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Für Studierende die passende Stiftung

Etwa 2700 Stiftungen gibt es in Deutschland, die sich der Forschung und Wissenschaft verschrieben haben. Nicht nur für Hochbegabte, sondern für viele Studierende gibt es also die Möglichkeit, sich unterstützen zu lassen.

Von Elif Senel |
    Elif Senel: Ich bin hochbegabt. Das Selbstbewusstsein, so etwas über sich zu sagen, das ist bewundernswert, liegt aber nicht jedem Studierenden. Die meisten werden sich eher für durchschnittlich begabt halten. Das hat auch eine Allensbach-Umfrage bestätigt: Deutsche Studierende bewerben sich sehr ungern auf Stipendien, besonders wenn sie aus bildungsfernen Familien kommen. Deswegen bleibt abzuwarten, wie sehr gerade diese Studierenden von einem nationalen Stipendiensystem profitieren werden, wie es sich Union und FDP vorstellen.

    Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft unterstützt ein solches System, hat aber heute bei seiner Jahrespressekonferenz betont, dass es Stipendien nicht nur für gute Noten geben darf. Noch ist aber völlig unklar, wann es dieses System geben wird, und deswegen wollen wir heute in "Campus & Karriere" auf ein paar Alternativen aufmerksam machen. Und dazu spreche ich jetzt mit Anke Pätsch vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, schönen guten Tag!

    Anke Pätsch: Schönen guten Tag!

    Senel: Der Bundesverband Deutscher Stiftungen vertritt ja die Interessen von Stiftungen in Deutschland, und von denen gibt es eine ganze Menge mehr in Deutschland, als die meisten vielleicht ahnen. Wie viele Stiftungen sind denn das?

    Pätsch: Ja, es sind inzwischen weit mehr als 17.000 Stiftungen, die es in Deutschland gibt von der klassischen Form. Es gibt aber auch noch viele andere Stiftungen, zum Beispiel kirchliche Stiftungen, unselbstständige Stiftungen. Und wenn man die alle zusammenrechnet, kommt man fast auf 100.000 Stiftungen.

    Senel: 100.000 Stiftungen, und wie viele davon wären zum Beispiel für Studierende interessant?

    Pätsch: Das ist wiederum dann eine etwas kleinere Zahl, 13 Prozent dieser Stiftungen widmen sich etwa in dem Bereich Wissenschaft und Forschung, und das sind vielleicht 2700 Stiftungen in Deutschland.

    Senel: Das ist eine ganze Menge, und was bieten diese Stiftungen denn alles an? Von wo bis wo reicht da die Palette?

    Pätsch: Ja, die Bandbreite ist wirklich sehr weit. Das können Stipendien sein für Musiker, für Künstler, für Studierende aller Fachrichtungen, aber es kann eben auch sein, dass eine Stiftung zum Beispiel Schüleruniversitäten fördert. Stiftungen vergeben aber auch Reisestipendien, Ausbildungsbeihilfen. Sie finanzieren Schülercafés oder den internationalen Austausch. Man kann auch versuchen, für eine Sprachreise oder einen Sprachkurs eine Unterstützung bei einer Stiftung zu bekommen.

    Senel: In den USA, da gibt es ja Stiftungen mit den unterschiedlichsten Zielgruppen, also Kinder von bestimmten Berufsgruppen zum Beispiel. Ist das in Deutschland auch so feinteilig?

    Pätsch: Das kann durchaus vorkommen, dass es so ganz spezielle Stiftungen gibt, die sich auf einzelne Fachgebiete kapriziert haben, also eine Stiftung, die zum Beispiel Technikerinnen unterstützt.

    Senel: Es gibt ja sogar Stipendien, die quasi regional gebunden sind, aber gibt es noch besonders spezielle Stiftungen, die Ihnen so auffallen, die Ihnen markant vorgekommen sind, die Sie schon mal gesehen haben?

    Pätsch: Ja, da gibt es eine ganze Reihe. Ich werde vielleicht nur ein Beispiel erwähnen: die Parcham'sche Stiftung zu Lübeck. Der Stifter Henning Parcham kam damals aus dem heutigen Polen und hat 1602 per Testament diese Stiftung errichtet, weil er selbst kinderlos war, aber zu Reichtum gekommen als Kaufmann und Schiffsreeder, und hat festgelegt, dass Stipendien vergeben werden sollen an die Nachkommenschaft der Eltern, seiner Eltern, und gleichzeitig aber auch an gebürtige Lübecker.

    Senel: Das gibt es also durchaus, da lohnt also tatsächlich noch mal ein genauer Blick in die Stiftungsdatenbank. Das wäre nämlich die nächste Frage: Wo finde ich denn all diese Stiftungen, wenn die schon nicht so wirklich in aller Munde sind, wie zum Beispiel die großen politischen Stiftungen?

    Pätsch: Ja, da gibt es im Internet diverse Möglichkeiten, sich zu informieren. Auf unserer Internetseite www.stiftungen.org haben Sie eine sehr ausführliche Stiftungssuche, wo man recherchieren kann. Es gibt aber auch noch speziell für Stipendien zum Beispiel eine Seite, die heißt stipendienlotse.de. Heutzutage kennen sich alle Studierenden ja sehr gut aus mit dem Internet und werden da schnell Informationen finden.

    Senel: Kann man theoretisch sagen, es ist für jeden Studierenden etwas dabei?

    Pätsch: Das sicherlich nicht, aber es ist eben nicht nur notwendig, dass man Einserkandidat ist, es gibt durchaus auch Chancen für Studierende, die vielleicht nicht ganz so gute Leistungen haben, aber zum Beispiel sich gesellschaftlich sehr engagieren, ehrenamtlich tätig sind.

    Auch für sozialschwache Studierende gibt es manchmal die Möglichkeit, da entsprechende Stipendien zu finden. Sicherlich hilfreich ist es auch, an den Universitäten direkt zu fragen. Einige haben ganz spezielle Stipendien, die nur von der Universität vergeben werden.

    Senel: Können diese kleinen Stiftungen eigentlich auch pleitegehen, also gibt es da vielleicht eine Gefahr, also dass ich jetzt sagen müsste, ich gehe lieber zur Konrad-Adenauer-Stiftung oder zur Hans-Böckler-Stiftung, weil die sind groß, von einer kleinen mache ich mir jetzt ein bisschen zu sehr Gedanken?

    Pätsch: Nein, eine Stiftung zeichnet sich ja dadurch aus, dass das Vermögen fest ist. Das heißt, nur der Ertrag von diesem Vermögen wird eingesetzt, um zum Beispiel ein Stipendium zu finanzieren. Das ist auf Dauer angelegt, und das muss auch erhalten werden, so sind die gesetzlichen Vorschriften in Deutschland, sodass eine Stiftung eigentlich nicht pleitegehen kann.

    Senel: Und kann es auch sein, dass zum Beispiel der Zweck irgendwann verfällt?

    Pätsch: Ja, heutzutage achten die Behörden und auch wir bei der Beratung darauf, dass der Stiftungszweck immer auf Dauer ausgerichtet ist, also dass er breit genug ist, damit der nicht einfach sich erübrigt.

    Senel: Haben Sie da ein Beispiel für?

    Pätsch: Ja, es gibt lustige Beispiele, mit denen man heute nichts mehr anfangen kann. Ich habe da auch vorher noch mal recherchiert und musste selber dann schauen, was ist das eigentlich: eine Stiftung, die Flügelhemden vergibt. Und heute weiß man kaum noch, was das ist oder gar nicht. Und dann wird das eben umgewandelt, und jetzt heißt es in der Satzung: warme Unterwäsche für Damen.

    Senel: Tatsächlich? Aber diese Stiftung existiert nach wie vor?

    Pätsch: Genau, die existiert in Hamburg.

    Senel: Okay, es gibt also immer noch Menschen, die warme Unterwäsche brauchen, und die können sich an diese Stiftung wenden?

    Pätsch: Ja. Also in dem Fall werden es sicherlich dann die Einrichtungen machen, die für die alten Damen da sprechen und nicht unbedingt die Damen selbst.

    Senel: Merken Sie denn zum Beispiel die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise an den Stiftungen, schlägt die sich da nieder?

    Pätsch: Ja, nicht so stark wie in den USA. Die deutschen Stiftungen sind relativ glimpflich weggekommen, weil bei uns eben zum einen - hatte ich schon erwähnt - das Vermögenserhaltgebot besteht und dass halt die Stiftungen auch nicht so risikoreich anlegen.

    Senel: Anke Pätsch war das, vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, über die vielfältigen Möglichkeiten, nicht nur als Hochbegabter ein Stipendium zu bekommen. Vielen Dank!

    Pätsch: Bitte schön!