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"Für Kinder, gegen die Schufte"

Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Ende 2012 ein Adoptionsverbot russischer Kinder für US-Amerikaner. Zuvor hatten die USA Einreisebeschränkungen für russische Funktionsträger beschlossen. Am Sonntag wollen Oppositionelle gegen das Adoptionsverbot protestieren.

Von Gesine Dornblüth | 11.01.2013
    "Für Kinder, gegen die Schufte", so lautet das Motto der für Sonntag geplanten Kundgebung der Opposition in Moskau. Die Teilnehmer wollen fordern, die Duma komplett aufzulösen. Die russischen Abgeordneten hätten im vergangenen Jahr kein einziges Gesetz zum Nutzen der Bürger verabschiedet, so die Begründung. Vielmehr schadeten die Volksvertreter der Bevölkerung, wie zuletzt mit dem sogenannten Anti-Magnitzki-Gesetz.
    Die Wogen gegen das Adoptionsverbot russischer Waisenkinder für US-Bürger schlagen nach wie vor hoch. Selbst langjährige Putin-Wähler bekennen im privaten Gespräch, dass der Präsident das Adoptionsverbot unterzeichnet habe, sei schlicht und einfach eine "Schweinerei". Denn die Amerikaner würden die Kinder adoptieren, die in Russland keine Perspektive hätten.

    Die kremlkritische Zeitung "Novaja Gazeta" sammelte innerhalb von nur drei Tagen mehr als 100.000 Unterschriften gegen das Gesetz. Bereits im Dezember hatte es vor der Duma Mahnwachen gegen das Gesetzesvorhaben gegeben. Elvira, eine Demonstrantin:

    "Die Duma hat all die Jahre nichts für unsere Waisen getan. Ich wünsche unseren Abgeordneten, dass sie von Waisenrenten leben müssen. Und dann möchte ich sehen, wie sie mit dem wenigen Geld zurechtkommen."

    Und ein anderer Demonstrant, Oleg:

    "Unsere Politiker haben sich auf dem Rücken der Waisenkinder politisch für die Magnitzki-Liste gerächt. Damit stellen sie sich auf eine Stufe mit Terroristen, die Kinder als Geiseln nehmen."

    Wohl auch angesichts der Kritik im eigenen Land hat der Kreml massive Propagandamaßnahmen für das Adoptionsverbot ergriffen. Über den Jahreswechsel zeigte das russische Staatsfernsehen auffallend viele Porträts glücklicher kinderreicher russischer Familien. Politiker aller Parteien riefen die Russen dazu auf, Kinder zu adoptieren. Auch Patriarch Kirill, stets der Politik zu Diensten, stimmte in seiner vom Fernsehen übertragenen Weihnachtsbotschaft mit ein.

    "Es ist wichtig, dass unser Volk (...) Waisen aufnimmt und ihnen nicht nur eine Bleibe und Erziehung gibt, sondern auch Liebe. Am Fest von Christi Geburt möchte ich Euch alle bitten: Wer kann, möge einen wichtigen Schritt im Leben tun und Kinder adoptieren, Waisen unterstützen. Tut diesen Schritt. (...) Wer keine Eltern hat, soll sie bekommen, und zwar gütige, ehrliche und hilfsbereite Eltern."

    Das Staatsfernsehen berichtet weiterhin intensiv über Misshandlungen russischer Kinder durch US-amerikanische Adoptiveltern. Sie waren der offizielle Grund für das Adoptionsverbot gewesen.

    Ein russischer Reporter klingelt an einer Haustür in Amerika. Niemand öffnet. Hier soll das russische Adoptivkind Danijl Krutschin von seinen Adoptiveltern systematisch geschlagen worden sein. Die Eltern stehen in den USA vor Gericht.

    Russische Fernsehzuschauer erfahren nicht, dass Misshandlungen von Adoptivkindern ein weltweites Phänomen sind, und dass es sich in den USA – gemessen an den Gesamtzahlen – um Einzelfälle handelt. Sie erfahren auch nichts über die Adoptivkinder, die in russischen Familien misshandelt werden. Nach Angaben des Kinderschutzbeauftragten des Präsidenten mussten allein im Jahr 2011 8000 Waisenkinder ihren russischen Adoptiveltern weggenommen werden, weil ihnen dort Gefahr für Leib und Leben drohte. Diese Zahl veröffentlichte die Novaja Gazeta. Doch die Zeitung hat nur eine begrenzte Leserschaft.

    Die Botschaften des Fernsehens dagegen kommen an, besonders in den Weiten des Landes. Dort glauben auch gebildete Russen, Russland müsse "seine" Kinder vor den Amerikanern schützen.

    Aktivisten der Opposition spüren zunehmend, dass sie gegen diese Propaganda nicht ankommen. Auch nicht mit Demonstrationen. So schrieb die Schauspielerin Tatjana Dogileva im Internet, sie wisse noch nicht, ob sie an dem Protestzug am Sonntag teilnehmen werde. Denn derartige Aktionen wirkten weder auf die Regierung noch auf den Rest der Bevölkerung, der – so die Schauspielerin weiter - sowieso nur dem Fernsehen glaube.