Es ist eine Überraschung, dass die FIFA nun auf einmal den Bericht von Michael Garcia veröffentlicht - nach jahrelangem Ringen darum, ob er nun freigegeben werden soll oder nicht. Das Dokument enthält die Untersuchungsergebnisse zu den umstrittenen WM-Vergaben nach Russland im kommenden Jahr und Katar 2022.
Man habe die Veröffentlichung des Berichts bereits zuvor diskutiert, heißt es in der Stellungnahme der FIFA. Man habe aber das erste Treffen mit den neuen Chefethikern kommende Woche abwarten wollen.
Maria Claudia Rojas und Vassilios Skouris hatten die beiden geschassten Chefethiker Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert ersetzt, die der FIFA allem Anschein nach zu unbequem geworden waren.
Doch die FIFA hätte die Veröffentlichung bereits früher selbst in der Hand gehabt, der Bericht lag ihr vor. Seit heute Nachmittag steht er nun in drei Teilen auf der Homepage der FIFA - einen Tag, nachdem die "Bild"-Zeitung Auszüge aus dem Bericht veröffentlicht hatte.
Hatte die FIFA keine Wahl?
Die Gründe liegen laut dem ehemaligen Mediendirektor der FIFA, Guido Tognoni, auf der Hand. Er sagte im ARD Fernsehen:
"Wenn etwas durchsickert, muss man natürlich gleich alles zeigen, weil sonst macht sich die FIFA lächerlich. Also wenn es einen Gewinner gibt in der ganzen Sache, kann es eigentlich nur Infantino sein."
Der FIFA-Boss als Gewinner? Gianni Infantino habe die Veröffentlichung mehrfach gefordert, heißt es heute von der FIFA. Doch getan hat er wenig.
Millionen auf Konto einer Funktionärstochter
Die rund 430 Seiten listen zahlreiche Vergehen auf - von Funktionären, Mitarbeitern, WM-Bewerbern. Unter anderem soll die engste Mitarbeiterin von Ex-FIFA-Chef Blatter in Katar um einen Auftrag für die Baufirma ihres Mannes gebuhlt haben. Und auf dem Konto der zehnjährigen Tochter eines FIFA-Funktionärs landeten im Rahmen der katarischen Bewerbung zwei Millionen US-Dollar.
Russland konnte wenig nachgewiesen werden. Zwar werden im Garcia-Report unter anderem Nettigkeiten wie Kreml- und Ballettbesuche aufgeführt, das sei aber nach damaligen FIFA-Standards zulässig gewesen. Russland hatte die Computer, die zur Bewerbung benutzt wurden, nach eigenen Angaben bereits vor dem Beginn von Garcias Untersuchung zerstört.
Keine Ode an die Transparenz
"Es ist ein Sittenbildnis des modernen Fußballs, zumindest, was die FIFA betrifft." So beurteilt der ehemalige FIFA-Medienchef Tognoni den Bericht.
Ob die FIFA den Garcia-Report unter Zugzwang veröffentlicht hat oder sich damit freischwimmen wollte: Es war wohl keine Ode an die Transparenz. Denn um ihr gerecht zu werden, hätte der Fußball-Weltverband den Bericht schon früher freigeben können - zum Beispiel zu Infantinos Amtsantritt vor eineinhalb Jahren.