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Nach Abstieg in 2. Bundesliga
Personal von Hertha BSC wehrt sich gegen Kündigungen

Bei Hertha BSC gibt es seit dem feststehenden Sturz in die Zweitklassigkeit eine Kündigungswelle. Das wollen Teile des Personals nicht hinnehmen, Verdi hilft. Der Hertha-Geschäftsführer steht einer Betriebsrat-Gründung grundsätzlich offen gegenüber.

Von Sebastian Engelbrecht |
Auf einer Eckfahne prangt das Logo des Berliner Fußballvereins Hertha BSC, der im Mai 2023 in die 2. Bundesliga abgestiegen ist.
Bundesliga-Absteiger Hertha BSC hat keinen Betriebsrat. Dieser könnte bald aber gegründet werden. Dann wären Kündigungen für den Berliner Fußballclub deutlich schwieriger auszusprechen. (IMAGO / Matthias Koch / IMAGO / Sebastian Räppold / Matthias Koch)
Die Profis von Hertha BSC bereiten sich im Trainingslager im österreichischen Zell am See auf die kommende Saison in der 2. Bundesliga vor. Zugleich herrscht in der Berliner Geschäftsstelle neben dem Olympiastadion schlechte Stimmung. 200 Mitarbeiter hatte Hertha BSC in der vergangenen Saison – neben dem Kader aus Fußballspielern. Schon seit Wochen entlässt der Verein Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil er sie sich künftig nicht mehr leisten kann.

Kündigungen für Hertha-Geschäftsführer wirtschaftlich alternativlos

Geschäftsführer Thomas Herrich rechnet vor, dass sich die Einnahmen in Liga zwei um 40 bis 50 Prozent verringern: „Wir haben’s immer versucht, so minimal wie möglich zu halten, weil jeder einzelne, jeder Mitarbeitende – ist schon hart und bitter. Und deshalb haben wir versucht – es hilft dem Einzelnen ja nicht –, aber wir mussten in jeglichen Bereichen reduzieren, sowohl im Sachkosten- als auch im Personalkostenaufwand. 25, 30 Prozent mussten wir schon entsprechend reduzieren.“
Nur mit Mühe hat Hertha die finanziellen Vorgaben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) erfüllt, um eine Lizenz für die 2. Liga zu erhalten. Jetzt beschäftigt der Club den Logistikunternehmer Wolfram Simon-Schröter als Sanierer, um sich finanziell zu konsolidieren. Mindestens 13 Spieler verlassen den Verein – und etwa 50 bis 60 Mitarbeiter in der Geschäftsstelle müssen gehen. Nicht alle werden gekündigt. Bei manchen laufen die Arbeitsverträge aus, andere befanden sich noch in der Probezeit.
Thomas Herrich (r.), Geschäftsführer des Berliner Fußballvereins Hertha BSC, steht an der Seite von Cheftrainer Pal Dardai.
Die Vorbereitung auf die kommende Saison in der 2. Fußball-Bundesliga genießt bei Hertha BSC höchste Priorität. Doch Geschäftsführer Thomas Herrich (r.) muss interne Auseinandersetzungen mit dem Personal moderieren. (IMAGO / Eibner / IMAGO / Uwe Koch / Eibner-Pressefoto)
„Das ist bitter, aber leider unumgänglich", sagt Herrich. "Ich hab's ja schon gesagt, dass wir ein Sanierungsfall sind und dass wir uns wirtschaftlich konsolidieren und restrukturieren müssen. Und das geht natürlich nur, indem man die Kosten entsprechend reduziert, vor allen Dingen natürlich im Kader, im Spielerkader, da ist der Hebel natürlich am größten bei so einem Abstieg.“

Verdi-Sekretär stellt "Klima der Angst" fest

In Sorge um ihre Arbeitsplätze wandten sich einige Hertha-Mitarbeiter an die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie wollen sich gegen Kündigungen wehren. Bei Verdi ist der Gewerkschaftssekretär Hikmat El-Hammouri für sie zuständig, er berät auch Kultur- und Veranstaltungsbetriebe. El-Hammouri will die Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsstelle bei der Gründung eines Betriebsrates beraten.
„In diesen Gesprächen wurde deutlich, dass bei einigen ein Klima der Angst festzustellen war, dass sie sich nicht trauen, offen zu kandidieren – zum Beispiel für den Wahlvorstand und dass es da zumindest Bedenken gab, was passiert“, erklärt El-Hammouri.

Betriebsrat als wichtige Instanz bei Kündigungen

Jüngst hat Verdi die Hertha-Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung in seine Bundeszentrale in Berlin eingeladen. 85 Personen erschienen. „Verdi hatte die Kolleginnen und Kollegen, die bei Hertha BSC beschäftigt sind, zu einer allerersten Wahlversammlung eingeladen, um die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu bestimmen und zu wählen, die die Betriebsratswahl organisieren.“
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählten zwei Kolleginnen in den Wahlvorstand, ein dritter erreichte nicht die erforderliche Mehrheit. Deshalb muss nun das zuständige Amtsgericht die dritte Person bestimmen. Das kann dauern. Erst wenn der Wahlvorstand komplett ist, können die Mitarbeiter im zweiten Schritt den künftigen Betriebsrat selbst wählen. Gewerkschaftssekretär El-Hammouri weiß, was dann auf die Geschäftsleitung von Hertha BSC zukommt: Bei Kündigungen muss der Betriebsrat angehört werden.

Verdi betont "gewisse Regeln" für Hertha-Geschäftsführung

„Es gibt dann auch gewisse Regeln einzuhalten für die Geschäftsführung und für den Arbeitgeber, und es gibt bestimmte Schutzgesetze wie zum Beispiel ein ordentlicher Sozialplan nach Gesetz, die dann einzuhalten sind und die bisher ohne Betriebsrat, in einer betriebsratslosen Zeit, so nicht umzusetzen sind“, erklärt der Verdi-Gewerkschaftssekretär.
Der Profifußball ist aber für eine Betriebsrats-Gründung keine einfache Branche. Bisher gibt es in der 1. und 2. Bundesliga nur sechs Vereine, die einen Betriebsrat haben. Und auch bei Hertha ist unklar, ob die Gründung erfolgreich sein wird.

Leitungspersonen machten Stimmung gegen Betriebsrat-Gründung

Auf der ersten Mitarbeiterversammlung machte ein Teil der Belegschaft, vor allem leitende Angestellte, Stimmung gegen einen Betriebsrat. Das Gremium koste den Verein mehrere hunderttausend Euro, was zu weiteren Entlassungen führen werde.
Aus der Sicht von Verdi ist es „unverantwortlich“, solche Gerüchte in die Welt zu setzen. Aber auch wegen dieser Dissonanzen um die Kosten für das Gremium ist es nicht einmal gelungen, einen Wahlvorstand aufzustellen.

Hertha-Geschäftsführer Herrlich zeigt sich offen für Betriebsrat

Geschäftsführer Herrich steht der Gründung eines Betriebsrats grundsätzlich offen gegenüber: „Das ist ein verfassungsrechtlicher Vorgang oder Recht auch der Mitarbeitenden, und das ist ein verfassungsrechtliches Grundrecht, dass sich die Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Vereinigungsfreiheit auch mit der Bildung von so einem Betriebsrat befassen und auch Optionen prüfen.“
Andere Möglichkeiten wären aus der Sicht des Berliner Fußballvereins ein „Personalausschuss“ oder andere „Formate für Führungskräfte und Mitarbeitende“, wie der Verein auf Nachfrage mitteilte. Bis die Frage entschieden ist, kann es noch Wochen dauern. Dann wird Hertha längst im Spielbetrieb der Zweiten Liga angekommen sein.