Kaum jemand kann den Wandel der Fan-Betreuung so gut beschreiben wie der Sportsoziologe Gunter A. Pilz. 1988 fand die EM in Deutschland statt, der Fanforscher Pilz wollte mit dem Austragungsort Hannover ein Willkommensprogramm auflegen. Mit landestypischer Musik und Verkaufsständen für Gästefans, mit Leinwänden, Torwandschießen und einem kostenfreien Zeltlager. Damals stieß Pilz nicht nur beim DFB auf Widerstände:
"Wir hatten einen großen Flyer vorbereitet. Der sollte jeweils an die Nationen, die hier in Hannover spielen, mit den Eintrittstickets geschickt werden, aber das hat dann die Polizei untersagt. Mit den Worten: Um Himmels Willen, wenn die lesen, was da alles angeboten wird, dann kommen die einen Tag früher und bleiben noch zwei Tage länger. Wir durften dann die Flyer nur am Tag, an dem sie hier ankommen, verteilen."
Pädagogen und Sozialarbeiter aus Deutschland sind in Frankreich dabei
Gerade mal 1.000 deutsche Fans reisten zur EM 1992. In Schweden etablierten die Fanprojekte gemeinsam mit dem DFB ein Konzept, das seither stetig gewachsen ist: die mobile Fanbotschaft. Zwölf Pädagogen und Sozialarbeiter aus Deutschland sind nun in Frankreich unterwegs. Vor und während der Spiele der deutschen Mannschaft kümmern sie sich um aktuelle Fragen: Wo könnte es noch Unterkünfte und Tickets geben? Wie funktioniert der Nahverkehr? Wie sieht das kulturelle Angebot aus? Überdies veröffentlicht die Fanbotschaft ein eigenes Magazin, verteilt einen Kulturreiseführer und bietet eine Notrufnummer an. So sollen sich die Fans willkommen fühlen.
Fanbetreuer können keine Ausschreitungen verhindern
Neben der deutschen Anlaufstelle hat England die meisten Fanbetreuer nach Frankreich entsandt. Doch auch sie können keine Gewalt verhindern, wie die Ausschreitungen vor dem Spiel gegen Russland in Marseille gezeigt haben. Eingebettet sind die Botschaften bei den "Football Supporters Europe", kurz FSE. Dieses europäische Netzwerk knüpft seit Jahren Kontakte, doch nicht alle teilnehmenden Länder waren an einem Fanprogramm interessiert: Spanien zum Beispiel, wo Reisen mit dem Nationalteam weniger beliebt sind, auch wegen der Eigeninteressen von Katalanen oder Basken.
Der Berliner Martin Endemann ist einer von sechs Mitarbeitern bei "Football Supporters Europe". Im Fokus der vielen Vorbesprechungen waren die Terrorgefahr und deren Auswirkungen.
"Dass unsere Befürchtung ein bisschen ist, dass die Polizei sehr aufgeregt ist. Jetzt gibt es noch, wie wir in den letzten Tagen und Wochen gesehen haben, die sozialen Proteste in Paris, die teilweise von der Polizei sehr hart auseinander getrieben wurden. Und dass dann natürlich unsere Furcht ist, dass auch Fans, die zu ihren Nationalmannschaften reisen, eventuell von übertriebenen Polizeimaßnahmen betroffen sein könnten."
Viele Veranstaltungen, die Politik, Kultur und Fußball verbinden
Ob Fanbotschaft, schwullesbisches Pride-Haus oder Goethe-Institut: Während der EM werden zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, die den Fußball in Beziehung setzen zu Politik und Kultur. Von einem Fußball-Überdruss ist in Frankreich nichts zu spüren.