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Streit um die Fußball-Zukunft
Was der DFL-Investorendeal für eine mögliche Super League heißt

Am 21. Dezember wird vor dem Europäischen Gerichtshof darüber entschieden, ob es rechtens ist, dass die UEFA ein Monopol auf die Ausrichtung internationaler Spiele hat. Einige Klubs träumen von einer privatwirtschaftlichen, europäischen Superliga. Mit dem Investorendeal der Deutschen Fußball Liga (DFL) rückt die Schaffung einer Super League aber weiter in die Ferne.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Das Logo der Fußball-Bundesliga prangt auf einer Fernsehkamera
Nach der DFL-Mitgliederversammlung steht fest: Ein Großinvestor soll viel Geld in die Profi-Ligen pumpen, um die Vereine international wettbewerbsfähiger machen zu können. Das ist durchaus ein Dämpfer für die Bestrebungen mancher Klubs, doch noch eine mögliche europäische Superliga auf die Beine zu stellen. (picture alliance / Eibner-Pressefoto / Eibner-Pressefoto / Florian Wiegand)
Die DFL hat exakt mit der benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit den Weg freigemacht für den Einstieg eines externen Investors. Zwar gibt es bei Hannover 96 und anderen Kritikern Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geheimen Abstimmung, auch wird der Investor noch gesucht. Der Zukunftsplan der DFL sieht jedenfalls vor: Etwa eine Milliarde Euro soll der Geldgeber im Gegenzug für acht Prozent der Einnahmen aus Vermarktungsrechten (Laufzeit: 20 Jahre) einbringen, um die zwei Bundesligen digitaler und internationaler aufstellen zu können.
Stichwort international: In Europa schwelt derweil weiter der Konflikt um die Rechtmäßigkeit einer Super League, in der die besten Teams einen eigenen (und mit entsprechenden Investoren enorm lukrativen) Wettbewerb bestreiten – privatwirtschaftlich und am Fußballverband UEFA vorbei. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird am 21. Dezember das Urteil verkünden, ob die Monopolstellung der UEFA rechtens ist. Allerdings macht nun der DFL-Deal eine mögliche Super League unrealistischer, prognostiziert SZ-Journalist Thomas Kistner.

DFL-Investor würde Bayern und BVB nie ziehen lassen

Im Deutschlandfunk-Interview erklärt Kistner, dass "aus der Bundesliga überhaupt nur der FC Bayern und Borussia Dortmund als Teilnehmer an einer Superliga in Frage" kommen. Er betont: "Und diese beiden Top-Klubs sind die Kronjuwelen für jeden Investor in die deutsche Liga. Es ist völlig klar, dass sich der künftige Großinvestor in Deutschland absichern wird. Dass er nicht die beiden mit Abstand größten Zugpferde verliert."
Der BVB erteilte ohnehin bei der Mitgliederversammlung im November in Person von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der darüber hinaus als DFL-Aufsichtsrat Einfluss hat, dem Konzept eine Absage: "Keine Super League mit dem BVB. Egal, was kommt." Auch Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen hatte im Oktober bei "Bild-TV" gesagt: "Für mich ist die Super League tot." Das sei die einhellige Meinung in der Europäischen Klubvereinigung (ECA).

Auch andere Ligen durch eigene Investorendeals eingeschränkt

Die Stimmung in Europa zur Super League scheint also gekippt. Nur noch Real Madrid und der FC Barcelona, die durch ihre Sportmarketingagentur A22 als Kläger gegen die UEFA auftreten, kämpfen. Sie sind alleine auf weiter Flur – denn nicht nur in Deutschland behilft sich die nationale Liga angesichts teils sinkender Fernseheinnahmen bereits mit einem eigenen Investorendeal.
SZ-Journalist Kistner unterstreicht: "In Frankreich finanziert künftig der Großinvestor CVC fast alleine. Völlig klar, dass er Paris nie von der Leine gehen lassen würde, um bei der Konkurrenz zu spielen." Abgesehen davon gebe es in England mittlerweile eine von der britischen Regierung ins Leben gerufene, unabhängige Aufsichtsbehörde, "die insbesondere die Fan-Interessen im Blick hat", erklärt Kistner. Von dort komme ebenfalls eine Ablehnung der Super League.
Zudem wird die UEFA ihr Flaggschiff namens Champions League ohnehin zur Saison 2024/25 reformieren und ein Ligensystem einführen. Mehr Teilnehmer, mehr Spiele, mehr Geld – diese Aussicht dürfte die Großklubs erstmal zufriedenstellen.
Laut Kistner mache außerdem eine Super League ohne die nahezu geschlossene Teilnahme der Großklubs keinen Sinn: "In zwei, drei Jahren wird die Frage noch größer sein, wie attraktiv eine Superliga überhaupt sein kann, in der dann drei, allenfalls vier Klubs alles andere an die Wand spielen. Eine eigene Superliga ist nur dann eine, wenn mindestens die Hälfte, nicht nur zehn oder 15 Prozent, echte Titelchancen haben."

Real Madrid und FC Barcelona eint existenzielles Interesse

Aus welchem Grund drängen Real und Barcelona also auf überhaupt noch auf einen Sieg vor dem EuGH? Kistner betont: "Für sie geht es gar nicht mehr so um die alte Idee. Es geht auch um immense Strafzahlungen im Fall einer Niederlage und darum, dass die UEFA sie für Jahre aus der Champions League verbannen könnte. Es ist schon ein existenzielles Interesse für die beiden."
Die UEFA hofft derweil darauf, dass der EuGH keinen Ansatz findet, um die bisherigen Machtverhältnisse aufzubrechen. Sollten europäische Gesetze die Position der UEFA schwächen, so Kistner: "Dann wäre das ein Einfallstor für Sport- und Kartelljuristen, die im Auftrag der profitgierigsten Klubs einen neuen Elitewettbewerb zusammenbasteln könnten, der jedes Schlupfloch ausnutzt."

UEFA fürchtet ein neues Bosman-Urteil

Der europäische Fußballverband fürchtet nicht weniger als ein neues Bosman-Urteil des EuGH. 1995 wurde durch dieses Urteil der Transfermarkt revolutioniert und stärkte die Spieler als selbstständige und freizügige Arbeitnehmer.
Wie so etwa aussehen könnte, formuliert Kistner so: "Es könnte drin stehen, dass die UEFA die abtrünnigen Klubs nicht mit hohen Geldstrafen, womöglich auch nicht mit Wettbewerbsausschluss belegen darf. Das ergäbe dann einen ungemein hohen Anreiz, für Großklubs in Zukunft erst recht alle möglichen Organisationsmodelle auszutesten – straffrei sozusagen."
Ein weiteres Schreckensszenario für die UEFA wäre: "Oder das Urteil könnte etwa verbieten, dass Spieler von künftigen Super-League-Top-Vereinen von der UEFA für Auftritte in der Nationalmannschaft nicht gesperrt werden dürfen. Das ist ja ein besonders scharfes Schwert. Es gibt Nebenaspekte, bei denen sich plötzlich ein Tor in den Abgrund öffnen ließe."

Kistner verweist auf "superpotente Investoren"

Ganz vom Tisch sei eine Neuordnung der Machtverhältnisse im Fußball jedenfalls nicht. Kistner führt aus: "Was, wenn ein superpotenter Investor gleich den gesamten Betrieb übernimmt und auch bei der Geldverteilung mitspricht? Vielleicht sogar in dem Sinne, dass der Wettbewerb ausgeglichener wird?"
Das zeichne sich in Spanien ab. "Die Spanier tun sich mit Saudi-Arabien zusammen. Und wenn die Saudi-Investoren einen spannenden Wettbewerb aufziehen können, könnte ein Modell für die Zukunft sein: erst eine starke nationale Liga, später Investments in andere Ligen und schließlich eine Super League – die auf den eigenen Ligen aufbaut."