Für Juventus Turin, Italiens Rekordmeister, ist das mehr als peinlich: Clubpräsident Andrea Agnelli, ein Spross der wohl berühmtesten Industriellenfamilien Italiens, ist für ein Jahr gesperrt. Nicht mal die Umkleidekabine darf er von nun an betreten, seinen Verein nicht beim italienischen Fußballverband vertreten. Juve muss außerdem 300.000 Euro Strafe zahlen.
In dem Verfahren ging es um die Weitergabe von Tickets an bestimmte Fangruppen. Es gilt als erwiesen, dass Ultras im Austausch für gutes Benehmen im Stadion vom Verein Kartenkontingente bekommen haben. Diese wurden dann in großem Stil auf dem Schwarzmarkt verscherbelt.
Ultras mit Beziehungen zur Mafia
Für Maurizio Crossetti von der Zeitung La Repubblica ist Juve nur ein Fall unter vielen: "Viele Vereine sind unter Druck - und sie müssen irgendwie die Chefs der Fans zufriedenstellen, um keine Scherereien zu haben, um Stadionsperren zu verhindern, Drohungen, Beschädigungen, unangenehme Situationen auch gegenüber den Spielern. Das heißt, dass viele Vereine nicht allein gelassen werden dürfen, aber auch, dass sie mehr Mut brauchen, um Erpressung - denn darum geht es - anzuzeigen, und ein paar schlimme Leute zu isolieren."
Das Problem von Andrea Agnelli und drei mitangeklagten Vereinsbossen ist: Teile der Ultras, mit denen Juve offensichtlich einen Deal gemacht hat, hatten beste Beziehungen zur Unterwelt.
Immer wieder fällt der Name Rocco Dominello: Einerseits ist er einer der führenden Vertreter der Ultras, andererseits wurde er gerade wegen Verstrickungen mit der 'Ndrangheta, der Mafia in Kalabrien, zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er gilt als Vertreter des berüchtigten Clans Pesce-Bellocco aus Rosarno. Angelli hat zugegeben, Dominello getroffen zu haben, aber behauptet, nichts von seinen Verstrickungen gewusst zu haben.
Auf europäischer Ebene darf Agnelli vorerst aktiv bleiben
Ivan Zazzaroni, Chef des Corriere dello Sport, fordert deshalb eine klare Linie der Vereine: "Das ist erst die erste Instanz - aber es ist eine Verurteilung. Das könnte dazu führen, dass überall, nicht nur bei Juventus, definiert wird, wer die Ansprechpartner der Vereine sind. Das dürfen keine Leute sein, die direkt oder indirekt zu kriminellen Kreisen gehören."
Das Urteil gilt sofort, auch wenn wohl noch weitere Instanzen angerufen werden. Agnelli hatte vor ein paar Monaten von einer einseitigen Schmutzkampagne gegen Juventus gesprochen. Dass das Problem des italienischen Vereinsfußballs noch viel größer ist? Geschenkt.
Auf europäischer Ebene kann Agnelli übrigens bis auf weiteres weiter aktiv sein: Gerade erst hatte er Karl-Heinz Rummenigge als Vorsitzender der Vereinigung der europäischen Clubs, ECA, beerbt. Er bleibt im Amt, aber er ist nach dem Urteilsspruch gegen ihn deutlich geschwächt.