Sexualisierte Gewalt
Haiti bei der WM - im Schatten von Jean-Bart

Haiti spielt erstmals bei der WM der Frauen mit. In Haitis Verband gab es zuletzt jedoch einen Skandal um organisierte Vergewaltigungen von Spielerinnen. Und der zunächst gesperrte Verbandschef kehrt möglicherweise bald auf seinen Posten zurück.

Von Chaled Nahar |
    Haitis Team bei der WM der Frauen 2023 - um Verbandspräsident Jean-Bart gab es einen Skandal um strukturelle sexualisierte Gewalt in Haitis Verband.
    Haitis Team bei der WM der Frauen 2023 - um Verbandspräsident Jean-Bart gab es einen Skandal um strukturelle sexualisierte Gewalt in Haitis Verband. (IMAGO / Action Plus / IMAGO / Nigel Owen)
    Haitis Frauen spielen derzeit bei der WM in Australien und Neuseeland. Nach dem 0:1 gegen England tritt das Team noch mindestens gegen China (28. Juli) und Dänemark (1. August) an. Das Team hatte sich nach Siegen in den interkontinentalen Playoffs gegen Senegal und Chile Ende Februar qualifiziert. Doch hinter Haitis Fußball der Frauen steht noch eine andere Geschichte.
    Im April 2020 hatte die britische Zeitung Guardian eine Recherche zu Haitis Verbandspräsident Yves Jean-Bart veröffentlicht. Darin wurden Vorwürfe gegen den Verbandschef erhoben: In einem nationalen Trainingszentrum soll Jean-Bart seine Position genutzt haben, um Spielerinnen zum Sex zu zwingen. Jean-Bart bestritt alles.

    FIFA nahm Ermittlungen auf und sperrte Jean-Bart lebenslang

    Rund ein halbes Jahr später urteilte die FIFA-Ethikkammer gegen Jean-Bart und andere Funktionäre im Verband: Jean-Bart - Spitzname "Dadou" - sei "des Missbrauchs seiner Stellung sowie der sexuellen Belästigung und des sexuellen Missbrauchs diverser, teilweise minderjähriger Fußballerinnen" schuldig. Jean-Bart und andere Offizielle des Verbands FHF "sollen zwischen 2014 und 2020 am systematischen sexuellen Missbrauch von Fußballerinnen beteiligt gewesen sein (entweder als Haupttäter, Gehilfen oder Anstifter)", schrieb die FIFA.
    In der Begründung des Urteils stand, dass die Kammer es als erwiesen ansah, dass Jean-Bart und andere Offizielle an der sexualisierten Gewalt beteiligt waren. Die Begründung lieferte schlimme Details. Eine 14-Jährige soll nach einer Vergewaltigung schwanger und im fünften Monat zur Abtreibung gebracht worden sein. Funktionäre im Verband sollen einen Wettbewerb um die "meisten Vergwaltigungen" betrieben haben. All dies habe laut FIFA-Ethikkammer "systematisch" stattgefunden.
    Hilfe für Betroffene von Gewalt im Sport:
    Ansprechstelle "Safe Sport":
    https://www.ansprechstelle-safe-sport.de
    Initiative "Anlauf gegen Gewalt" von Athleten Deutschland e.V.:
    https://www.anlauf-gegen-gewalt.org

    Jean-Bart zog vor den CAS, die Sperre wurde aufgehoben

    Aber Jean-Bart bestritt alle Vorwürfe und sieht sich zu Unrecht bestraft. Er zog vor den internationalen Sportgerichtshof CAS - und der hob im Februar 2023 die Sperre auf, rund eine Woche vor der erfolgreichen Qualifikation des Frauenteams für die WM. Die vorgelegten Beweise seien widersprüchlich oder unzutreffend, teilte der CAS mit.
    Zudem war entscheidend: Berichte von "Drittparteien", wie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und der Gewerkschaft FIFPRO, seien nicht zu berücksichtigen. Doch diese beiden Organisationen lieferten viele wichtige Aussagen und Belege von Zeuginnen für das Urteil der FIFA. Eine Sperre gegen den Verbandsvizepräsidenten Rosnick Grant bestätigte der CAS dagegen.
    Yves Jean-Bart, langjähriger Präsident des haitianischen Fußballverbandes, soll Spielerinnen sexuell missbraucht haben
    Yves Jean-Bart, langjähriger Präsident des haitianischen Fußballverbandes, soll Spielerinnen sexuell missbraucht haben (dpa/picture alliance/AP/Dieu Nalio)

    Kritik an CAS und FIFA

    Die Spielervereinigung FIFPRO zeigte sich vom Vorgehen des CAS "tief enttäuscht". Die befragten Zeuginnen seien bedroht worden, vom CAS sei ihnen keine Anonymität gewährleistet worden. Außerdem zeigte sich die Gewerkschaft in einer Mitteilung verwundert, dass die von ihr vorgelegten Beweise als nicht "ausreichend beweiskräftig" bezeichnet werden.
    Human Rights Watch argumentierte ähnlich und kritisierte auch die FIFA. "In Haiti haben die FIFA und der Fußballsport Yves Jean-Bart enorme Macht verliehen, auch um Sportlerinnen bereits im Kindesalter zu missbrauchen und seine Verbrechen mittels Morddrohungen gegenüber Betroffenen und Familienmitgliedern zu vertuschen", sagte Minky Worden, Direktorin bei Human Rights Watch in einer Mitteilung. Die Entscheidung zeige, dass die FIFA systematisch dabei versagt habe, Strukturen zu schaffen, die eine sichere Meldung von Missbrauch ermöglichen.

    Jean-Bart bald zurück im Präsidentenamt?

    Der Mann, um den sich der Fall im Wesentlichen dreht, könnte bald in sein Amt zurückkehren. Die FIFA hatte beim Schweizer Bundesgericht Einspruch gegen die CAS-Entscheidung eingelegt, was jedoch abgewiesen wurde. Jean-Bart war im Februar 2020 für vier Jahre wiedergewählt worden. Seit Bekanntwerden des Skandals war Haitis Verband von einem "Normalisierungskomitee" der FIFA geführt worden, Jean-Bart kündigte an, seinen Posten wieder einzunehmen.
    Ganz am Ende ist der Fall juristisch jedoch nicht. In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince entschied ein Berufungsgericht, das Jean-Bart demnächst persönlich vor Gericht für eine Befragung erscheinen muss. Jean-Bart kündigte an, rechtlich gegen die Veröffentlichung des Guardian vorzugehen.

    Redaktionell empfohlener externer Inhalt

    Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.