Euro-Gemeinschaft, es geht um unsere gemeinsame Währung und es ist auch in deutschem Interesse, dass der Euro erhalten bleibt und stabil bleibt.
Engels: Und für den Fall, dass die derzeit in Umfragen leicht hervortretende Zustimmung der Deutschen zu weiteren Griechenland-Hilfen wieder kippt, dann schwenkt auch die CSU wieder um?
Müller: Ich finde, grundsätzlich sollte man sich nicht immer von Umfragen leiten lassen bei politischen Entscheidungen. Ich meine, es gehört auch zur Führungsverantwortung von Politik, dass man einerseits auch für richtig gehaltene Entscheidungen dann trifft. Und andererseits gehört es zur Aufgabe der Politik, das dann auch entsprechend den Wählern zu erläutern. Ich glaube, das geht.
Engels: Und einem dritten Griechenland-Paket wird die CSU-Landesgruppe geschlossen zustimmen?
Müller: Ich sehe noch kein drittes Griechenland-Paket. Insofern stellt sich die Diskussion gar nicht.
Engels: Stefan Müller war das, er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Stefan Müller: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wird es einen Schuldenschnitt für Griechenland mit der CSU-Zustimmung geben?
Müller: Ich muss grundsätzlich natürlich genau den gleichen Satz sagen, den Sie ja gerade im Einspieler auch schon gebracht haben. Es ist, denke ich, im Augenblick wirklich unseriös, schon irgendwelche Überlegungen anzustellen, solange der Bericht der Troika nicht vorliegt. Der muss erst abgewartet werden, bevor man über neue Maßnahmen reden kann. Und was diese Diskussion am Wochenende angeht über einen Schuldenschnitt: Ich sage ganz offen, dass ich da sehr zurückhaltend bin, dass ich auch nicht glaube, dass das zielführend wäre. Wir haben schon einen Schuldenschnitt von über 50 Prozent gemacht, zulasten der Privatgläubiger. Und damals wurde auch gesagt, dass es dabei bleibt. Wenn jetzt aber nun das Problem der Griechen ist, dass sie zu wenig Vertrauen bei den Investoren haben. Und wenn das Ziel ist, dass Griechenland auch irgendwann wieder selbst sich am Finanzmarkt finanzieren kann, dann macht es nur noch wenig Sinn, künftigen Geldgebern jetzt schon Geld abzunehmen, um ihnen zu sagen, aber wir brauchen eure Investitionen in Zukunft natürlich schon wieder.
Engels: Bundesfinanzminister Schäuble hat bei uns ja gestern im Deutschlandfunk die Alternative zumindest für denkbar gehalten, keinen Schuldenschnitt zu machen, aber den Griechen neues Geld zu geben, damit sie damit alte Staatsschuldpapiere aufkaufen. Die sind ja derzeit auf dem Markt günstiger zu haben, als ihr Ausgabepreis ist. Und wenn Athen sie günstiger kaufen würde, würde sich damit automatisch seine Staatsschuldenlast verringern. Ist das eine Alternative, wo auch die CSU mitmachen würde?
Müller: Nun, das war ja auch eine Idee der Europäischen Zentralbank. Ich würde das grundsätzlich gar nicht ausschließen. Jedenfalls muss man auch darüber seriöserweise reden. Es gilt aber da das gleiche, wie bei allen anderen Hilfen: Zunächst einmal brauchen wir einen Überblick darüber, wie die Situation in Griechenland ist. Wir brauchen eine Einschätzung der Troika. Und es muss klar sein, dass die Griechen die Anstrengungen, die sie zugesagt haben, auch tatsächlich einhalten. Und man kann im Augenblick jedenfalls, nach allem, was man so hört, davon ausgehen, dass bislang nicht alles umgesetzt worden ist. Und dazu dient der Troika-Bericht, um einschätzen zu können, ob dann weitere Hilfszahlungen oder gar ein neues Programm machbar sind.
Engels: Aber, Herr Müller, die Spatzen pfeifen es doch wirklich von den Dächern, dass so oder so mehr Geld für Griechenland noch einmal in die Hand genommen werden muss, ob man es nun Schuldenschnitt nennt oder Schuldenrückkaufprogramm. Ist das nicht genau das Fass ohne Boden, von dem Parteichef Seehofer noch vor drei Monaten gesprochen hat?
Müller: Ja nun, also es sind ja nun nicht nur diese beiden Alternativen, über die geredet wird. Wir haben bislang immer davon geredet, dass wir zunächst einmal entscheiden, ob aus dem bestehenden Hilfsprogramm die nächste Teilzahlung geleistet werden kann. Auch dafür ist der Troika-Bericht die Grundlage, was auch die Voraussetzung dafür ist, dass die Maßnahmen, die versprochen worden sind, auch angegangen wurden. Und dann haben wir in der Vergangenheit weder über Schuldenschnitte, noch über Rückkaufprogramme geredet, sondern über die Frage, ob es ein neues, dann drittes Hilfsprogramm geben soll. Das halte ich genauso für spekulativ. Das käme nur dann infrage, wenn das Bestehende nicht ausreicht. Ich sehe derzeit noch kein neues Hilfsprogramm. Ich sehe weder einen Schuldenschnitt, noch ein Schuldenrückkaufprogramm. Wichtig ist, dass die gemachten Zusagen eingehalten werden. Und dann wird man sehen, inwieweit es überhaupt möglich ist für die Griechen, ihre Zusagen einzuhalten.
Eines muss man natürlich schon sagen. Die Griechen unternehmen Anstrengungen. Leider ist allerdings der Einbruch bei der Wirtschaftsleistung so stark, dass jedenfalls mit mehr Sparen wahrscheinlich es nicht getan ist. Aber die Strukturreformen, die kein Geld kosten, die müssen natürlich gemacht werden.
Engels: Herr Müller, Sie sprechen davon, Sie sehen derzeit noch kein neues Hilfspaket. Sie sprechen davon, dass es möglicherweise darüber noch weitere Gespräche geben muss. Wo ist denn da bitte schön die rote Linie der CSU geblieben, die ja lange gesagt hat, irgendwann ist Schluss?
Müller: Die rote Linie bleibt bestehen! Wenn die Griechen ihre Zusagen nicht einhalten, dann kann es auch kein neues Hilfsprogramm geben.
Engels: Aber wenn man die Rahmenbedingungen immer weiter verändert, wie das auch jetzt der Fall ist, dann kann man irgendwann doch allem zustimmen, oder?
Müller: Nein! Die Rahmenbedingungen sind ja nicht verändert worden, sondern beim bestehenden Hilfsprogramm bleiben die Vereinbarungen so, wie sie sind. Und die müssen von den Griechen eingehalten werden. Nun kann ich nicht ausschließen, dass die Troika zum Ergebnis kommt, dass beim besten Willen auch sie nicht einzuhalten waren, zum Beispiel die Vorgaben, was die Sparleistungen angeht, eben weil der Einbruch bei der Wirtschaftsleistung so stark ist. Dann ist aber das Mindeste, dass die zugesagten Strukturreformen, die wiederum kein Geld kosten, auch eingehalten worden sind. Wenn dann die Troika zum Ergebnis kommt, es reicht nicht aus. Und die Griechen sind auch beim besten Willen nicht in der Lage gewesen, ihre Zusagen, was beispielsweise Einsparungen angeht, auch einzuhalten, dann wird sich natürlich die Frage stellen, ob es ein weiteres Hilfsprogramm geben kann. Aber vorher hätte ich bitte doch schon gerne die Einschätzung der Troika gehört.
Engels: Dann schauen wir auf die andere Seite, die die Troika offenbar auch vorschlägt, nämlich schärfere Kontrollen noch einmal für Athen. Da ist die Rede davon laut Medienberichten, dass man auf Sperrkonten erst die neuen Kredittranchen parken will und da automatische Mechanismen gegenüber Athen durchdrücken will. Sind Sie auf dieser Linie dabei?
Müller: Ich halte das für absolut sachgerecht, ja.
Engels: Dann schauen wir auf die Ebene des Bundestages. Da waren am Wochenende ja Zweifel laut geworden, ob denn alle Änderungen, die an Griechenland-Hilfen erfolgen könnten, auch tatsächlich durch den Bundestag abgesegnet werden müssten. Bundestagspräsident Lammert hat die Regierung vorsorglich schon einmal gewarnt, das müsste auf jeden Fall durch den Bundestag. Haben Sie hier Befürchtungen, dass es Änderungen gibt, ohne dass das Parlament zustimmt?
Müller: Nein. Wir haben eine starke Parlamentsbeteiligung. Wir haben zum einen, wenn es darum geht, die nächste Tranche auszubezahlen aus dem bestehenden Hilfsprogramm, immer die Voraussetzung, dass der Haushaltsausschuss dem entsprechend zustimmen muss. Wenn es nun Veränderungen am bestehenden Hilfsprogramm gäbe, zum Beispiel mehr Zeit. Oder wenn es gar ein neues Hilfsprogramm gäbe, dann müsste der Bundestag natürlich insgesamt zustimmen.
Engels: Gilt das auch für den Fall, dass diese Variante käme, dass Athen Geld gegeben wird, um alte Staatsschuldpapiere aufzukaufen?
Müller: Nach meiner Einschätzung wäre eine solche Zusage auch ein neues Hilfsprogramm und dann muss der Bundestag vorher zustimmen.
Engels: Nun gibt es ja, wenn noch einmal der Bundestag über Veränderungen der Griechenland-Hilfe abstimmt, ein Problem, und das heißt, dass die schwarz-gelbe Mehrheit nicht sicher ist. Wie ist es da bei der CSU?
Müller: Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich, wenn es gute Argumente gibt und wenn die auch nachvollziehbar sind und wenn die Troika zu einem entsprechenden Vorschlag kommt, dass es dann auch eine eigene Mehrheit innerhalb der Bundestags- beziehungsweise der Regierungskoalition gibt. Und ich bin mir auch sicher, dass jedenfalls eine deutliche Mehrheit der CSU-Bundestagsabgeordneten dem dann auch zustimmen würde.
Engels: Wie erklären Sie das denn Ihren Wählern in Bayern?
Müller: Ich sage noch mal: Es kommt ja darauf an, dass das, was wir immer gesagt haben, nämlich dass es keine Leistung ohne eine Gegenleistung gibt, sprich die Griechen auch Zusagen machen müssen, was beispielsweise Strukturreformen angeht und Einsparungen angeht, dass das auch gemacht wird, dass dieser Wille erkennbar ist. Zur Ehrlichkeit gehört aber dann eben auch dazu, wenn man zur Einschätzung kommt, es war einfach auch nicht einzuhalten, insbesondere was Einsparungen angeht, wo die Wirtschaft sehr viel schlechter läuft, und so weiter. Das ist aber dann in der Tat einerseits von uns auch noch mal zu bewerten, das wird auch nicht einfach werden, das räume ich ein. Ich glaube aber, dass es durchaus auch zu erläutern ist, auch gegenüber den Wählern. Ich habe jedenfalls bei den Diskussionen, die ich führe, dort immer wenig Probleme, weil auch klar ist, es geht hier um den Zusammenhalt der Euro-Gemeinschaft, es geht um unsere gemeinsame Währung und es ist auch in deutschem Interesse, dass der Euro erhalten bleibt und stabil bleibt.
Engels: Und für den Fall, dass die derzeit in Umfragen leicht hervortretende Zustimmung der Deutschen zu weiteren Griechenland-Hilfen wieder kippt, dann schwenkt auch die CSU wieder um?
Müller: Ich finde, grundsätzlich sollte man sich nicht immer von Umfragen leiten lassen bei politischen Entscheidungen. Ich meine, es gehört auch zur Führungsverantwortung von Politik, dass man einerseits auch für richtig gehaltene Entscheidungen dann trifft. Und andererseits gehört es zur Aufgabe der Politik, das dann auch entsprechend den Wählern zu erläutern. Ich glaube, das geht.
Engels: Und einem dritten Griechenland-Paket wird die CSU-Landesgruppe geschlossen zustimmen?
Müller: Ich sehe noch kein drittes Griechenland-Paket. Insofern stellt sich die Diskussion gar nicht.
Engels: Stefan Müller war das, er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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