Dass es ein besonderer Tag für ihn war, war nicht zu übersehen: Direkt nachdem er mit Real Madrid die Champions League gewonnen hatte, strahlte Fußballer Toni Kroos am Spielfeldrand in die Kamera und berichtete, dass alle seine Kinder mit im Stadion gewesen seien: „Das ist nicht zu beschreiben, wie schön das ist.“
Kroos schimpfte über "Scheißfragen"
Für die Fragen, die ihm ZDF-Sportreporter Nils Kaben zum Spielverlauf stellen wollte, hatte er dann aber nur noch wenig Geduld: „Du hattest 90 Minuten Zeit, dir vernünftige Fragen zu überlegen, ehrlich“, schimpfte Kroos und brach das Interview mit Verweis auf die „Scheißfragen“ ab.
Positivere Fragen hatte Kroos sich von Kaben gewünscht – das Nachhaken zu den Schwierigkeiten Real Madrids im Spiel empfand er wohl als zu kritisch. Von Fans bekam er dafür viel Zuspruch. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann hingegen verteidigte seinen Reporter: Er hätte vielleicht noch etwas länger bei den Emotionen bleiben können, aber die Fragen seien grundsätzlich berechtigt gewesen, betonte er.
Die Innenansicht von Toni Kroos, der gerade mit seinem Team die Champions League gewonnen hatte, sei vermutlich eine ganz andere gewesen, als die des Publikums vor dem Fernseher, erklärte Jessica Sturmberg aus der Dlf-Sportredaktion. Denn im Spiel habe der FC Liverpool viele Chancen gehabt, ohne den Ball ins Tor zu bekommen, während Real Madrid aus wenigen Chancen das Siegtor herausgeholt habe – und genau das habe Kaben im Interview herausarbeiten wollen.
Missverständnis zwischen Sport und Journalismus
„Toni Kroos war in dem Moment einfach überhaupt noch nicht offen für analytische Fragen und das war das Problem mit diesem Interview“, sagte die Sportjournalistin. Er habe die Erwartungshaltung gehabt, dass sein positives Gefühl über den Reporter weitergetragen werde – und das habe Kaben mit seinen ersten beiden Fragen auch gemacht. Aber die Chemie zwischen den beiden habe wohl nicht gestimmt.
Dahinter stecke ein Missverständnis des Verhältnisses von Sport und Journalismus, kommentierte „Spiegel“-Sportredakteur Peter Ahrens den Vorfall: In der Politikberichterstattung würde es zu Recht Befremden auslösen, wenn ein Kommentator dem Wahlsieger überschwänglich gratuliere oder beglückwünsche.
Ähnlich argumentierte David Digili bei t-online: Die immer gleichen Fragen wirkten manchmal zwar uninspiriert, seien aber Bestandteil gewissenhafter journalistischer Arbeit, deren oberste Gebote Distanz und Neutralität seien.
Spieler sind zu Interviews nach Abpfiff nicht verpflichtet
In den meisten Fragen in den Interviews direkt nach Abpfiff ginge es darum zu erfahren, wie sich der Sportler oder die Sportlerin fühle, sagte Sturmberg: „Der Erkenntnisgewinn ist selten groß. Wir haben eher Anteil an einer Stimmung – und die Frage ist, ob wir das wirklich wollen.“
Die Interviews seien vor allem bei den Medienpartnern gerne gesehen, die Emotionen transportieren wollten, und für die Sportler wichtig, um Reichweite zu erzielen - verpflichtet seien die Spieler dazu aber nicht: „Toni Kroos hätte auch einfach sagen können, mir ist im Moment noch nicht danach.“