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Fußball-EM trotz Corona-Pandemie
"Sehr relevant für das Wohlbefinden der europäischen Bevölkerung"

Es sei ein sehr legitimes Bedürfnis der Bevölkerung, sich am Fußball zu erfreuen, sagte der Corona-Berater der UEFA, Daniel Koch, im Dlf. Gerade in diesen schwierigen Zeiten müsse man deshalb alles bewilligen, was mit einem übersehbaren Risiko machbar sei.

Daniel Koch im Gespräch mit Matthias Friebe |
Daniel Koch, Corona-Berater der UEFA
Daniel Koch, Corona-Berater der UEFA, hält eine Absage der EM wegen der Corona-Pandemie für sehr unwahrscheinlich. (dpa/picture alliance/Keystone/Anthony Anex)
Die EM findet vom 11. Juni bist zum 11. Juli in 11 verschiedenen Städten statt. UEFA-Corona-Berater Daniel Koch sieht in der Großveranstaltung mit Reisen quer über den Kontinent auch in Pandemiezeiten kein Problem - und verweist auf die erarbeiteten Schutzkonzepte. "Es ist viel besser, wenn sie kontrolliert Leute in ein Stadion hineinlassen, die getestet oder genesen sind oder die geimpft sind."

Kommunikation mit den Fans ist wichtig

Studien aus Holland und auch Spanien zeigten, dass es verantwortbar sei, Zuschauer mit Schutzkonzept und mit beschränkter Zahl in die Stadien zu lassen. Besonders wichtig sei darüber hinaus die Kommunikation mit den Fans. "Es ist absolut zwingend, dass die wissen: ‚Was ist gefordert, was dürfen sie, was dürfen sie nicht’ – und dass dort dann auch eine gewisse Disziplin entsteht."
24.10.2020, Fussball 1. Bundesliga: FC Bayern - Eintracht Frankfurt. Ein Geisterspiel wegen Corona, ohne Zuschauer in der Allianz-Arena in München.
Zuschauende in München "Es kann, darf und wird keine Garantien geben"
München bleibt Spielort der Fußball-Europameisterschaft – mit mindestens 14.500 Zuschauenden pro Partie. Eine Zuschauer-Garantie werde es aber nicht geben, sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter im Dlf.
Wie weit die jeweiligen Länder bei der Anzahl der Fans in den Stadien gingen, liege in der Verantwortung der Behörden, sagte Koch. Klar sei aber auch: "Man hat noch nie solche Ausbrüche gesehen, seit wir die Pandemie auch wirklich einigermaßen kontrollieren." Mit Schutzkonzepten und tiefen Fallzahlen seien Großanlässe ein überschaubares Risiko und absolut durchführbar.

"Das Leben der Bevölkerung besteht nicht nur aus Arbeit"

Es sei ein legitimes Bedürfnis der Bevölkerung, sich auch an Sachen zu erfreuen, meint Koch. "Deshalb ist es sehr viel wichtiger, dass Zuschauer organisiert zugelassen werden, als dass wilde Partys entstehen."
Von dem Vorschlag die EM wie das Basketball-Finale der NBA in den USA in einem abgeschirmten Komplex stattfinden zu lassen, hält Koch nichts. Man müsse sich dabei die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Augen führen, so der Corona-Experte der UEFA. Es mache keinen Sinn, für die Freizeit einen absoluten Bewegungsstopp festzulegen, wenn gleichzeitig Tausende LKW jeden Tag europäische Grenzen passierten. "Das Leben der Bevölkerung besteht nicht nur aus Arbeit, sondern eben auch aus dem sich Wohlfühlen. Deshalb ist es aus meiner Sicht auch extrem wichtig, dass man sich nicht nur noch auf das Verbieten konzentriert. Für mich ist das sehr relevant für das Wohlbefinden der europäischen Bevölkerung."
Einige wenige Zuschauer im San Siro Stadion in Mailand beim Spiel gegen Mönchengladbach im Oktober 2020 mit Abstand und Mund-Nasenschutz.
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Absage der EM sehr unwahrscheinlich

Abgesagt würde die EM aus Sicht von Koch nur, wenn Europa in eine massive neue Welle gerate. "Das ist aus meiner Sicht aber sehr unwahrscheinlich, weil es keine Hinweise gibt, dass so etwas überhaupt im Gange ist."
Koch ist zudem der Ansicht, dass eine Pandemie nur dann bewältigen werden kann, wenn man sich das Wohl der Bevölkerung vor Augen halte. "Und das Wohl der Bevölkerung besteht nicht nur in der Absenz von Infektionen, sondern das Wohl der Bevölkerung steht wirklich dann, wenn alles möglich ist, was mit überschaubaren Risiken möglich ist."