"Wir erleben in beiden Ligen interessante, teilweise sehr gute Spiele mit teilweise herausragenden Einzelakteuren und beeindruckenden Mannschaftsleistungen. Das wird von den Zuschauern in den Stadien und den Bildschirmen gleichermaßen honoriert. Die Stadien sind weiterhin gut gefühlt, die Quoten unserer Partner sind weiterhin auf einem hohen Niveau", sagt Christian Seifert voller Zuversicht.
Die Meisterschaft ist spannend, die Millionen sprudeln, das Geschäft läuft. In seinem Ausblick hat der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga allerdings auch ein paar Probleme angemahnt. Die zunehmende Präsenz internationaler Ligen auf dem heimischen Fernsehmarkt zum Beispiel. Durch die Streamingtechnologie ist der Zugang zu anderen Wettbewerben und zu fiktionalen Unterhaltungsangeboten leicht wie nie.
Konkurrenz durch andere Freizeitangebote
"Worauf wir uns wie zahlreiche deutsche Unternehmen einstellen müssen ist, dass Menschen in ihrer Freizeit immer stärker abwägen, wofür sie ihr Geld und ihre Zeit investieren. Natürlich spielt dabei gerade im Bereich der Medien die zunehmende Konkurrenz für das lineare Fernsehen eine Rolle", stellt Seifert fest.
Tatsächlich deutet sich nach Jahren des Aufschwungs ein leichter Rückgang der allgemeinen Bundesligaeuphorie an. Der Zuschauerschnitt sinkt seit drei Jahren kontinuierlich, und die Anzahl der ausverkauften Spiele nimmt rapide ab. Von 146 Partien in der Saison 2016/2017 auf 123 Spiele im Jahr darauf. Und in der Vorrunde der laufenden Saison waren nur noch 52 der 153 Vorrundenbegegnungen ausverkauft. Die Auslastung der Stadien zum Vergleichzeitpunkt des Vorjahres betrug 91,4 Prozent, nun sind es noch 88,5 Prozent. Obwohl das Niveau des Wettbewerbs nicht nur in den Augen Seiferts erheblich besser ist. Und selbst diese Zahlen täuschen, denn in Wahrheit kommen viel weniger Leute in die Arenen. Der Sportökonom Dominik Schreyer von der Beisheim School of Management in Düsseldorf hat im Rahmen einer großen Studie herausgefunden, dass rund zehn Prozent der Besitzer eines gültigen Tickets, gar nicht zu den Spielen kommen.
"In den vergangenen Jahren lag die No-Show-Raten in der Bundesliga im Durchschnitt immer bei etwa 10 Prozent. Es wurden knapp 44.000 Tickets abgesetzt, dann kann man also sagen, dass im Schnitt etwas weniger als 40.000 Leute in den Stadien waren", erklärt der Düsseldorfer Professor.
Liegen die Funktionäre aus den Vereinen also falsch, wenn sie ihre Reden immer wieder mit den bemerkenswerten Zuschauerzahlen schmücken? Sind im Dortmunder Westfalenstadion in Wahrheit immer nur 73.000 Leute, wenn wieder mal die Zahl 81.360 mit dem Attribut "ausverkauft" versehen wird? Nein, sagt Schreyer, das Problem sei komplexer.
"In unseren Forschungsergebnissen sehen wir, dass die No-Show-Rate zu Beginn und zum Ende der Saison vergleichsweise gering ist, dass das Wetter und die Temperatur eine Rolle spielen und insbesondere auch die Attraktivität des Gegners."
No-Show-Rate durch Dauerkartenbesitzer
Offensichtlich gibt es Zuschauer, die vor dem Hintergrund knapper Ticketkontingente Dauerkarten erwerben, um kein wichtiges Spiel zu verpassen. In sportlich weniger interessanten Phasen einer Saison bleiben sie dann aber auch mal zu Hause. Für die Klubs ist das ein Ärgernis, weil oft günstige Tickets ungenutzt bleiben, obwohl gerade die am begehrtesten sind. Der FC Bayern München, der VfL Wolfsburg und Borussia Dortmund sanktionieren mittlerweile Dauerkartenbesitzer, die zu häufig nicht kommen. Sie entziehen ihnen das Vorkaufsrecht für die folgende Saison.
Die Wirkung solcher Maßnahmen ist aber beschränkt, insgesamt könne man "festhalten, dass die Anzahl der No-Shows in den letzten Saisons ganz leicht gestiegen ist, aber das sind keine dramatischen Trends", sagt der Wissenschaftler Dominik Schreyer.
Dennoch treffen die Erkenntnisse die Liga an einem sensiblen Punkt: Das Publikum wird anspruchsvoller, will Unterhaltung, Spektakel und Komfort. 16 der 18 Bundesligisten reagierten auf eine Deutschlandfunk-Anfrage zu den No-Shows entweder gar nicht, oder teilten mit, dass es sich um vertrauliche Daten handle. Lediglich 1899 Hoffenheim räumte ein, dass je nach Spiel fünf bis 15 Prozent der Karteninhaber auf den Stadionbesuch verzichten. Bei Hertha BSC sind es fünf bis zehn Prozent. Alle anderen halten sich bedeckt, als hätten sie Angst vor einer schmerzlichen Einsicht: Im Kampf um die Gunst des Publikums muss sich Bundesliga-Fußball sich gegen immer neue Freizeitangebote behaupten. DFL Geschäftsführer Seifert hat das erkannt. Der neuen Konkurrenz könne
"eine Sportliga dauerhaft am besten begegnen durch hochklassigen Sport, durch eine erstklassige mediale Aufbereitung und immer wieder aufs neue durch positive individuelle Erlebnisse für jeden einzelnen Zuschauer im Stadion oder am Bildschirm", sagt der erfolgreiche Fußballvermarkter.
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um zu ermessen, wie froh die Funktionäre sind, dass es endlich mal wieder einen spannenden Meisterschaftswettbewerb zu geben scheint. Aber nach Jahren des stetigen Wachstums könnte ein Punkt erreicht sein, an dem der Zenit der Popularität des Fußballs überschritten ist.