Krawalle gab es am letzten Bundesliga-Wochenende in Frankfurt. Polizei und Fans geraten aneinander. Fans werfen Absperrgitter, die Polizei setzt sich mit Pfefferspray zur Wehr. Immer wieder kommt es mittlerweile zu solchen gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Fußballspielen.
„Das ist eine ganz neue Qualität. Vor allem, weil wir das seit vielen Monaten regelmäßig beobachten können, dass Teile der Polizei regelrecht mobil machen gegen Fanszenen,“ so der Fanforscher Harald Lange von der Universität Würzburg im Deutschlandfunk. Die Polizei Frankfurt macht dagegen noch einmal deutlich: „Es gibt keinen Anspruch weder im Stadion, noch irgendwo anders, es gibt keinen Anspruch auf einen rechtsfreien Raum!“
Und auch die Polizeigewerkschaft GdP, in dem Fall der hessische Vorsitzende Jens Morherr, fordert jetzt eine härtere Gangart: „Dass jetzt Schluss sein muss mit Appellen. Es muss jetzt gehandelt werden, und der Staat muss hier ganz einfach Kante ziehen und Flagge zeigen!“
Fanhilfen: "Gehäufte Vorfälle"
Die Aussagen verdeutlichen, dass der Graben zwischen Fans und Polizei nicht viel größer werden kann. Die Deutsche Fußball-Liga DFL fordert auf Deutschlandfunk-Anfrage alle Akteure auf, Fußballspiele als sichere und positive Erlebnisse in großartiger Atmosphäre zu bewahren. Aber aktuell stehen sich beide Parteien unversöhnlich gegenüber.
Das Feindbild für die Anhänger ist ganz klar die Polizei. Das kommt auch daher, dass es in dieser Spielzeit regelmäßig zu unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gekommen sei:
„Das sieht man jetzt einfach in den letzten Wochen und Monaten, dass sich da die Vorfälle gehäuft haben“, stellt Linda Röttig vom Dachverband der Fanhilfen fest. Diese ehrenamtlichen Vereine unterstützen Fans an Spieltagen oder danach bei Konflikten mit der Polizei.
Mehrfacher Einsatz von Pfefferspray im Block
Und Beispiele für Auseinandersetzungen gibt es in der Tat einige. Beim Spiel St. Pauli gegen Hannover besprüht die Polizei zum Beispiel die Gästefans aus dem Innenraum heraus mit Pfefferspray, nachdem es im Block eine Schlägerei gegeben hatte. Und auch in Frankfurt hatten Polizisten schon beim Spiel gegen Köln Pfefferspray in den Gästeblock gesprüht.
Der Dachverband der Fanhilfen fordert deswegen jetzt, dass die Polizei Pfefferspray nicht mehr einsetzen dürfe:
„Beim Pfefferspray ist es ja so, dass das nicht gezielt eingesetzt werden kann und dadurch werden natürlich auch unbeteiligte Personen davon getroffen und verletzt. Und es ist jetzt anhand der neuesten Statistik so, dass in der zweiten Liga sogar die Anzahl der verletzten Polizeibeamten durch Pfefferspray gestiegen ist. Also die Polizei hat sich quasi durch ihr eigenes Zwangsmittel selbst verletzt, was eigentlich völlig absurd ist.“
Linda Röttig spricht von der Jahresstatistik der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei, die kürzlich veröffentlicht worden ist. Darin ist die Anzahl der verletzten Polizeibeamten durch den Einsatz sogenannter polizeilicher Reizstoffe in den Bundesligen stark gestiegen. In der 3. Liga ist diese Anzahl im Vergleich zur letzten Vor-Corona-Saison hingegen zurückgegangen.
Reizgase völkerrechtlich geächtet
Die Fans sind nicht die einzigen, die ein Verbot fordern. Auch Menschenrechtsorganisationen sehen den Einsatz von Tränengas kritisch – auch, weil Reizgase für Menschen mit Vorerkrankungen oder unter Drogen-Einfluss lebensgefährlich sein können.
So ist ein drogenabhängiger Mann im Dezember letztens Jahres in Hessen nach dem Einsatz von Pfefferspray kollabiert und anschließend zu Tode gekommen. Selbst das Völkerrecht sieht vor, dass Tränengase nicht im Krieg verwendet werden dürfen. Der Einsatz innerhalb eines Landes ist aber erlaubt.
Entsprechend zurückhaltend kommentiert das Bundesinnenministerium auf Nachfrage den Vorstoß der Fans, Pfefferspray rund um Fußball-Spiele nicht mehr einzusetzen: „Die polizeiliche Einsatzdurchführung in den Fußballstadien obliegt den jeweiligen Länderpolizeien. Hierzu zählt auch die Entscheidung und Bewertung zu der im Einzelfall erforderlichen Anwendung von unmittelbarem Zwang bzw. von Hilfsmitteln wie Pfefferspray.“
Auch FIFA gegen Pfefferspray im Stadion
Neben den gesundheitlichen Folgen besteht beim Einsatz von Pfefferspray in vollen Fanblöcken aber auch die Gefahr einer Panik. Auch deswegen heißt es in den Sicherheitsregularien des Weltfußball-Verbandes FIFA, dass bei Spielen keine Reizgase eingesetzt werden sollen. Diese Vorschrift gilt aber nur bei FIFA-Wettbewerben und steht nicht über nationalem Recht.
Der Deutsche Fußball-Bund DFB verweist daher auf Deutschlandfunk-Anfrage auf die Behörden: „Bei der Anwendung staatlicher Gewalt muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten – das gewählte Mittel muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Eine Bewertung der Rechtmäßigkeit erfolgt ggf. durch ordentliche Gerichte, die jeden Einzelfall überprüfbar machen.“
Die Debatte um den Einsatz von Pfefferspray wird den Konflikt zwischen Fans und Polizei also nicht lösen können. Zumal die Gewerkschaft der Polizei jetzt auch noch Präventivhaft für Fußballfans fordert. Dies sei zum Beispiel in Bayern bei den Klimaklebern ein erfolgreiches Mittel gewesen, um Protestaktionen einzudämmen.
Fanforscher Lange: "Polizeigewerkschaft gießt Öl ins Feuer"
Für den Fanforscher von der Universität Würzburg, Harald Lange, eine von vielen überzogenen Forderungen seitens der Polizeigewerkschaften, die am Ende nicht helfen werden, um die Situation in den Stadien zu beruhigen:
„Man muss bereit und fähig sein zur kritischen Selbstreflexion. Und genau das vermisse ich auf Seiten der Polizei, insbesondere bei der Polizeigewerkschaft, die nach meinem Dafürhalten in ganz, ganz vielen Stellungnahmen einfach noch mehr Öl ins Feuer gießt!“
Vor diesem Hintergrund ist ein konstruktiver Dialog zwischen Fans und Polizei nur schwer vorstellbar, damit der Konflikt zwischen den beiden Lagern nicht noch weiter eskaliert.