Seit fast 25 Jahren trainiert Wilfried Kujath Rennpferde an der Galopprennbahn in Frankfurt-Niederrad. Wenn Frankfurts Stadtverordnete am kommenden Donnerstag für die Übertragung des Geländes an den Deutschen Fußball-Bund stimmen, bleibt dem 61-Jährigen noch eine letzte Saison, dann heißt es Abschied nehmen.
"Selbst wenn die Rennbahn bleibt, ist es für mich vorbei. Und da kein Ausgleich geschaffen wird, gibt's auch keine Alternative. Die Stadt hätte schon mal sagen können: Hier, bitte, Herr Kujath, da haben Sie ein anderes Quartier. Oder: Wie wollen wir das regeln?"
Die Stadt sagte gar nichts. Das Telefon blieb stumm, kein einziger Kommunalpolitiker ließ sich im blau gestrichenen Stallgebäude des gebürtigen Rheinländers blicken. Geht es um das große DFB-Projekt, nimmt man im Römer auf Einzelschicksale keine Rücksicht - so gravierend die Folgen auch sein mögen.
"Wenn man umzieht, aus welchen Gründen auch immer, ist das eine Sache. Wenn man aber umziehen muss, ist es ja fast wie ´ne Vertreibung. Wir wohnen seit ewigen Zeiten hier. In dem Alter denkt man vielleicht, och, man könnte aufhören - geht aber nicht, weil das doch nicht so gewinnbringend ist. Und wenn man dann umziehen muss, geht ein Teil von der Altersversorgung weg. Man ist ja nicht mehr so 20, dass man sagt: Ich fang noch mal an und investier' da."
Wunschprojekt der Stadtregierung
Wie entschlossen die schwarz-grüne Stadtregierung ihr Wunschprojekt vorantreibt, war jüngst im Bauausschuss zu verfolgen. Dort ging es hoch her. Etliche Bürger konfrontierten die Politiker mit ihren Bedenken. Antworten auf die drängenden Fragen gab es kaum. Die Ausschussmitglieder der Opposition kennen noch nicht mal die 19 alternativen Standorte für die DFB-Akademie, die der Magistrat geprüft haben will. Nennen konnte oder wollte Bürgermeister und Planungsdezernent Olaf Cunitz von den Grünen auch auf mehrfaches Nachhaken keinen einzigen. Und dass voraussichtlich ein Abweichungsverfahren durchgeführt werden muss, weil der größte Teil des geplanten DFB-Areals im Flächennutzungsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, wurde im Ausschuss gar nicht erst thematisiert. Pferdetrainer Kujath hat eine einfache Erklärung für solche Besonderheiten:
"Dass der DFB hier angesiedelt werden soll - ich hab' Verständnis dafür, ist ein schönes Gelände - ist aber reines Prestigedenken von den Politikern. Die lassen sich ´ne Statue dann da hinstellen und sagen: Ich hab's geholt!"
Fakt ist: Das schwarz-grüne Römer-Bündnis geht für das DFB-Projekt beträchtliche Risiken ein. Nachdem der Deutschlandfunk über die Einschätzung des städtischen Revisionsamts berichtet hatte, das Areal werde dem DFB unter Wert angeboten, wurde flugs erläutert, die Prüfbehörde beziehe sich nur auf einen Nachlass auf den Quadratmeterpreis von 50 Euro. Der werde gewährt, weil der Verband auf eigene Kosten Gebäude abreißen lasse. Was ungesagt blieb: Der Bodenrichtwert für einen kleineren Teil des künftigen DFB-Geländes beträgt nicht 50 sondern 500 Euro. Die Frankfurter Stadtkämmerei weist darauf in einem Schreiben vom 22. August ausdrücklich hin. Nutzt der DFB seine Option auf weitere fünf Hektar, was als sicher gilt, würde die mit 500 Euro pro Quadratmeter ausgewiesene Fläche auf geschätzte drei Hektar anwachsen. Das entspräche einem Wert von 15 Millionen Euro – mehr als das Doppelte des dem DFB angebotenen Erbbauzinses für die 15 Hektar der ersten Ausbaustufe. Laut Magistratsvorlage sieht der Vertrag aber vor, dem DFB die Zusatzfläche - abgesehen von kleineren Anpassungen - zu den fürs übrige Areal vereinbarten 46 Euro pro Quadratmeter zu überlassen.
"Mit erheblichen Risiken verbunden"
Die Parlamentsmehrheit wird auch das nicht beanstanden. Dass die Stadt ein schlechtes Geschäft macht, ist dem schwarz-grünen Bündnis längst klar. Das städtische Revisionsamt warnt in einem weiteren Schreiben, die Aufstockung der Geschäftsanteile der Stadt am Rennbahn-Pächter Hippodrom von 50 auf 100 Prozent sei "mit erheblichen Risiken verbunden". Der DFB hat sich für den Fall, dass der Bau seiner Akademie nicht fristgerecht beginnen kann, abgesichert. Dann müsste die Stadt dem Verband laut Vertragsentwurf bis zu 900 000 Euro überweisen. Wilfried Kujath kann sich vorstellen, dass es so kommt:
Es ist ja schon versprochen worden oder vertraglich vereinbart, dass Ende ´15 das Gelände übergeben werden muss, sonst ist eine Vertragsstrafe fällig. Die muss der Bürger wahrscheinlich zahlen, weil: Es braucht nur einer klagen, dann ist es nicht zu halten - vom Termin her.
Das Frankfurter Regierungsbündnis wird sich von solchen Feinheiten nicht aufhalten lassen. Als Vertreter eines Sports, der an den Rand gedrängt wird, malt Wilfried Kujath schon mal ein düsteres Bild von der Zukunft:
"Es gibt eigentlich gar keine Großstadt, die keine Rennbahn hat. Wenn man das wegfallen lässt, dann kann man sagen zu den Kindern: Wenn ihr mal Rennpferde sehen wollt, dann fliegt ihr halt nach Dubai."