Erfurt liegt in der Mitte Deutschlands, damit wirbt die Stadt gerne. Dank verschiedener Autobahnkreuze und ihrer ICE-Anbindung ist die Thüringer Landeshauptstadt gut erreichbar. Das könnte ein Grund sein, warum das rechtsgerichtete Hooligan-Bündnis gemeinsam stark Deutschland morgen in Erfurt aufmarschiert. Denn Unterstützer sollen aus ganz Deutschland anreisen. Es könnte aber auch sein, dass man in Erfurt auf die Mobilisierung der Szene vor Ort hofft. Denn in Thüringen gibt es durchaus Kontakt zwischen organisierten Rechtsextremisten und Hooligans.
Stefan Heerdegen von der mobilen Beratung für Demokratie gegen Rechtsextremismus beobachtet die Gemengelage schon seit langem: "Wir haben in Thüringen nirgends eine echte Trennschärfe. Leute die wir nur in einer Kategorie verorten können, die müssten wir absolut suchen. Es ist in Thüringen also andersrum eher Standard, dass wir eine ganz große Vermischung haben. Und die ist dann individuell, die einen haben dann eine gewisse Nähe zur Hooligan-Szene, oder kommen da ursprünglich her oder sind später politisiert worden. Wir haben genauso wenig eine klare Abgrenzung zwischen NPD und freien Kameradschaften. Das ist alles frei flutend, die Leute bewegen sich mal in den einen, mal in den anderen Kreisen – das ist Thüringer Alltag."
Innenministerium: Allein 165 Hooligans in Thüringen, 10 Prozent in rechtsextremer Szene
Und vielleicht eine gute Voraussetzung für eine Demo wie die der Hooligans. Das Thüringer Innenministerium hat sich erst kürzlich zu Rechtsextremismus bei Hooligans geäußert. Demnach gibt es 165 Hooligans in Thüringen, von denen zehn Prozent auch in der rechtsextremen Szene aktiv sind. Das wären insgesamt weniger als 20 Personen. Aber die Definition ist wohl nicht ganz eindeutig, denn allein in Erfurt spricht das Innenministerium von 40 Hooligans, die – so wörtlich „rechtsoffen" wären. Stefan Heerdegen berichtet auch von vermummten Hools, die sich vor dem Erfurter Dom haben fotografieren lassen. Den rechten Arm zum Hitlergruß gehoben. Auch gibt es in Erfurt einen NPD Stadtrat, der aus der Fußballszene stammt und darüber hinaus sollen Gründungsmitglieder von "Gemeinsam stark Deutschland" auch aus Thüringen stammen.
Im benachbarten Jena leitet Mathias Stein das Fanprojekt, gleichzeitig ist er Sprecher der deutschen Fanprojekte. Er kennt die besondere Situation in Thüringen: "Also, dass ein bestimmter Prozentsatz in der Fußballfanszene und entsprechend in der Hooligan-Szene politisch rechts steht, das ist nicht wirklich überraschend, das war schon immer so. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn wir uns die Einstellungsmuster in der Gesamtbevölkerung anschauen."
Laut Thüringen-Monitor liegt der Anteil von Jugendlichen mit rechtsextremen Gedankengut sogar etwas über zehn Prozent. Im benachbarten Sachsen wurde die Überschneidung von Hooligans und Rechtsextremen vor Kurzem mit 20 Prozent beziffert. In Thüringen sieht Stein zwar die rechten Akteure, erkennt im Fußballumfeld aber keine übermäßige Mobilisierung von Rechtsaußen. "Im Stadion war davon nicht viel zu merken. Das hat für meine Begriffe auch was damit zu tun, dass zu diesen Demos Leute gehen, die eher aus dem rechten Spektrum kommen und wenig bis gar keinen Bezug zum Fußball haben."
Erfurter Demo wurde bereits zwei mal verschoben, Motto geändert
Stellt sich die Frage, welchen Bezug die Hooligans noch zum Fußball haben. In Sachsen und in Thüringen treten die Hools bei anderen Demos auf – bei Pegida, Legida, Thügida oder auch bei Protesten gegen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Thüringen. Als schlagkräftige Sturmtruppe der rechten Szene. In Erfurt organisieren die rechten Hools jetzt ihre eigene Demo. Im vergangenen Jahr sorgte Hogesa – also die Hooligans gegen Salafisten – mit gewalttätigen Demos in Köln und Hannover für Schlagzeilen. Gemeinsam stark Deutschland ist auch von ehemaligen Hogesa-Organisatoren gegründet worden. Die zurückliegenden Demos in Ludwigshafen und Wuppertal hatten aber nichts mehr von der Explosivität des letzten Jahres. Die Erfurter Demo wurde schon zwei Mal verschoben, jetzt hat man sogar das Motto geändert.
Statt "Gemeinsam gegen Salafisten" wollen die 600 Hooligans jetzt unter einem anderen Leitsatz durch Erfurt ziehen: "Hand in Hand, für unsere Kinder und unser Land!" Inhaltlich hat sich nach Meinung von Mathias Stein aber wenig geändert: "Dieses Label gegen Salafisten ist meiner Meinung nach nur vorgeschoben, um massiv fremdenfeindliche Meinungen kund zu tun – ganz grob vereinfacht – gegen alles, was nicht deutsch ist."
Polizei kommt mit Großaufgebot nach Erfurt, viele Sicherheitsmaßnahmen vorab
In Erfurt werden morgen zehn Gegendemonstrationen statt finden. Die Polizei wird mit sieben Hundertschaften im Einsatz sein. Die Demonstrationsroute wurde eingeschränkt, der Auftritt der Band "Kategorie C" verboten.
Trotzdem ist Polizeidirektorin Heike Langguth vorsichtig: "Was man hört aus den anderen Städten ist nicht positiv hinterlegt. Das heißt es gibt Ausschreitungen, es gibt unfriedliche Verhaltensweisen von Versammlungsteilnehmern. Das heißt wir werden unsere polizeilichen Mittel bei Ausschreitungen einsetzen. Es wird also auch der Wasserwerfer sichtbar sein und bei Bedarf zum Einsatz kommen können."
Man darf gespannt sein, wie viele Teilnehmer tatsächlich zu der Demo kommen. Die letzte Veranstaltung in Wuppertal hatte einen sehr überschaubaren Zulauf. In Erfurt wird sich also zeigen, ob das islamfeindliche Hooligan-Bündnis noch mobilisieren kann oder ob es in der Bedeutungslosigkeit versinkt.