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Nachwuchsförderung im Fußball
"Müssen von Frankreich lernen"

Während die deutsche Nationalmannschaft in Katar gegen das Vorrunden-Aus kämpft, ist Frankreich bereits für die K.o.-Phase qualifiziert. Beide Länder unterscheiden sich in der Nachwuchsförderung, sagt Taktik-Experte Tobias Escher. Vor allem inhaltlich könne sich Deutschland einiges abschauen.

Tobias Escher im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
Kinder beim Fußballtraining
Kinder beim Fußballtraining (imago stock&people)
4:1 gegen Australien, 2:1 gegen Dänemark: Frankreich ist mit zwei Siegen in die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gestartet und bereits sicher für die K.o.-Runde qualifiziert. Der noch amtierende Weltmeister ist sportlich also voll auf Kurs. Die deutsche Mannschaft kämpft dagegen gegen das zweite Vorrunden-Aus in Folge.
Ein Grund für den anhaltenden Erfolg der Franzosen ist auch das Nachwuchsfördersystem. "Die Franzosen haben ein sehr viel zentralistischeres System", sagte der Taktik-Experte Tobias Escher im Deutschlandfunk. "Deutschland hat ein sehr viel föderalistisches System, also der DFB mit seinen vielen Landesverbänden. Da kocht jeder sein eigenes Süppchhen. Und in Frankreich ist die Talentausbildung sehr viel stärker darauf ausgerichtet, für den Profifußball Talente hervorzubringen. Und in Deutschland spielen da noch viele andere Interessen mit, Vereinsfußball, Basis. Interessen, die auch wichtig sind, aber im französischen Fußball nicht so hoch gewichtet werden."

"Unterschiedliche Anreize" in Nachwuchsförderung

In Frankreich leite der Verband selbst 16 Akademien, in denen die besten Spieler miteinander trainieren, so Escher. "In Deutschland gibt es so etwas nicht. Da sind die Vereine viel stärker in der Pflicht. Da gibt es in Deutschland fast 400 Stützpunkte. Da geht es eher darum, möglichst viele Talente zu fördern und nicht darum, die besten Talente zu fördern. Das sind unterschiedliche Anreize, die da gesetzt werden."
In Frankreich seien die Talente vor allem im Alter zwischen 13 und 15 in den Akademien, so Escher. "Da geht man davon aus, da kann man am besten lernen. In Frankreich sind auch noch so kleinere Faktoren, auf die sehr viel mehr Wert gelegt wird. Wenn ein Jugendlicher in eine Akademie eintritt, wird erst einmal sein Handgelenk geröntgt, um neben seinem biologischen Alter auch noch eine körperliche Reife festzustellen. Und dann kann es auch mal passieren, dass ein jüngerer Spieler mit Älteren trainiert, oder ein älterer Spieler mit Jüngeren."

Taktische Inhalte in Frankreich später auf dem Lehrplan

Escher findet: "In gewissen Maßen müssen wir von Frankreich lernen. Vor allen Dingen, was die Inhalte angeht. Im Training in Frankreich stehen zum Beispiel tiefergehende, taktische Inhalte sehr viel später auf dem Lehrplan, aber dafür sehr intensiver. Da geht es sehr stark auch um Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins. Wenn die Jugendlichen in die Akademien kommen, werden ein Jahr lang erst einmal nur Eins-gegen-Eins-Situationen trainiert. Das sieht man auch in Frankreich, denn sie haben viele körperlich starke Verteidiger, aber auch sehr viele gute Dribbler, die sich immer im Eins-gegen-Eins durchsetzen können."
Die Frage sei letztlich, "was man erreichen möchte mit dem System. Das französische System ist in dem Maße ehrlicher, als dass es sagt, wir haben keinen großen gesellschaftlichen Auftrag, den wir verfolgen, sondern wir produzieren Talente für unsere Nationalmannschaft."