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Playoffs in der Fußball-Bundesliga
Gedankenspiele mit Sprengkraft

Donata Hopfen, die neue Geschäftsführerin der Deutschen Fußball-Liga (DFL), hat eine Diskussion über Playoffs in der Bundesliga und Supercupspiele in Saudi-Arabien angestoßen. Zumindest der Vorschlag zu einem neuen Modus für den Titelkampf wird in der Liga wohlwollend betrachtet.

Von Daniel Theweleit |
xblx, DFL Zentrale, Deutsche Fussball Liga GmbH Frankfurt am Main *** xblx, DFL Head Office, German Football League GmbH Frankfurt am Main
xblx, DFL Zentrale, Deutsche Fussball Liga GmbH Frankfurt am Main *** xblx, DFL Head Office, German Football League GmbH (imago images / Jan Huebner)
Ein paar Wochen Zeit hat sich Donata Hopfen genommen, bis sie an die Öffentlichkeit gegangen ist. Doch so langsam wird klar, dass die seit Jahresbeginn amtierende Geschäftsführerin der Deutschen Fußball-Liga offener dafür ist, neue Wege zu beschreiten als ihr Vorgänger Christian Seifert.
„Wir wollen die digitalste Fußballliga der Welt sein und dabei unsere Tradition und unsere Werte bewahren. Wir wollen gleichzeitig die wirtschaftliche Prosperität und die Stabilität der Ligen absichern und weiter ausbauen. Stichworte sind hier: internationale Vermarktung, Financial Fairplay und neue digitale Vermarktungsmodelle“, sagt Hopfen in einem Grußwort, um kurz darauf in einem Interview mit der Bild am Sonntag konkreter zu werden.

Hopfen offen für Playoffs und Supercup in Saudi-Arabien

Es gebe für sie erstmal keine Denkverbote und keine heiligen Kühe, sagt sie dort. Folglich findet sie den Vorschlag, den Titelkampf in der Bundesliga nach fast zehnjähriger Alleinherrschaft des FC Bayern mit einer Playoff-Runde spannender zu machen, interessant. Selbst der Idee, die Einnahmen aus der internationalen Vermarktung durch einen in Saudi-Arabien ausgetragenen Supercup zu steigern, steht sie offen gegenüber.
Der Sport-Marketing-Experte Peter Rohlmann hält das für gefährlich: „Das ist ein Schlag gegen die Fan-Orientierung, wenn Pflichtspiele, die in den Verbandsbetrieb gehören, in extrem fernen Ländern nur des Geldes wegen gemacht werden. Die DFL hat gerade Nachhaltigkeit beschlossen als Lizensierungskriterium für die Bundesliga. Und da frage ich mich: Wie vereinbart sich das, wenn ich extra zwei Mannschaften mit ihrem ganzen Tross in tausende Kilometer Entfernung bringen muss? Wenn ich mich verpflichtet habe, dass ich mich künftig in Sachen Klima- und Umweltschutz stärker engagieren will und die Vereine sogar verpflichte, diesen Punkt noch stärker in ihren Vereinsbetrieben zu beachten.“
Fußball-Bundesliga - DFL plant verpflichtende Nachhaltigkeitsziele

Fußball würde viel Glaubwürdigkeit verlieren

Die Spanier fliegen in jeder Saison sogar vier Teams nach Dschidda, um dort einen erweiterten Supercup auszutragen. Dafür bekommen sie pro Jahr 40 Millionen Euro. Gerade haben sie ihren Vertrag mit den Saudis bis 2029 verlängert. Etwas Ähnliches wäre wohl auch für die Bundesliga möglich. Wobei der deutsche Fußball vor dem Hintergrund der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien mit so einem Projekt viel Glaubwürdigkeit verlieren würde.
Porträtaufnahme von Donata Hopfen. Sie wird Anfang 2022 Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL).
Donata Hopfen, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL). (dpa / DFL)
Denn DFL-Chefin Hopfen sagt auch: „Wir wollen die Menschen weiter begeistern. Wir wollen die Fans wieder deutlich stärker in den Mittelpunkt rücken. Wir wollen das Thema Nachhaltigkeit mit Leben füllen.“

Spagat zwischen Werten und Wachstum

Vieles deutet darauf hin, dass Hopfens größte Herausforderung darin bestehen wird, einerseits an Werten festzuhalten, die die Super-League-Befürworter oder die Verfechter einer WM im Zweijahresrhythmus längst aufgegeben haben. Und zugleich für wirtschaftliches Wachstum zu sorgen, obwohl der Wettbewerb um die deutsche Meisterschaft seit Jahren von einer ermüdenden Eintönigkeit geprägt ist. Die Premier League nimmt über den Verkauf internationaler Rechte inzwischen mehr Geld ein als auf dem heimischen Markt.
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Auch die DFL bietet interessierten Plattformen eine komplett produzierte Bundesliga-Berichterstattung auf Englisch an. Doch das Produkt ist nicht so attraktiv wie vergleichbare Shows anderer Ligen. Die Idee, am Ende der Saison über Halbfinals und ein Finale den Meister auszuspielen, könnte Abhilfe schaffen. Alle anderen Entscheidungen wie die Vergabe der Europapokalplätze und die Abstiege würden wie gehabt in der regulären Saison fallen.
„Wenn man das unter der Prämisse sieht: Wir wollen mehr Spannung erzeugen, mehr Abwechslung in den Titelkampf reinbekommen, dann kann ich das verstehen und nachvollziehen, dass man das zumindest diskutiert“, sagt Marcel Schäfer, der Sportdirektor des VfL Wolfsburg, der persönlich aber eher skeptisch ist.

Publikum könnte von Playoffs profitieren

Charmant ist der Vorschlag, weil sich der Gewinn eines per Playoff ausgespielten Meisterschaft im Gegensatz zu einem Supercup in Saudi-Arabien nicht nur auf den Konten der Klubs und Spieler zeigen würde. Das gesamte Publikum könnte von einem gesteigerten Unterhaltungswert profitieren.
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Selbst beim FC Bayern, der sich der Gefahr aussetzen würde, seinen Titel am Ende einer dominanten Saison aufgrund einer einzigen schwachen Partie zu verlieren, wird die Idee wohlwollend betrachtet. Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn findet das Gedankenspiel spannend, und Trainer Julian Nagelsmann sagt: "Ich bin immer offen und bereit auch Diskussionen zu führen, auch wenn es dann wahrscheinlich keinen großen Einfluss darauf hat, was passiert. Und tendenziell gehe ich mal davon aus, dass wir trotzdem dabei wären bei den Playoffs als Bayern München und uns trotzdem durchsetzen können, um Meister zu werden."

Keine Mehrheit in Online-Umfragen

Vielleicht aber nicht mehr oft. Wirklich begeistert zeigt sich dennoch kaum jemand von dem Vorschlag. In ersten Online-Umfragen finden sich keine Mehrheiten für die Idee und das Fanbündnis „Unsere Kurve“ lehnt Playoffs in aller Deutlichkeit ab.
Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für Neuerungen, sagt der Marketing-Experte Rohlmann. Entweder wird eine Reform entwickelt, „die unter Einbindung aller Shareholder erfolgt. Das heißt, da sind Fans, die Sponsoren, die Gemeinden und die Verbände und alle mit drin, die damit etwas zu tun haben. Oder will ich eine Lösung auf Teufel komm raus. Da bin ich wirklich vielleicht ein konservativer Marketing-Mann, dass ich sage: Ich mache lieber mit meiner bestehenden, begeisterten Basis fünf Millionen Zusatzeinnahmen, als mit dem Risiko die Basis zu verlieren zehn Millionen Zusatzeinnahmen.“
Denn der deutsche Fußball hat am Ende der Pandemie in seinen wichtigsten Zukunftsfragen den Punkt erreicht, an dem Entscheidungen gegen den Willen der Basis gefährlich sind wie lange nicht. Die Menschen strömen nicht mehr automatisch in die Stadien, sie kündigen ihre TV-Abos und schauen seltener Sportschau. Reformen, die die latente Abneigung gegen den Profibetrieb weiter steigern, sind daher hoch gefährlich.