Mehr als 1,3 Millionen Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser lagern auf dem Gelände der Kraftwerksruinen von Fukushima. Die Mengen sind so gewaltig, dass die Einleitung in den Pazifik Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Um die Grenzwerte einzuhalten, wird das Wasser aufwendig von radioaktiven Stoffen gereinigt und mit Meerwasser verdünnt. Dabei geht es vor allem um Tritium, also radioaktiven Wasserstoff, der nicht in Filtern aufgefangen werden kann. Fachleute bescheinigen Japan bei der Einleitung ins Meer ein verantwortungsbewusstes Vorgehen.
Die Verklappung im Meer ist für sich genommen zwar die am wenigsten schädliche Option. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kernschmelze in Fukushima gewaltige Mengen an Radioaktivität hinterlässt. Die Umgebung ist belastet, die zerstörten Brennstäbe strahlen noch Hunderttausende von Jahren. Auch die aus dem gereinigten Kühlwasser herausgefilterten Stoffe wie Strontium und Cäsium müssen irgendwo hin - und Japan hat wie viele Länder mit Atomkraftwerken auch noch kein Endlager.
In den Jahren nach der Katastrophe hat das Land angefangen, die zeitweise landesweit stillgelegten Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Es sollen sogar neue gebaut werden, und Japan ist mit der Renaissance der Kernenergie nicht allein: China und die USA setzen auf neue Reaktoren, auch eine Reihe von Ländern in Europa, so Frankreich, die Niederlande, Polen und Tschechien. Das Argument der Befürworter ist der Klimaschutz.
Gewaltiges Schadenspotenzial
Sollte auch Deutschland den Atomausstieg rückgängig machen, wie es die Unionsparteien, die FDP sowie die AfD gefordert haben? Auch wir sind schließlich noch immer nicht auf Kurs, unsere deutschen Klimaziele einzuhalten. Doch dafür auf Kernenergie zu setzen, wäre riskant und teuer. Der Blick nach Fukushima zwölf Jahre nach der Katastrophe erinnert an die berechtigten Sicherheitsbedenken, die die damalige Bundesregierung von CDU/CSU und FDP zum Atomausstieg bewegt haben: Wenn etwas schiefgeht, ist das Schadenspotenzial gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland gewaltig. Ein Weiterbetrieb der letzten drei Reaktoren hätte erhebliche Investitionen und umfangreiche Prüfungen erfordert, die Betreiber schreckten davor aus gutem Grund zurück. Und ein Wiedereinstieg mit neuen Kraftwerken verbietet sich nicht nur wegen der Sicherheitsrisiken und des zusätzlichen Atommülls.
Ein ideologisches Projekt konservativer Kräfte
Die Forderung nach Atomenergie in Deutschland ist ein ideologisches Projekt konservativer Kräfte, denen der Umbau der Energiewelt zu schnell geht. Die potenziellen Betreiber, also die deutschen Energiekonzerne, wollen da nicht mitmachen, sie verweisen zurecht auf bessere Alternativen. Mit Wind- und Solarkraft lässt sich Strom heute billiger, besser und auch zuverlässiger erzeugen als mit jeder anderen Technologie. Das gilt auch, wenn die zweifellos großen Investitionen in Stromleitungen, Speicher und Reserve-Kraftwerke berücksichtigt werden, die für eine zuverlässige Versorgung über das ganze Jahr notwendig sind.
Auf Atomkraft setzt zwar noch eine Handvoll Industrie- und vor allem Schwellenländer, auf erneuerbare Energiequellen dagegen nahezu die ganze Welt - einschließlich der Staaten übrigens, die zusätzlich noch Kernkraftwerke bauen. Der Neubau von Atomkraftwerken wird nicht ausreichen, um den seit Jahrzehnten anhaltenden Bedeutungsverlust der Atomenergie zu kompensieren. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich ihr Anteil an der weltweiten Stromproduktion nahezu halbiert - und in den nächsten Jahren scheiden viele überalterte Reaktoren aus dem Markt aus.
Es wird noch viele Jahrzehnte lang Kühlwasser aus Fukushima in den Pazifik fließen. Selbst wenn diese Lösung für sich genommen das kleinste Übel ist: Die radioaktive Hinterlassenschaft von Fukushima erinnert daran, dass Atomenergie eine riskante und veraltete Art der Stromerzeugung ist.