Fußball im Westjordanland
Israelische Siedler nutzen den Sport

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sind mehr als 15 Monate vergangen. Nun gilt ein Waffenstillstand. Doch trotz dieser Feuerpause hat der Krieg weiterhin massive Konsequenzen, auch für den Sport im Westjordanland.

Von Ronny Blaschke |
Ein Palästinenser schießt während Unruhen im Westjordanland einen Fußball weg.
Bei den Auseinandersetzungen im Westjordanland spielt auch der Fußball eine Rolle. (IMAGO / Middle East Images / IMAGO / Wahaj Bani Moufleh)
Nur wenige Stunden vor der Ankündigung der Feuerpause vermeldete der Palästinensische Fußballverband den Tod von zwei weiteren Spielern. Damit stieg die offizielle Zahl der Sportler, Trainer und Funktionäre, die während des Krieges in Gaza getötet wurden, auf 715.
Unter ihnen befanden sich 95 Kinder, sagt Susan Shalabi, Vizepräsidentin des Palästinensischen Fußballverbandes. Zudem wurden fast 300 Sportanlagen beschädigt oder zerstört: „Einige Sportplätze in Gaza wurden in Friedhöfe umgewandelt, weil es keinen Platz mehr gab für die vielen Toten. Das Yarmouk-Stadion, eines unserer ältesten Stadien überhaupt, wurde von der israelischen Armee als Internierungslager genutzt. Auch im Westjordanland mussten wir fast alle Ligen und Aktivitäten einstellen. Es ist für unsere Mitglieder zu gefährlich, von einem Ort zum anderen zu reisen.“

Massive Zunahme von Attacken

Viele palästinensische Sportler durften für internationale Wettkämpfe nicht ausreisen. Um weiter Fußballländerspiele bestreiten zu können, verbringen palästinensische Nationalspieler Monate am Stück im Ausland, getrennt von ihren Familien.
Der Gaza-Krieg dürfte auch im Westjordanland noch lange nachwirken, sagt der Politikwissenschaftler und Nahost-Experte Jan Busse: „Wir haben eine massive Zunahme von gewalttätigen Übergriffen von Siedlern auf die palästinensische Zivilbevölkerung. Unter anderem auch auf Landwirte, deren Land diese Siedler teilweise versuchen, unter ihre Kontrolle zu bringen. Während sie gleichzeitig in der Regel nicht mit Strafverfolgung rechnen müssen. Sondern es ist oft eben so, und das ist dokumentiert, dass sich tatsächlich Angehörige der israelischen Streitkräfte teilweise an diesen Akten auch beteiligen, beziehungsweise die Siedler dabei unterstützen und sie schützen.“

Sportklubs in Siedlungen

Erst vor wenigen Tagen stürmten israelische Soldaten im Westjordanland den Sportverein Abu Dis. Sie verhörten 15 Mitglieder. Das israelische Militär bezeichnet Aktionen wie diese als „präventive Terrorbekämpfung“. Und darüber hinaus treibt die zum Teil rechtsextreme israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu die vom Internationalen Gerichtshof als völkerrechtswidrig eingestufte Besatzung massiv voran. Inzwischen sollen mehr als 700.000 israelische Siedler in den besetzten Gebieten des Westjordanlandes leben.
Und diese Siedler betonen ihren territorialen Anspruch auch mit Hilfe des Sports. So seien mindestens neun israelische Fußballvereine in den Siedlungen aktiv, beklagt die palästinensische Funktionärin Shalabi: „Die Sportplätze dieser Klubs wurden auf Grundstücken errichtet, die zuvor von palästinensischen Eigentümern konfisziert wurden. Und jetzt dürfen die rechtmäßigen Eigentümer diese Plätze nicht mehr betreten. Diese Sportvereine unterstützen Siedler, die immer wieder palästinensische Dörfer angreifen.“

Die Fifa vertagt die Entscheidung

Ein Report von Human Rights Watch legt dar, dass die Grundstücke der israelischen Siedlervereine früher von palästinensischen Bauern genutzt wurden. Über diese Sportvereine trägt auch die Fifa, so argumentiert es die Menschenrechtsorganisation, indirekt zur Aufrechterhaltung völkerrechtswidriger Siedlungen bei. Denn die Vereine sind im israelischen Fußballverband organisiert, der FIFA-Mitglied ist.
 „Seit mehr als zehn Jahren beschweren wir uns bei der Fifa“, bemängelt auch Susan Shalabi vom palästinensischen Verband. „Wir wurden dabei unter anderem von Parlamentsabgeordneten aus Großbritannien und der Schweiz unterstützt, sogar von einigen jüdischen Organisationen. Aber leider ist bislang nichts passiert.“

Solidarität aus dem globalen Süden

2017 drohte ein Ausschuss der Fifa mit Sanktionen gegen Israel, doch die Debatte ebbte wieder ab. Zuletzt während des Gaza-Krieges forderten mehrere nationale Fußballverbände, vor allem aus der arabischen Welt, härter gegen den israelischen Verband vorzugehen. Doch die Fifa vertagte eine Entscheidung dazu mehrfach. Und der Israelische Fußballverband ließ eine Anfrage des Deutschlandfunks zum Thema unbeantwortet. 
Palästinensische Sportfunktionäre wie Susan Shalabi vermissen die Solidarität aus westlichen Industrienationen wie Deutschland, Großbritannien oder Frankreich. Stattdessen erhalten sie Spenden von Sportverbänden aus Brasilien, oder sie werden zu Benefizveranstaltungen nach Südafrika eingeladen.

Die USA stehen zu Israel

Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München konstatiert: „Während es in europäischen Staaten eher heterogen ist, und auch in den USA teilweise die Unterstützung eher auf Seiten Israel sich befindet, sehen wir insbesondere im globalen Süden, also in den ursprünglich kolonisierten Gebieten der Welt, ganz große Solidararitätsbekundungen für die Rechte von Palästinenserinnen und Palästinensern.“
Israels wichtigster Verbündeter, die USA, sind auch im Sport eine Weltmacht, demnächst als Gastgeber der Fußball-WM 2026 und der Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles. Ob die USA gegen immer offensivere Siedler-Pläne Israels Stellung beziehen, ist unwahrscheinlich, erst recht unter dem neuen und alten Präsidenten Donald Trump.