Pilze, das sind nicht nur essbare Morcheln oder Champignons. Pilze wie Mehltau oder Candida albicans wachsen auch als Schädlinge auf Pflanzen beziehungsweise auf menschlichem Gewebe. Dort werden sie im großen Stil mit Fungiziden bekämpft. Die Pilze aber entwickeln mit der Zeit Resistenzen gegen die gängigen Wirkstoffe. Daraus sei mittlerweile ein ähnliches Problem erwachsen wie das der Antibiotikaresistenzen bei bakteriellen Krankheitserregern, sagt die Biologin Sarah Gurr von der University of Exeter. Nur werde das in der Öffentlichkeit bisher weitaus weniger wahrgenommen:
"Die Öffentlichkeit ist sich des Problems der Antibiotikaresistenzen durchaus bewusst. Aber bei Pilzen denken die Menschen eher nur an essbare Pilze auf ihrem Teller. Das hängt auch damit zusammen, dass die Krankheitsanfälligkeit von Menschen, Tieren und Pflanzen eine andere ist.
"Die Öffentlichkeit ist sich des Problems der Antibiotikaresistenzen durchaus bewusst. Aber bei Pilzen denken die Menschen eher nur an essbare Pilze auf ihrem Teller. Das hängt auch damit zusammen, dass die Krankheitsanfälligkeit von Menschen, Tieren und Pflanzen eine andere ist.
Wir Menschen sind, anders als Pflanzen, stärker von bakteriellen und viralen Erkrankungen betroffen. Pilzinfektionen bekommen wir nicht so viele."
Risiken nicht unterschätzen
Sarah Gurr warnt in einem aktuellen Beitrag im Fachmagazin "Science" allerdings davor, die Risiken der wachsenden Fungizid-Resistenz zu unterschätzen. Ihr selbst sei es wie Schuppen von den Augen gefallen, als sie kürzlich Daten der globalen Verbreitung einer Azol-Resistenz bei Pilzen analysierte, erzählt sie. Azole bilden die wichtigste Wirkstoffklasse von Fungiziden – und das sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Humanmedizin.
"Wenn man sich die Ausbreitung der Resistenzen auf einer Weltkarte als Film anschaut, dann sieht man 40 Jahre an Daten in fünf Sekunden. Da erkennt man sofort das ungeheure Fortschreiten der Resistenz von Pilzen gegen die Azole sowohl in Pflanzen als auch beim Menschen. Man sieht, dass überall Azol-resistente Pilze auftauchen."
Vom harmlosen Pilz zur Gefahr
Ein Problem dabei ist, dass selbst Pilze, die eigentlich harmlos sind, mit einem Mal gefährlich werden können. Als herausragendes Negativbeispiel nennt Sarah Gurr Aspergillus fumigatus. Das ist ein Schimmelpilz, der normalerweise im Boden vorkommt und dort pflanzliches Material zersetzt. Seine Sporen werden mit dem Wind verbreitet und sind überall auf der Welt zu finden. Wir atmen sie auch ständig ein. Das ist normalerweise nicht gefährlich. Nur Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können Probleme bekommen und schwerste Lungenentzündungen entwickeln. Bisher wurden dagegen auch Azol-basierte Medikamente eingesetzt. Doch die wirken immer häufiger nicht mehr.
"Wenn man die Vorkommen von Aspergillus fumigatus im Umfeld von Krankenhäusern untersucht, findet man schon häufig Pilze, die gegen Azole resistent sind. Wenn sie dann Patienten mit einer Aspergillose behandeln, diesen schrecklichen Lungeninfekten, dann müssen die Ärzte schon alle verbliebenen Wirkstoffe jenseits der Azole einsetzen, in der Hoffnung, die Pilzinfektion heilen zu können."
Die Zeit drängt
Wenn die Resistenzen nicht rechtzeitig erkannt werden, schwinden die Heilungschancen dramatisch. Die Todesrate bei einer ausgeprägten Aspergillose liegt bei über 50 Prozent. Und weltweit schnellen die Pilzinfektionen mit Todesfolge in die Höhe.
"Pilzinfektionen bei Menschen sind heute für mehr Tote verantwortlich als Malaria oder Brustkrebs. Die Zahlen sind vergleichbar mit denen von Tuberkulose oder HIV. Aber das ist ein kaum wahrgenommenes Problem."
"Pilzinfektionen bei Menschen sind heute für mehr Tote verantwortlich als Malaria oder Brustkrebs. Die Zahlen sind vergleichbar mit denen von Tuberkulose oder HIV. Aber das ist ein kaum wahrgenommenes Problem."
Für Sarah Gurr ist es an der Zeit zu handeln. Die Welt brauche neue Fungizide. Im Bereich der Humanmedizin tue sich auch etwas. Elf neue Wirkstoffe befinden sich aktuell in klinischen Studien der Phasen eins und zwei. In der Landwirtschaft hingegen seien derzeit nur zwei neue Fungizide in der Entwicklung. Und die seien auch nur Varianten bekannter Wirkstoffe, so Sarah Gurr. Hier seien neue Ansätze gefragt, um die Entwicklung von Fungizid-Resistenzen länger hinauszuzögern, einschließlich gentechnischer Verfahren in der Pflanzenzucht.