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Fußball in Russland
Rostow gegen Sotschi: Jugend forscht

Die Coronakrise treibt im russischen Sport seltsame Blüten: Weil das gesamte Team von Champions-League-Aspirant FK Rostow in Quarantäne geschickt wurde, musste gegen Sotschi die Nachwuchself ran. Das Ergebnis ist eindeutig und zeigt, wie viel Politik im russischen Sport im Spiel ist.

Von Raphael Späth und Arne Lichtenberg |
    Der russische Fußball-Erstligist FK Rostow hat beim Restart der Meisterschaft mit seinem Nachwuchsteam 1:10 gegen den FK Sotschi verloren.
    Der russische Fußball-Erstligist FK Rostow hat beim Restart der Meisterschaft mit seinem Nachwuchsteam 1:10 gegen den FK Sotschi verloren. (dpa / picture alliance / Dmitry Feoktistov)
    Der Restart in die russische Premier Liga hat sich am Freitagabend zu einem handfesten Skandal entwickelt. Champions-League-Anwärter FK Rostow verlor den Auftakt bei Abstiegskandidat PFC Sotschi mit 1:10. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Wie in der Bundesliga gibt es auch in Russland ein strenges Hygienekonzept. Wird ein Spieler positiv getestet, muss die ganze Mannschaft in Quarantäne.
    Nach sechs positiven Corona-Tests unter der Woche war das gesamte Rostow-Team samt Trainer- und Betreuerstab in eine zweiwöchige Quarantäne geschickt worden. Wie der russische Journalist Slava Malamud via Twitter berichtet, habe Rostow daraufhin den Gegner aus Sotschi darum gebeten, das Spiel zu verlegen.
    10:1 Tore, 45:2 Torschüsse
    Sotschi, das pikanterweise auch noch als Farmteam des Tabellenführers und Rostov-Rivalen Zenit St. Petersburg gilt, lehnte ab. Die Liga-Führung ließ dies einfach geschehen, sagte das Spiel nicht ab. Nach einigen Überlegungen entschied Rostow sein Nachwuchsteam antreten zu lassen.

    So liefen am Freitagabend für Rostow 16- bis 19-jährige Jugendspieler auf, die erst drei Tage zuvor davon erfahren – und zudem aufgrund der Corona-Maßnahmen seit März nicht mehr trainiert hatten.

    Am Ende siegte Sotschi erwartungsgemäß mit 10:1. Herausragend war dabei der 17-jährige Rostow-Keeper Denis Popov, der Schlimmerers verhinderte. Er wehrte 15 Torschüsse ab, damit sicherte er sich den Rekord für die meisten Paraden in einem Spiel der russischen Liga. Dazu hielt er noch einen Elfmeter und wurde zum "Man of the Match" gewählt.


    Die Politik hat ihre Finger im Spiel
    Der Fall zeigt noch einmal eindrücklich, welch großen Einfluss die Politik in Russland auf das Fußballgeschehen hat. Zenit St.Petersburg ist der Lieblingsklub des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der vom staatlichen Energieriesen Gazprom kontrolliert wird und viele von Putins Vertrauten haben seit dem Einstieg von Gazprom bei St. Petersburg die Zügel in der Hand. Der FC Sotschi, der offiziell als Farmteam von St. Petersburg installiert worden ist, ist dafür verantwortlich, junge Spieler auszubilden, die dann später zu Zenit wechseln sollen.
    Da Zenit St. Petersburg aktuell Tabellenführer in der russischen Liga ist, lässt sich darauf schließen, dass die Petersburger offensichtlich den Konkurrenten aus Rostow im Rennen um die Meisterschaft und die Champions League aus dem Weg räumen wollten.
    Zwar hatte der russische Fußballverband eine Verschiebung auf den 19. Juli vorgeschlagen, dafür hätten aber beide Vereine zustimmen müssen. Generell ist auch der russische Fußball-Verband nicht frei von politischen Einflüssen. So ist der aktuelle Präsident Alexander Djukow in der Vergangenheit auch schon Präsident von Zenit St. Petersburg und sitzt dazu auch im Vorstand bei Gazprom. Auch bei ihm dürfte feststehen: Ein Mann des Systems.