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Fukushima
Tepco darf radioaktives Wasser verklappen

Immer neue Probleme ergeben sich rund um die havarierten Atommeiler im japanischen Fukushima. Vor allem das Grundwasser bereitet Probleme. Nun darf die Betreiberfirma Tepco auch Wasser im Meer verklappen, die Fischer haben zugestimmt. Warum, erläutert Dagmar Röhrlich im DLF-Interview.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Jule Reimer |
    Die Ruine des Atomkraftswerks Fukushima fotografiert aus einem Helikopter.
    Die Ruine des Atomkraftswerks Fukushima. (picture alliance / dpa )
    Jule Reimer: Problem Nummer 1 ist und bleibt das Wasser: Wie ist derzeit der Stand?
    Dagmar Röhrlich: Überall auf dem Gelände stehen hohe, graue Tanks. In ihnen lagern mehr als 590.000 Kubikmeter an radioaktiv belastetem Wasser. Es ist Wasser, das - nachdem es die Kernschmelzen gekühlt hat - über Leckagen in die Untergeschosse der Gebäude geflossen ist, wo es sich mit Grundwasser vermischte, das zusätzlich noch ständig eindringt. Diese Wassermassen sind hochgradig kontaminiert und müssen in Tanks geleitet und anschließend gereinigt werden.
    Der Kraftwerksbetreiber Tepco hat inzwischen bekannt gegeben, dass die in den Tanks gespeicherten Wassermassen dekontaminiert worden seien und die Belastung nun unterhalb der geltenden Grenzwerte lägen. Ein Stoff lässt sich allerdings nicht herausholen: der radioaktive Wasserstoff. Deshalb kann das gereinigte Wasser nicht ins Meer geleitet werden, wie Tepco es gerne möchte.
    Weil aber der Platz für neue Lagerbehälter ausgeht, sollen zunächst einmal die täglich neu anfallenden Wassermassen reduziert werden. Und zwar indem der Grundwasserzustrom verringert wird.
    Reimer: Die Rede ist dabei von einem Gefrierwall, was soll das?
    Röhrlich: Der soll verhindern, das Grundwasser überhaupt erst eindringt. Für den Gefrierwall wird Kühlflüssigkeit in den Untergrund um die vier havarierten Blöcke geleitet. Dazu müssen Bohrlöcher rund um die Anlagen herum abgeteuft werden. Und zwar im Abstand von etwa einem Meter. An drei Seiten ist das bereits geschehen. Und man hat auch schon mit dem Einfrieren begonnen. Jetzt sind die Bohrungen zwischen Reaktoren und Meer dran, denn dort hatten zunächst Kanalsysteme abgedichtet werden müssen, in denen ebenfalls radioaktives Wasser floss. Auch diese Kanäle sollten vereist werden, aber das scheiterte daran, dass der Fluss zu hoch war. Deshalb wurden sie nun mit einem Spezialzement versiegelt und das Wasser abgepumpt.
    Weil beim Einfrieren der Erde der hohe Grundwasserstrom aus den nahen Bergen Probleme bereitet, muss Tepco auch diesen Zufluss verringern. Was bislang schon gemacht wird – nämlich sauberes Grundwasser in den Bergen abzufangen, bevor es auf das Gelände fließt - reicht nicht aus.
    Reimer: Um dieser Flut von kontaminiertem Wasser etwas entgegenzusetzen, hat Tepco jetzt auch die Erlaubnis bekommen, Wasser im Meer zu verklappen. Ist das das noch radioaktiv oder gereinigt?
    Röhrlich: Nach langen Verhandlungen wurde jetzt ein Übereinkommen mit einer Fischereikooperative für den Norden Japans erzielt: Danach sind die Fischer damit einverstanden, dass gereinigtes Grundwasser verklappt werden kann.
    Es geht um folgenden Plan: An etwa 40 Bohrungen rund um die vier havarierten Blöcke soll genügend Grundwasser abgepumpt werden, um den Zustrom zu halbieren. Dieses abgepumpte Grundwasser soll dann im Meer verklappt werden. Weil die Brunnen nahe an den Reaktorgebäuden liegen, kann dieses Grundwasser durchaus kontaminiert sein. Deshalb muss Tepco es reinigen und soll es nur verklappen, wenn es die mit den Fischern vereinbarten Grenzwerte unterschreitet, die strenger sein sollen als die offiziellen japanischen.
    Reimer: Was sagen die Fischer in der Region zu der Verklappung? Warum lassen die sich auf so einen Deal ein?
    Röhrlich: Die Fischer haben ihre Zustimmung gegeben, weil derzeit kontaminiertes Grundwasser unkontrolliert abfließt und sie deshalb nicht arbeiten können. Sie hegen die Hoffnung, dass die Belastung in der Summe sinken wird.
    Reimer: Muss man sich mit dem radioaktivem Wasserstoff in den Tanks abfinden?
    Röhrlich: Der radioaktive Wasserstoff (das Tritium) kann auf normalem Wege nicht abgetrennt werden. Tepco hofft auf Verfahren, die dieses Tritium in industriellem Maßstab herausholen. Drei Firmen konkurrieren miteinander um den Auftrag. Es gibt Verfahren, die im Labormaßstab laufen. Dabei wird das belastete Wasser in seine Bestandteile zerlegt. Das Gasgemisch aus normalem und radioaktivem Wasserstoff strömt von unten in eine Säule mit Platin-Katalysatoren, über die von oben Wasser rinnt. An den Katalysatoren tauschen die Wasserstoffatome im Wasser ihren Platz mit den Atomen des radioaktiven Wasserstoffs im Gas. Sauberer Wasserstoff steigt auf, das Tritium bleibt im Wasser, das im Kreislauf geführt wird. Bis März 2016 muss klar sein, ob das Verfahren hält, was es verspricht.
    Reimer: Passiert auch etwas an den Reaktoren?
    Röhrlich: Zunächst sollen die Brennelemente aus dem Lagerbecken herausgeholt werden. In Block 3 sind dazu die Trümmer des Dachs weggeräumt worden, das Becken liegt offen. Allerdings stellen die Trümmer der schweren Brennelementwechselmaschine in diesem "Pool" alle Beteiligten vor große Probleme. Der Plan ist, wie bei Block 4 eine Abdeckung zu bauen samt Krananlage, um die Brennelemente herauszuholen.
    Bei Block 1 behindert derzeit die Hülle, die nach der Havarie eilig errichtet worden war, die Aufräumarbeiten. Diese Einhausung ist Ende vorigen Jahres geöffnet worden, um Chemikalien einzusprühen, die den radioaktiven Staub binden sollen. Denn die Einhausung muss teilweise wieder demontiert werden, damit auch dort die Brennelemente im Lagerbecken herausgeholt werden können. Auch Block 1 solle eine neue Hülle samt Krananlage bekommen - bis 2018.