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Fußball in Weißrussland
Spiele mit Ansteckungsgefahr

Während überall in Europa der Fußball wegen der Coronakrise pausiert, wird in der ersten Fußballliga in Weißrussland weitergespielt. Präsident Alexander Lukaschenko sieht keinen Grund das zu ändern. Viele Weißrussen sind zunehmend verstört.

Von Olga Sviridenko |
Das Bild zeigt die Ränge im Stadion von Dinamo Minsk - dort stehen beim Meisterschaftsspiel gegen Torpedo Schodsina nur wenige Fans.
Beim Meisterschaftsspiel Dinamo Minsk gegen Torpedo Schodsina waren die Ränge im Stadion alles andere als gefüllt (imago images / ITAR-TASS)
Stadionatmosphäre. Am Freitagabend in Minsk. Während in ganz Europa der Sport pausiert, rollt in Weißrusslands höchster Fußballliga unbeeindruckt der Ball.
Traditionsclub Dinamo Minsk trifft auf Torpedo Schodsina. Trotz Pandemie. Und auch Fans sind gekommen. Aber dennoch bleiben viele Ränge leer. Gerade mal 400 sind im Stadion, wo sonst gut 5000 die Spiele verfolgen.
Und die, die da sind, haben gemischte Gefühle: "Natürlich hätte man die Spiele auch abbrechen können, aber das muss die Regierung entscheiden", sagt eine Frau. "Unsere Jungs können sich jetzt zeigen, die ganze Welt schaut zu. Es ist eine gute Chance", meint ein Mann.
Fußballübertragungen wurden in mehrere Länder verkauft
Tatsächlich erlebt der weißrussische Fußball seit einigen Wochen eine nie geahnte Blütezeit. Zwölf Länder, darunter Indien, Israel und Russland, haben die Rechte an der Übertragung für die Top-Liga gekauft. Die Wetteinsätze sind nach oben gegangen und Fanclubs gibt es sogar schon in Australien.
Der Pressesprecher des weißrussischen Fußballverbands, Alexander Aleinik, erklärt: "Wir wissen in welcher Situation gerade die ganze Welt ist und es ist gut, dass unser Fußball gerade so viel Aufmerksamkeit bekommt, aber wir sehen die Situation nicht aus kommerzieller Sicht."
Die Gefahr der Pandemie habe man unter Kontrolle: "Wir stehen im engen Austausch mit dem Gesundheitsamt und dem Sportministerium und momentan machen wir erstmal weiter."
Präsident Lukaschenko spielt die Corona-Gefahr herunter
Offiziell spricht man in Weißrussland von 351 Infizierten und vier Toten. Doch diesen Zahlen sei nicht zu trauen, sagt der Oppositionspolitiker Anatol Lebedska, der im engen Austausch mit Ärzten im ganzen Land steht: "Ende März gab es in einer Region allein 1200 Infizierte. Das passt natürlich überhaupt nicht mit dem zusammen, was die offiziellen Beamten aus dem Gesundheitsamt sagen. Aber den Ärzten wurde verboten, jegliche Information weiterzugeben."
Weißrussische Realität. Das Land wird seit 25 Jahren von Präsident Alexander Lukaschenko regiert. Er gilt als letzter Diktator Europas. Nicht zuletzt, weil er hart gegen Oppositionelle und Andersdenkende vorgeht. Kritiker seines Regimes landen oft im Gefängnis. Es gibt immer noch die Todesstrafe.
Das Corona-Virus bezeichnet Lukaschenko als "Psychose des Westens", er spielt die Gefahr immer wieder herunter und empfiehlt zweifelhafte Rezepte gegen die Pandemie: "Mit Wodka solltet ihr nicht nur die Hände waschen, sondern ihr solltet auch 40 bis 50 Milliliter pro Tag trinken. Reinen Spiritus. Aber nicht bei der Arbeit."
Viele Weißrussen trauen dem Vorgehen des Präsidenten nicht mehr
Im Land lässt Lukaschenko das öffentliche Leben weitgehend so weiterlaufen wie vor dem Virus. Cafés, Geschäfte und Restaurants haben geöffnet - es gibt keine strikten Maßnahmen wie im Rest Europas.
Dementsprechend besorgt zeigen sich viele Weißrussen: "Wenn man zumindest die Massen- und Sportveranstaltungen, den Fussball, absagen würde, dann wird es vielleicht noch. Aber wenn alles so weiter geht wie jetzt, kann ich mir kaum vorstellen, was noch passieren wird", erzählt ein Passant auf der Straße.
Einige tragen Masken, viele Weißrussen schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule. Das Vorgehen des Präsidenten verstört immer mehr Bürger.
Vladislav Klimovich, Spieler von Dinamo Minsk, in einem Meisterschaftsspiel seiner Mannschaft.
Dinamo Minsks Spieler Vladislav Klimovich bereitet die Corona-Ansteckungsgefahr Sorgen (imago images / ITAR-TASS)
Am Sport zeigt sich seine ignorante Einstellung zum Virus besonders deutlich. Doch den Trainern und Sportlern bleibt in einem autoritären Land wie Weißrussland nichts anderes, als zu gehorchen.
Dinamo-Trainer: Was bleibt uns anderes übrig?
"Wir werden das machen, was man uns sagt. Wir sind doch Sportler - wenn alle weiterspielen - können wir ja nicht boykottieren. Was bleibt uns andres übrig?" sagte der Trainer von Dinamo Minsk, Sergey Gurenko, bei der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Torpedo Schodsina.
Sein Spieler Vladislav Klimovich sprach mit Sorge über eine mögliche Ansteckungsgefahr: "Wir machen das was die Führung uns sagt - wenn sie sagen, wir müssen spielen, dann spielen wir. Aber natürlich haben wir auch Angst um unsere Familien, deshalb versuchen wir alle Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten und ich hoffe, dass andere die Hygienevorschriften einhalten, obwohl es ja keine Garantie gibt und man sich trotzdem anstecken kann. Vermutlich wäre es besser, die Meisterschaft erstmal zu unterbrechen und diese Krise gemeinsam mit der ganzen Welt zu bewältigen, auch in Weißrussland".
Die Europäische Fußballunion UEFA teilte auf Anfrage mit, dass die Entscheidung ausschließlich beim nationalen Verband liege. Die Frage ist also, wie lange Weißrusslands Präsident Lukaschenko diesen Sonderweg noch bestreiten kann.