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Fußball-Bundesliga
Entscheidende Phase im Kampf um 50plus1

Die Deutsche Fußball-Liga DFL soll sich beim Bundeskartellamt erklären, wie sie die 50plus1-Regel wettbewerbskonform gestalten will. Es geht darum, wie viel Macht Investoren bekommen. In einem internen Schreiben an die Clubs erklärt die DFL ihr weiteres Vorgehen, während diese weiter kräftig um die Regel ringen.

Von Thorsten Poppe |
Wolfsburg's French defender Maxence Lacroix (L) and Leverkusen's German forward Florian Wirtz vie for the ball during the German first division Bundesliga football match VfL Wolfsburg v Bayer Leverkusen in Wolfsburg, northern Germany, on September 20, 2020. (Photo by Ronny Hartmann / AFP) / DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO
Wolfsburg und Leverkusen - zwei der Ausnahmen bei der 50plus1-Regel (AFP)
"Die 50plus1-Regel ohne Ausnahmeregelung zu gestalten, wird, denke ich, schwer. Denn es wurden Eigentumsverhältnisse geschaffen, die nicht einfach rückgängig gemacht werden können",
so sieht es der Leipziger Sportökonom Sebastian Bauers. Genau diese Ausnahmeregelungen für die Clubs Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg, und die TSG Hoffenheim sind aber der große Zankapfel unter den deutschen Profivereinen. Denn: Das Bundeskartellamt hält diese für nicht wettbewerbskonform.
Wie die Deutsche Fußball-Liga jetzt damit umgehen will, legt sie in einem Schreiben aus dem Juli an ihre 36 Mitgliedsvereine dar, das dem Deutschlandfunk vorliegt.

"Enthaltene Unschärfen in der Beurteilung des Bundeskartellamts"

Darin heißt es, dass die DFL fristgerecht mit einer Stellungnahme auf die vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamts reagieren wolle. Anschließend sollen in Gesprächen mit der Behörde Lösungsansätze entwickelt werden, die für alle 36 Clubs akzeptabel seien. Wörtlich heißt es weiter:
"In der Konsequenz bedeutet dies, dass gegenüber dem Bundeskartellamt zunächst nochmals die geltende Satzung und Handhabung dargestellt wird, auch um die aus unserer Sicht enthaltenen Unschärfen in der Beurteilung des Bundeskartellamts in seiner vorläufigen Einschätzung darzulegen."
Fans haben sich schon mehrfach für den Erhalt der Regel ausgesprochen.
Bundesliga - Weiter Hängepartie um 50plus1-Regel
Auch auf der jüngsten DFL-Mitgliederversammlung ist noch keine Bewegung bei der Diskussion um die 50plus1-Regel gekommen – umso heftiger wurde sie im Vorfeld der Versammlung geführt. Während sich die Fans klar positionieren, traut sich kaum ein Verein öffentlich aus der Deckung.
Auf die Nachfrage des Deutschlandfunks, welche Unschärfen denn damit gemeint seien, äußert sich die DFL nicht. Allerdings weist das Bundeskartellamt diesen Vorwurf auf Anfrage unserer Redaktion zurück. Die Behörde habe ihre vorläufige Einschätzung gegenüber der DFL dargelegt und begründet. Schon im Mai hat das Kartellamt auf 13 Seiten an die DFL ausgeführt, warum es die Ausnahmeregelung als nicht wettbewerbskonform sieht:
"Und wenn man es einmal ganz zu Ende denkt, auch immer eine Entscheidung, die möglicherweise, ich gehe hier nicht davon aus, und will es auch nicht hoffen, aber die möglicherweise von den Gerichten überprüft wird. Also theoretisch kann das ja alles bis zum Oberlandesgericht und von da bis zum Bundesgerichtshof gehen",
so Kartellamtspräsident Andreas Mundt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Und er hat dabei ausgeführt, welche Anforderungen an seine Behörde in einem solchen Verfahren gestellt werden:
"Und dann muss das Ganze gerichtsfest sein, und wenn sie da ihre Sache vertreten wollen, dann müssen sie aber auch Fakten präsentieren. Und dann müssen sie auch präsentieren, dass sie die Fakten gewürdigt haben. Und zwar umfänglich!"

Streit um die künftige Gestaltung der Regel

Bis Ende September soll sich die DFL beim Bundeskartellamt dazu zurückgemeldet haben. Die Entscheidung über die 50plus1-Regel geht nun in eine entscheidende Phase. Die Regel besagt, dass die Mehrheit der Anteile eines Vereins immer in den Händen der Mitglieder liegen soll. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt. Und bei Clubs, die die Ausnahmeregelung nutzen, könne laut Bundeskartellamt der Einfluss des Mutterkonzerns auf "0" begrenzt werden.
Deshalb wird in der Bundesliga darum gestritten, wie man die Regel zukünftig gestalten soll. Auf der einen Seite stehen Befürworter wie Axel Hellmann. Der Vorstandssprecher der Frankfurter Eintracht hat sich dazu kürzlich auf einer Veranstaltung geäußert:
"Ich glaube auch, dass wir wegkommen müssen von der Ausnahmeregelung. Ich glaube, dass diese Clubs eine Vereinsstruktur schaffen müssen. Es gibt die Möglichkeit, dass man tatsächlich als wesentlicher Eigentümer auch eine entscheidende Mitsprache hat. Da will ich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber vor allen Dingen brauchen wir eine Übergangszeit, die den Clubs die Möglichkeit gibt, das hinzubekommen."

Befürworter und Gegner stehen sich weiter unversöhnlich gegenüber

Auf der anderen Seite Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim. Sie haben sich zusammengetan und sprechen in einem Brief an das DFL-Präsidium für sich von einer existentiellen Bedrohung – falls die Ausnahmeregelungen abgeschafft werden sollten. Am Ende ziele dieses Schreiben sogar mit einer unverhohlenen Drohung auf die Abschaffung der Regel ab, kommentierte öffentlich der Mutterverein von Hannover 96.
Leipzigs Fußball-Profi Willi Orban (rechts) kontrolliert den Ball vor den Mainzern Jae-Sung Lee und Paul Nebel.
Fußball-Bundesliga - Diskussion um die Impfquote
Anfang der Bundesligasaison ist es zu mehreren Coronafällen bei Profi-Clubs gekommen. Das hat die Diskussion um die Impfquote der Bundesliga befeuert. Denn in der Altersspanne der Profis ist die Infektionsrate gerade bei Ungeimpften hoch. Andere Profi-Ligen reagieren deshalb mit strengen Maßnahmen.
Das verdeutlicht, dass sich Befürworter und Gegner der 50plus1-Regel weiter unversöhnlich gegenüberstehen. Dabei wäre eine offene Diskussion darüber essentiell, weil auch eine komplette Abschaffung der Regel brisant wäre:
"Die Aufhebung der 50plus1-Regel ist nach unseren Erkenntnissen keine sinnvolle Option. Insbesondere wenn man die Meinungen der Fans mitberücksichtigen möchte",
sagt Sebastian Bauers von der Universität Leipzig, der zu der Regel seit Jahren forscht. Er hat in mehreren Fanbefragungen herausgefunden, dass die Akzeptanz dafür bei den Anhängern seit Jahren um die 90 Prozent liegt. Bauers schlägt Augenhöhe zwischen allen Interessengruppen vor, um zu einer tragfähigen Lösung zu kommen:
"Aus meiner Sicht kann hier eine solche Lösung nur gemeinsam mit den Clubs, den Fans, und Investoren gefunden werden. In diesem Zusammenhang müssten verschiedene Ansätze intensiv diskutiert werden, um eine angemessene Balance zwischen den Interessen der genannten Akteuren zu finden. So könnte man die Regel beispielsweise durch die Einführung der Break-Even-Vorschrift des Financial Fairplay ergänzen."
Break-even bedeutet im Kern, dass die Klubs grundsätzlich nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen. Auf europäischer Ebene der UEFA gibt es bereits eine ähnliche Regelung, die dort allerdings bisher nicht konsequent angewendet worden ist.