Das Verhalten der Fans werde sicherlich eine entscheidende Rolle spielen, ob die Saison zu Ende gespielt werden kann oder nicht. So hat es die Sportministerkonferenz der Deutschen Fußball-Liga DFL in den Block diktiert, kurz bevor die Liga ihr Schutz- und Hygiene-Konzept für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs präsentiert hat. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert musste dann bei der Vorstellung des Konzepts den Ball direkt aufnehmen und hat auf die drohenden Konsequenzen hingewiesen:
"Wenn wir wieder spielen, dann ist ganz klar ein Argument, dass es nicht zu Zuschaueransammlungen am Stadion kommen darf. Wer das also bewusst in Kauf nimmt, nimmt auch in Kauf, dass das Spiel nicht stattfindet.
Wenn wir allerdings im Spielbetrieb sein sollten, dann wäre das ein Problem. Dann wird man sich damit befassen müssen, ob das wie ein abgebrochenes Spiel zu betrachten ist. Und dass wird dann eben 2:0 für den Gegner gewertet.
Aber ich glaube in einer solchen Phase damit zu drohen Spiele abzubrechen, ich weiß nicht, ob dass das richtige Mittel der Wahl ist? Aber für den Moment sind die Klubs gefordert mit ihren jeweiligen Fanszenen vor Ort in den Dialog zu gehen."
Aber ich glaube in einer solchen Phase damit zu drohen Spiele abzubrechen, ich weiß nicht, ob dass das richtige Mittel der Wahl ist? Aber für den Moment sind die Klubs gefordert mit ihren jeweiligen Fanszenen vor Ort in den Dialog zu gehen."
Dass Politik und DFL Fanansammlungen befürchten hat wohl folgenden Grund: Die aktiven Fanszenen lehnen mehrheitlich Geisterspiele ab. Allerdings haben Faninitiativen wie "Unsere Kurve", "Pro Fans", oder auch die "Fanszenen Deutschlands" in ihren öffentlichen Statements niemals Proteste dagegen angekündigt.
Appell an die Fans, keine Warnung
Dennoch bekam die Diskussion um mutmaßliche Fanansammlungen Rückenwind durch die Gewerkschaft der Polizei. Die äußerte ebenfalls ihre Bedenken. Der stellvertretende Vorsitzende der GdP Jörg Radek warnte am vergangenen Wochenende in der FAZ vor Fanansammlungen rund ums Stadion, die verheerend und unverantwortlich wären. Auf Nachfrage des Deutschlandfunks differenzierte er seine Aussagen:
"Wir haben als Gewerkschaft der Polizei keine Warnung ausgesprochen, sondern wir haben ein Appell an die Vernunft der Fans gerichtet. Weil Geisterspiele könnten Ansammlungen an den Stadien provozieren."
Auch NRW-Innenminister Herbert Reul erklärte, dass die Polizei "Raumschutzkonzepte" entwickeln werde. Dabei werde man sich nicht nur auf die An- und Abreisewege konzentrieren. Man beobachte, ob Fans sich vor dem Stadion treffen wollen, und möglicherweise auch in den Innenstädten.
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Deswegen sahen sich sogar Bundesliga-Chefs dazu genötigt, Brisanz aus dieser Diskussion zu nehmen. So äußerte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke beim Fernsehsender Sky sein Unverständnis über die Diskussion:
"Ich kenne keine einzige Fangruppierung, die bisher gesagt hat, dass sie dann für Aufläufe vorm Stadion sorgen wird. Das sind einfach Dinge, die jetzt in den Raum gestellt werden, und noch nicht ein einziges Mal ist es passiert.
Wir sollten dieses Thema, wenn überhaupt mal diskutieren, wenn es sowas gegeben hätte. Aber den Fußball jetzt schon unter Generalverdacht zu stellen, das ist auch nicht in Ordnung!"
Wir sollten dieses Thema, wenn überhaupt mal diskutieren, wenn es sowas gegeben hätte. Aber den Fußball jetzt schon unter Generalverdacht zu stellen, das ist auch nicht in Ordnung!"
Das Verhalten vieler Fan- und Ultra-Gruppierungen lasse keine Rückschlüsse auf solche Fantreffen zu. Darauf verweist Sophia Gerschel von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte. Die BAG ist ein Zusammenschluss der Fußballfanprojekte hierzulande, die sozialpädagogische Arbeit mit jugendlichen und heranwachsenden Fußballfans leistet. Fanprojekte gibt es in fast allen Städten, in denen Fußballvereine mit einer relevanten jugendlichen Fanszene anzutreffen sind. Sie agieren unabhängig von Vereinen oder Verbänden.
"Szenarien mehr als fragwürdig"
Gerschel weist auf die vielen sozialen Aufgaben hin, die die aktiven Fanszenen seit Ausbruch der Corona-Pandemie freiwillig übernommen haben, z.B. als Einkaufshelfer. Die Soziologin stellt fest:
"Hier werden Szenarien konstruiert, die man überhaupt nicht sicher sagen kann. Und es werden Menschen zu einem Problem gemacht, die überhaupt kein Problem sind. Und gerade auch in den letzten Wochen deutlich gezeigt haben, wie sehr verantwortungsbewusst sie sind. Wie sehr sie sich mit dem beschäftigen, was die ganze Gesellschaft gerade beschäftigt, und wie sehr sie unterstützend sind. Deswegen sind für uns diese Szenarien mehr als fragwürdig, und auch der Zeitpunkt, dass man sich jetzt damit beschäftigt, wer jetzt welche Gefahr ist, das sehen wir sehr kritisch!"
Geisterspiel in Gladbach Hinweis genug
Darauf machen auch die Faninitiativen wie "Unsere Kurve" aufmerksam. Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei verweist allerdings in diesem Zusammenhang auf das erste Geisterspiel der Bundesligageschichte Mitte März zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln. Dort ist es kurz vor dem Corona-Lockdown noch zu Fanansammlungen gekommen. Deshalb sieht er die Diskussion als berechtigt an:
"Als Gewerkschaft der Polizei wissen wir, dass Anfang März das Rheinderby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln als Geisterspiel durchgeführt wurde. Und Gladbacher Fans ihre Mannschaft im Spalier und unter Benutzung von Pyrotechnik begrüßt haben. Das ist für uns Hinweis genug."
Allerdings hat die darauffolgende Kritik schon am nächsten Tag in der Europa-League Wirkung gezeigt. Das Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Basel ist ohne Fanversammlung vor dem Stadion abgelaufen. Die Eintracht besitzt dabei eine der stärksten aktiven Fanszenen. Und man darf auch davon ausgehen, dass nach dem Lockdown die Sensibilität im Umgang mit Corona weit ausgeprägter ist, als davor.
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Die Diskussion um mutmaßliche Fanansammlungen vor den Stadien hilft niemandem. Sophia Gerschel von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte sieht deshalb Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Polizei und Fans:
"Das wird das Verhältnis zwischen Polizei und Fans, was sowieso nicht gut ist, sicherlich nicht verbessern. Und wird auch nicht die Kommunikation und den Dialog, der auf jeden Fall notwendig sein wird, unabhängig davon, was im Fußball entschieden wird, auch nicht wirklich weiterbringen."