Wer in diesen Wochen versucht eine Eintrittskarte für ein Spiel der Fußball-Bundesliga zu kaufen, droht in vielen Ticketshops enttäuscht zu werden. "Für diese Veranstaltung stehen aktuell keine Tickets zur Verfügung", teilt Borussia Dortmund beispielsweise zu allen Terminen mit, zu denen der Vorverkauf bereits läuft. Ähnlich sieht es beim 1. FC Köln oder beim SC Freiburg aus. Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach bieten zwar noch Karten für einzelne Spiele an, allerdings für Preise ab 30 Euro aufwärts.
Die Dauerkarte als Privileg
Ein teures Vergnügen, gerade für jüngere Menschen. Die Stehtribünen sind längst ausverkauft. Bis vor wenigen Jahren war es noch selbstverständlich, dass Jugendliche auch spontan Zugang zu den günstigen Plätzen des Bundesligavereins ihrer Heimatstadt bekommen konnten. Das ist heute nur noch an einzelnen Standorten möglich. Bei Mainz 05 zum Beispiel.
Den meisten anderen Klubs droht eine ganze Generation an Stadionbesuchern wegzubrechen, sagt Professor Harald Lange, der das Institut für Fankultur an der Universität Würzburg leitet:
"Die nachwachsende Generation an Fans, die nimmt das als normal hin, dass man um bestimmte Karten kämpfen muss, dass man Glück haben muss, um irgendwo teilhaben zu können. Dass es auch ein Glücksfall ist, wenn man eine Dauerkarte bekommt oder dass es eine Art Privileg ist, wenn man immer zu den Spielen hin kann. Das ist etwas ganz Besonders, was sehr Exklusives geworden. Was es früher halt nicht war."
Es braucht viel Vorlauf und genug Geld
Mit viel Vorlauf, genug Geld in der Tasche oder einem Mitgliedsausweis ist es natürlich weiterhin möglich, Tickets zu kaufen. Doch oftmals sind die günstigen Karten bereits wenige Minuten nach Verkaufsbeginn vergriffen. Auf den Stehrängen, dort, wo das Erlebnis am intensivsten ist, wo über die Jahrzehnte Millionen Jugendlicher ihr Herz für immer an ihren Klub verloren, steht inzwischen oft eine geschlossene Gesellschaft, sagt Carsten Blecher vom Fanprojekt des 1. FC Köln:
"Grundsätzlich gehen ja alle Schichten zum Fußball, das weiß man ja, dass da sozusagen alle Bildungsabschlüsse, alle Berufen vertreten sind im Fußballstadion. Besonders betroffen davon, keine Karte zu bekommen, sind dann diejenigen, deren Familien nicht traditionell Fußball-Fan sind. Die dann eben nicht den Onkel haben, der schon die Dauerkarte hat, oder einen Freundeskreis, der über Dauerkarten verfügt. Und das sind dann häufig auch Menschen mit Migrationsgeschichte."
Tickets, die zwischen zehn und 20 Euro kosten, werden bei fast allen Bundesligavereinen beinahe ausschließlich an Mitglieder vergeben oder sie sind Teil der Dauerkartenabos. Und so eine Dauerkarte zu bekommen, ist für die Anhänger vieler Klubs praktisch unmöglich.
Rechnerische Wartezeit: 450 Jahre
Bei Werder Bremen ließen in der Sommerpause nur 25 Leute ihre Option auf eine Aboverlängerung verstreichen. In Köln waren es 31. Auf der Warteliste für so eine Jahreskarte stehen beim FC aber fast 14.000 Interessenten. Rechnerisch ergibt sich daraus eine Wartezeit von 450 Jahren. Diese Umstände führen dazu, dass der Altersschnitt der Leute auf den Stehplätzen in der Kölner Südkurve kontinuierlich steigt. Ähnliche Entwicklungen stellen viele Vereine fest. Aber oft fehlt die Motivation, das zu ändern, sagt Blecher.
"Ich glaube nicht, dass jemand bewusst oder absichtlich draußen gehalten wird, da hat ein Fußballklub kein Interesse dran. Gleichzeitig stellt sich für die Klubs kein Problem, die Stadien sind ja voll. Und die Auslastung ist gut. Das heißt, man muss ja gar nicht irgendwie rangehen und neue Zielgruppen erschließen oder so, zumindest jetzt nicht."
Aber ein paar Maßnahmen, die auch spontane Besuche erleichtern sollen, gibt es schon. Dauerkarteninhaber, die nur zu den Topspielen kommen, werden immer öfter abgemahnt. Borussia Dortmund hat sogar 450 der Saisonabonnenten mit einem Entzug des Tickets sanktioniert, weil ihre Plätze zu oft leer blieben.
Spontane Besuche erleichtern
Außerdem werden Schwarzmarkthändler bekämpft und offizielle Zweitmärkte eingerichtet, erklärt Daniel Däuper, der beim SC Freiburg für das Ticketing verantwortlich ist.
"Es ist so, dass unser Zweitmarkt tatsächlich relativ einfach läuft. Mit wenigen Klicks können Sie da ihre Karte anbieten. Und für den Käufer ist es nichts anderes als eine normale Karte zu kaufen. Seitdem wir unseren Zweitmarkt umgestaltet und einfacher gemacht haben, ist der Absatz auf dem Zweitmarkt viel, viel größer geworden, hat sich quasi verdreifacht."
Hier gibt es vereinzelt sogar die begehrten Stehplatzkarten für die Nordtribüne, mitunter noch am Tag vor dem Spiel. Eine grundlegende Lösung für das Problem sind solche Zweitmärkte aber nicht. In Freiburg hoffen sie, die Lage mit einem neuen Stadion entschärfen zu können, das 2020 bezogen werden kann. Die Gesamtkapazität steigt, aber vor allem sind dort 36 Prozent Stehplätze vorgesehen.
In der Gegenwart lukrativer für die Klubs sind zwar konsumfreudige Sitzplatzkunden. Aber die Entstehung einer lebenslangen Bindung zu einem Verein wird natürlich erschwert, wenn Jugendliche und Anhänger um die 20 ohne großes Einkommen immer wieder die Erfahrung machen, keinen Zugang zum Stadion zu haben.