Als Claudemir Jerônimo Barreto vor vielen Jahren nach München kam, konnte er kein einziges Wort Deutsch. Der Brasilianer – besser bekannt als Cacau – spielte zunächst bei einem türkischen Landesligisten. Der Trainer sprach türkisch, ein Mitspieler übersetzte ins Deutsche. "Ich habe beides nicht verstanden. Da ist mir klar geworden, wie wichtig die Sprache ist."
Cacau, der 2009 die deutsche Staatsbürgerschaft annahm, wurde Fußballprofi und sogar deutscher Nationalspieler. Heute nennt er Deutschland seine Heimat. "Für mich damals als Brasilianer, war es selbstverständlich, dass ich mich hier anpassen möchte, dass ich diese Kultur annehme. Das ist bei den anderen nicht selbstverständlich. Da möchte ich Menschen zuhören."
Grindel: "Cacau ein Glücksfall für den DFB"
Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und den Fußball als erstes Auffangbecken nutzen. Cacau, der seine Fußballkarriere inzwischen beendet hat, widmet sich ab sofort als Integrationsbeauftragter des DFB solchen Aufgaben. Ein Glücksfall für den deutschen Fußball, findet DFB-Präsident Reinhard Grindel, der das Thema Integration als Zukunftsfrage des Verbandes schlechthin sieht: "Wenn es uns nicht gelingen würde, aus dem Kreis dieser Familien, aus dem die Kinder und Jugendlichen kommen, diese in unsere Vereine zu integrieren, dann hätte der Fußball, dann hätte der DFB und seine Mannschaften keine gute Zukunft."
Doch wo steht der Fußball, wo stehen die kleinen Vereine an der Basis aktuell auf diesem langen Weg? Der DFB engagiert sich in Arbeitsgruppen und Kommissionen, gibt Vereinen hilfreiche Broschüren an die Hand und hat Projekte ausgerufen, die mal gut, aber auch mal nicht so gut laufen.
Keine langfristige Bindung an einen Verein
Zum Beispiel beim Kreisligisten SV Rot-Weiß Kriegsdorf aus NRW. Dessen Vorsitzender Thomas Over berichtet von dem großen Engagement seines Vereins, der in Troisdorf zwischen mehreren Übergangswohnheimen für Flüchtlinge liegt:
"Wir sind in die Flüchtlingsheime reingegangen und haben auch über die Stadtverwaltung – weil wir da einen Betreuer haben, der auch bei uns im Verein tätig ist – versucht, die Leute heranzuholen. Wir haben die ausgestattet mit Trainingssachen, mit Fußballschuhen, mit Turnschuhen."
Das war 2015. Aktuell ist aber kein einziger Flüchtling mehr im Verein. Das hatte mehrere Gründe. "Erstmal kein nachhaltiges Interesse am Fußball im Verein, dann Verlegung von Wohnorten, die dann eben dazu geführt haben, dass die Spieler einfach nicht mehr zur Verfügung stehen." Strukturelle und auch bürokratische Probleme verhinderten auch bei anderen Vereinen in der Umgebung eine langfristige Bindung.
Weltpolitische Konflikte lösen sich nicht auf dem Platz
Es gibt aber noch andere Schwierigkeiten, erklärt Sportsoziologe Professor Gunter A. Pilz: "Das klappt nicht an der Basis, weil gerade kleine Vereine schon ziemlich stark gefordert sind, das ganz normale Fußballgeschäft über die Runden zu bringen. Es fehlt an ehrenamtlichen Mitgliedern, es fehlt an qualifizierten Mitgliedern. Und wenn sich dann quasi weltpolitische Konflikte auf dem Fußballplatz äußern, dann sind solche Vereine hoffnungslos überfordert."
Vor allem wenn Menschen aus unterschiedlichen, im Krieg vielleicht sogar verfeindeten Völkergruppen plötzlich im Fußballverein aufeinandertreffen, seien Konflikte programmiert, warnt Professor Pilz, der den DFB in diesen Fragen berät.
"Fußball kann sicher viel unterstützen und viel machen, aber ein Allheilmittel kann er nicht sein. Der Fußball ist in vielen Fällen, auch was Gewalt angeht, nicht Verursacher, sondern Opfer oder das Spielfeld, auf dem sich dann gesellschaftliche, soziale, ethnische Konflikte austragen. Insofern ist das ein zweischneidiges Schwert."
Fußballverein als erste Heimat
Für die Vereine sei es also wichtig zu wissen, wo ihre Grenzen sind und an wen sie sich wenden können, um Unterstützung zu bekommen. An diesen Fragen arbeitet Björn Fecker, Vorsitzender der DFB-Kommission Gesellschaftliche Verantwortung:
"Wie überwinde ich eigentlich die Sprachbarrieren und auch – wie gehe ich mit traumatisierten Jugendlichen um? Denn unsere Übungsleiter, die wir vor Ort haben, sind alles, aber bestimmt ganz wenig ausgebildet in diesem Bereich. Das ist eine Herausforderung, da möchten wir in kleinen Schritten gerne helfen."
An die Basis gehen und mit den Menschen dort reden – das hat sich Cacau vorgenommen. Er will wissen, was besser laufen muss, damit Migranten in deutschen Fußballvereinen eine Art erste neue Heimat finden können. "Ich möchte nicht nur Repräsentant sein, nicht nur ein Gesicht. Ich möchte wirklich in das Thema eintauchen. Ich habe für mich festgestellt, dass es nicht den einen Weg gibt, diese eine tolle Idee, die alles löst. Aber ich denke, wenn man verinnerlicht, dass Integration bei einem selbst beginnt, hat man viel dazu beigetragen."