Vier junge Männer in der Dortmunder Innenstadt. Sie sind lässig gekleidet: breite Stoffhosen, locker sitzende Sweatshirts, darüber Kapuzenjacken. In ihren Händen halten die vollbärtigen Männer, die etwa 20 Jahre alt sind, rote Rosen, Koranbücher und Mohammed-Biographien, die sie an Passanten verteilen. Zwar werfen die meisten Fußgänger einen skeptischen Blick auf die Gruppe und machen einen großen Bogen um sie. Aber einige bleiben auch interessiert stehen und nehmen die Info-Materialien an und laufen schnell wieder weiter. Eigentlich eine nette Idee, meint Passant Jürgen Müller, der das Geschehen beobachtet, aber, sagt er:
"Dieses Buch kann instrumentalisiert werden. Es kann Ihnen gegeben werden. Jetzt sagen Sie, 'Ach, wie schön!'. Jetzt treffe ich daneben eine Verbindung von Mensch zu Mensch. Und die benutzt jetzt der, der mir den Koran geschenkt hat, um mich politisch zu infiltrieren, um mich politisch in eine bestimmte Richtung zu lenken, die gegen den Frieden ist, gegen die Grundrechte, gegen die Grundfreiheiten ist. Da ist auch die Frage, wie gut die Übersetzung ist, wie textnah die ist. Da kann man nicht sagen, eine deutsche Übersetzung vom Koran entspricht hundertprozentig der Originalfassung. Das kann sein zu 70 Prozent, zu 80 Prozent ist das Gemauschel."
Organisation "We love Mohammed"
Hinter dieser neuen Kampagne steckt die Organisation "We love Mohammed". Laut dem Verfassungsschutz ist sie ähnlich wie der verbotene Verein "Die wahre Religion" eine fundamentalistisch-islamistische Bewegung. Unfrommen Muslimen, Andersgläubigen oder Atheisten prophezeien die Anhänger die Hölle. Daher sind sie den Behörden ein Dorn im Auge - aber da das Verteilen von Flyern oder Glaubensbüchern grundsätzlich Teil der Meinungsfreiheit sei, würden sie zwar toleriert, aber streng beobachtet. Solange die Verteil-Aktion bei der entsprechenden Stadt angemeldet sei, gelte dies als PR und sei somit legal. Die Organisation spricht dabei von einer so genannten Dawa – einer Einladung zum Islam. So sieht es auch Yasin El Haija. Der junge Moslem kann die Aufregung und die Debatten um die Aktion nicht verstehen:
"Hier laufen auch Menschen 'rum, die verteilen auch Flyer. Zum Beispiel hier an der Straße sitzt einer mit einer Bibel und verteilt Flyer, von wegen: Kommt, das ist unser Glauben, das ist unser Glauben, das ist der beste Glauben! Aber im Endeffekt sehe ich das nicht so krass. Ich meine, jede Religion versucht für sich Werbung zu machen und neue Menschen zu erreichen, damit die daran glauben können. Es ist demokratisch, von daher darf ja jeder machen, was er will. Ich finde es auf jeden Fall okay.
Doch Kritiker wie die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor sehen dieses Projekt als aggressive Missionierung:
"Dass sie nämlich den Koran verteilen, darauf setzen, dass den sowieso niemand versteht, und sie sich dann an sie wenden, um dann ihre Vorstellung vom wahren Islam verbreiten zu können. Es ist ein Erstkontakt. Und vor allem hat man sich für eine Koranübersetzung entschieden, die man traditionell, konservativ, arabisch bezeichnen könnte. Also es ist schon ganz klar, in welche Richtung diese Koranübersetzung einzugliedern ist. Man hätte ja auch andere Koranübersetzungen nehmen können, die vielleicht freier und liberaler übersetzt sind.
So sieht es auch Kerim Kiziltan. Er macht lieber einen großen Bogen um die jungen Männer. Als liberaler Moslem kann er sich mit der Lebensweise der Fundamentalisten überhaupt nicht identifizieren:
"Also meiner Meinung nach muss das mit Vorsicht genossen werden. Ich nehme auch keine Informationen von diesen Gruppen. Es wäre für mich keine Quelle, die sicher ist, womit ich meine Religion leben würde, weil es gibt bei der Interpretation, nicht beim Buch selber, sehr vieles, was falsch ist, was falsch interpretiert wird von irgendwelchen Leuten – bewusst oder unbewusst.
"Ich finde schon, man sollte Bücher von anderen Religionen lesen"
Diese Bedenken hat Anna Wiese nicht. Sie gehört zu den Fußgängern, die mehr wissen möchten. Nach einem kurzen Gespräch mit einem der Verteiler hat sie sich einen Koran und einige Infoflyer in die Tasche gesteckt:
"Man soll wissen, worum es geht. Ich glaube lesen muss man schon von der Opposition oder von den Leuten, die anders sind, um zu sagen, was repräsentieren sie. Ich finde schon, man sollte Bücher lesen, von anderen Religionen und sich seine Meinung bilden."
Doch die Salafisten sind nicht jedem gegenüber offen für einen Dialog, wie etwa Journalisten. Zu oft sei negativ über sie berichtet worden, sagt einer aus der Gruppe. Ob sich dahinter eine Nachfolge-Organisation der verbotenen Vereinigung "Die wahre Religion" verbirgt, werde derzeit vom Verfassungsschutz überprüft – dies letztendlich nachzuweisen, könnte sich aber als schwierig gestalten.