Archiv

Fußball-Bundesliga
Verletzungen könnten drastisch reduziert werden

Jeder Fußball-Profi in der Bundesliga hat pro Saison fast drei Verletzungen. Das sind erheblich mehr als andere Profi-Sportler in Mannschaftssportarten wie Eishockey, Handball oder Basketball. Mithilfe von Präventionsmaßnahmen könnte dieses Verletzungsaufkommen um bis zu 85 Prozent reduziert werden.

Von Thorsten Poppe |
Dortmunds Marco Reus wird am Spielfeldrand behandelt.
Bundesliga-Fußballprofis: Im Schnitt 2,7 Verletzungen pro Saison (dpa / Arne Dedert)
Bei weit mehr als der Hälfte der Klubs aus der Fußball-Bundesliga gibt es aktuell Spieler, die wegen einer Muskelverletzung ausfallen. Eine Blessur, die meist im Oberschenkel auftritt, die am häufigsten verletzte Körperregion im Fußball. Generell werden im Profi-Fußball deutlich mehr Verletzungen pro Spieler und Saison registriert als in anderen Mannschaftssportarten wie Eishockey, Handball oder Basketball.
Diese Erkenntnisse liefert der aktuelle Sportreport der gesetzlichen Unfallversicherung VBG. Dafür hat Präventionsexperte Christian Klein von der VBG rund 7.000 Verletzungen sowie 500 Videos von Verletzungsszenen ausgewertet. Und dabei vor allem untersucht, wie häufig Verletzungen vorkommen:
"Fußball weist beispielsweise höhere Prävalenzraten auf, als jetzt Sportarten wie Basketball, Eishockey, oder Handball. Hier sind es ungefähr 83 Prozent, dass heißt in dem Fall, dass ungefähr 83 Prozent aller eingesetzten Spieler im Laufe einer Saison mindestens eine Verletzung erleiden. Durchschnittlich sind es im Fußball sogar 2,7 Verletzungen pro Spieler und Saison. Was ebenfalls der Höchstwert im Vergleich dieser vier Sportarten ist."
Gladbachs Lars Stindl (m) wird von zwei Betreuern gestützt und muss verletzungsbedingt ausgewechselt werden. 
Bundesliga: Besonders hohes Verletzungsrisiko
In der Bundesliga fallen Spieler öfter verletzungsbedingt aus als in anderen europäischen Top-Ligen. Ein Grund dafür scheinen Defizite bei der ärztlichen Betreuung in den Vereinen zu sein.

"Drastische Reduktion der Ausfalltage möglich"

Zum Vergleich: Im Basketball sind es noch nicht einmal zwei Verletzungen pro Spieler in einer Saison. Dabei sind in allen Sportarten bestimmte Muster bei den Verletzungen erkennbar. Im Eishockey ist der Kopf am häufigsten betroffen, beim Fußball eben der Oberschenkel, und im Handball und Basketball das Sprunggelenk.
Im Laufe der Saison bedeutet das für einen Basketballer durchschnittlich 2,5 Wochen Ausfallzeit, für Handballer um die vier Wochen und bei Fußball- und Eishockeyspielern sogar fast fünf Wochen.
Auffällig ist dabei, dass beim Vergleich der einzelnen Klubs innerhalb der untersuchten Ligen einige Mannschaften mit erheblich weniger verletzungsbedingten Ausfalltagen durch eine Saison kommen als andere, erklärt Präventionsexperte Christian Klein:
"Für uns war es einfach wichtig herauszuarbeiten, dass Verletzungen auch unter den strapazierenden Rahmenbedingungen des Profisports kein einfach zu akzeptierender Kollateralschaden sind. Die Analysen im VBG-Sportreport zeigen eindeutig, dass eine drastische Reduktion der Ausfalltage möglich ist, und dass es keine Eintagsfliege ist, sondern ein Bild, dass sich von Jahr zu Jahr wirklich wiederholt."

Verletzungsrate im Fußball auf Rekordwert

Die Kosten für Verletzungen im Profifußball summieren sich, Behandlungskosten und Personalkosten zusammengefasst, auf knapp 100 Millionen Euro pro Saison. Eine gezielte Präventionsarbeit würde letztendlich den Klubs erhebliche Kosten sparen. Abgesehen davon, dass die Klubs verstärkt auf ihr Personal zurückgreifen könnten.
Vor allem der Fußball ist hier gefordert. Denn während im Eishockey, Handball und Basketball die Verletzungsraten rückläufig sind, sind sie im Fußball mit fast drei Verletzungen pro Spieler und Saison sogar auf einen neuen Rekordwert angestiegen.
Für Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV ein weiteres Alarmsignal. Er vertritt hierzulande fast 1.500 Profi-Fußballer:
"Viele Wettbewerbe, hohe Belastungen. Insbesondere Spitzenspieler haben heute kaum noch Zeit für eine ausreichende Regeneration. Darum gibt es bereits viele Stimmen, die fordern, den Spielplan zu reduzieren, und die Einsatzzeiten für die Spieler zu begrenzen. Und in der Tat sollten wir bedenken, dass nur ausreichend erholte Spieler in der Lage sind, Spitzenleistungen zu bringen. Weniger ist also mehr."
Ulf Baranowsky (li.), Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV beim Proficamp der Vereinigung der Vertragsfußballspieler in der Sportschule Wedau. Dabei haben vereinslose Spieler die Chance, sich im Mannschaftstraining fit zu halten und sich in Testspielen für neue Jobs zu empfehlen.
Ulf Baranowsky (li.), Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV: "Weniger ist mehr" (dpa / picture alliance / David Inderlied)

Mehr statt weniger Spiele geplant

Der Trend geht aber in die entgegengesetzte Richtung. So betreibt die FIFA weiter offensiv Gedankenspiele, die Fußball-Weltmeisterschaft alle zwei statt alle vier Jahre zu veranstalten. Dazu startet kommende Saison auf europäischer Ebene die Conference League, ein neuer internationaler Klub-Wettbewerb unterhalb der Europa-League.
Und auch für die bisherigen europäischen Klub-Wettbewerbe Champions- und Europa-League sind Reformen geplant, die für die teilnehmenden Mannschaften bis zu sechs zusätzliche Spiele vorsehen könnten. Deshalb fordert Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV einen verantwortungsvolleren Umgang mit der "Ressource Profi-Spieler":
"Profi-Fußball ist leider kein Gesundheitssport. Das Verletzungsrisiko ist hoch, und darum gilt es die Spieler bestmöglich zu schützen. Aus aktuellen Erhebungen wissen wir, dass insbesondere die Belastungssteuerung verbessert werden muss. Zudem brauchen wir eine bessere Prävention. Gefordert sind hier aber nicht nur die Trainer und die Mannschaftsärzte, sondern vor allem die Verbände, Klubs, und natürlich die zuständige Berufsgenossenschaft."

"85 Prozent weniger Ausfallzeiten möglich"

In dem Fall die VBG mit Präventionsexperte Christian Klein. Er erklärt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, dass beispielsweise durch gezieltere Trainings- und Belastungssteuerung die Verletzungen um bis zu 75 Prozent in allen Mannschaftsportarten reduziert werden könnten. Im Fußball wäre es laut Christian Kleine sogar noch mehr:
"So könnte es unseren Berechnungen zur Folge in der Bundesliga sogar gelingen, die Ausfallzeiten um bis zu 85 Prozent zu reduzieren. Was VBG-Leistungen nur für diese eine Liga pro Jahr von knapp 1,5 Mio. Euro entsprechen würde. Der tatsächliche wirtschaftliche Schaden durch sinkende Marktwerte der Spieler, durch mögliche sportliche Misserfolge in Folge der Verletzungen ist natürlich noch um ein Vielfaches größer!"