Ein kleines Camp in der Bekaa-Ebene, der Grenzlandschaft zwischen Libanon und Syrien. Etwa 1.200 provisorische Siedlungen von Geflüchteten sind hier. Größere mit Tausenden Menschen und kleinere. Neun Familien aus Homs leben in diesem Settlement, 35 Personen, die Mehrzahl Kinder. Die Jungs kicken auf dem staubigen Boden zwischen den Zelten.
"Ja, ich liebe Fußball, wir spielen das hier, mit Mohammed, Khaled, und Husein.", sagt einer der Jungs. Viel Platz zum Spielen haben sie nicht zwischen den Zelten, die aus Plastikplanen mit der Aufschrift UNHCR gebaut sind. Immerhin haben sie einen Ball.
Besser haben es die Kids getroffen, die näher am Hauptort Bar Elias untergekommen sind. Denn hier ist der Nasser Club Bar Elias beheimatet, ein Zweitliga-Klub mit starkem sozialen Engagement. Einige Jungs haben ihre Tore direkt vor dem Klubhaus abgesteckt. Andere sind auf dem Kleinfeld, auf dem gerade das Flutlicht angeht. Für sie gibt es sogar eine Hausaufgabenbetreuung, erfahren wir.
"Dieser Klub heißt jeden willkommen. Niemand ist ausgeschlossen, keine Nationalität, keine Religion. Wir haben Palästinenser, wir haben Syrer im Klub, denn wir haben hier ein Bildungsprogramm, ein soziales Programm und sind auch ein Sportklub. Seit 1970 gibt es uns.", erzählt Roudaina Hoshaimi, Assistentin des Klub-Präsidenten Fayez Salloum.
Ein frühes "Wir schaffen das!"
Der Nasser Club steht für beeindruckende Aktivitäten. Er kämpft gegen das Müllproblem und die Verschmutzung des Litani-Flusses an, organisiert regelmäßige Aufräumaktionen in der Stadt. Er entwickelte Bildungsprogramme und schaffte es, die erste Oberschule in diesem Ort für 50.000 Libanesen und etwa 15.000 Palästinenser anzusiedeln. Die bislang größte Herausforderung aber stellte sich 2011, als viele Syrer in den Ort unmittelbar hinter der Grenze kamen.
"Zuerst kamen die Flüchtlinge hier her, in die Bekaa-Ebene, besonders nach Bar Elias. Es ist ganz nah an der Grenze. Am Anfang akzeptierten viele Libanesen in anderen Landesteilen die Flüchtlinge nicht. Aber hier öffneten alle Menschen ihre Häuser. Aus einer islamischen Perspektive haben wir die Leute hier willkommen geheißen. Aber es war nicht nur islamisch, es war einfach eine menschliche Perspektive", erinnert sich Hoshaimi.
Ein frühes "Wir schaffen das!" also, ein paar Jahre, bevor Deutschland die Grenzen öffnete, und auch für wesentlich mehr Menschen. Die etwa 150.000 Geflüchteten aus Syrien, die im und um den Ort leben, haben die Einwohnerschaft vervierfacht. Anfangs brach sogar das Mobilfunknetz zusammen, weil es nicht für so viele Teilnehmer ausgelegt war.
Mitglieder des Nasser Clubs organisierten die Verteilung von Lebensmitteln und Kleidung. Sie waren da, als viele Hilfsorganisationen noch gar nicht hier an der Grenze tätig waren. Später stellten sie den NGOs ihre Räumlichkeiten als Büro, Lager und Verteidungsstelle zur Verfügung. Der Klub hat, als einer der ersten im Land, auch einen syrischen Profi in seinem Männerkader: Mohamed Nasr. Er ist Leistungsträger hier, der beste Spieler neben Thierry Baye, dem Torjäder aus der Elfenbeinküste.
Syrien ist nicht mehr sein Land
"Er ist ein guter Spieler, ein sehr guter. Er ist echter Kämpfer", lobt Baye seinen Mitstreiter aus Syrien. Mohamed Nasr hat hier vor allem sportliche Ziele: "Wir wollen in die erste Liga aufsteigen. Und so Gott will werden wir mit guter Arbeit auch das beste Team hier in der Bekaa-Ebene."
Bei der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in seiner Heimat ist er skeptischer. Er spielte einst in der U21-Auswahl seines Landes. Er hätte vom Alter her auch an der nur knapp gescheiterten WM-Qualifikation für Russland teilnehmen können. Aber das Land, dessen Mannschaft von der FIFA zugelassen ist, ist nicht mehr sein Land.
Traum von der 1. Liga
"Ich hoffe, eines Tages nach Syrien zurückzukommen. Aber unter den gegenwärtigen Umständen geht das nicht. Mein Vater und mein Bruder werden vermisst, seit sie im Gefängnis verschwunden sind." Daher lebt und kickt Mohamed Nasr weiter im Libanon, in Sichtweite die Bergkette, die schon zu Syrien gehört.
Er träumt von der ersten Liga. Und sein Trainer Zain Trad hat noch einen anderen Traum: "Aufzusteigen und dann oben zu bleiben ist nicht einfach. Wir brauchen ein gutes Trainerteam aus dem Ausland. Wir brauchen auch bessere Spieler, libanesische Spieler wie aus dem Ausland. Und wenn wir mal gegen ein ausländisches Team spielen könnten, ein deutsches Team, es muss ja nicht gleich die Bundesliga sein, zweite oder dritte Liga wären ja auch gut, dann würde uns das sehr helfen."
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