"Ich halte diese Entscheidung für eine mittlere Katastrophe für den Fußball."
Die Katastrophe ist ausgeblieben, so wie sie damals der DFB-Vize-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder erwartet hatte. Zahlreiche Horror-Szenarien wurden ausgemalt, kaum eines von ihnen hat sich bewahrheitet.
"Die Vereine der ersten Liga müssen ihre Bilanzen korrigieren, SIE müssen diese Werte auf Null schreiben, von heute auf morgen, was zu einer ungeheuren Überschuldung führen wird. Die Zweitliga-Vereine die sich zum Großteil refinanziert haben von Transfers aus der zweiten in die erste Liga, werden vollkommen umdenken müssen."
Ein wegweisendes Urteil
Auch diese Prognosen Meyer-Vorfelders erweisen sich rückblickend als falsch. Dennoch veränderte das nach dem belgischen Fußballer Jean-Marc Bosman benannte Urteil aus Luxemburg Europas Fußball so wie keine andere Entscheidung. Es hat die Machtverhältnisse verschoben. Weg vom Verein - hin zum Spieler, sagt Christoph Metzelder, ehemaliger Nationalspieler und heutiger Vize-Präsident der deutschen Fußballer-Gewerkschaft.
"Es gibt einfach die Möglichkeit, das was an Transfersumme sonst zwischen den beiden Vereinen hin und her wechselt evtl. einen Teil davon als Spieler auch selber zu bekommen."
Das heißt: Bosman hat zahlreiche seiner Spielerkollegen zu Multimillionären gemacht. Und auch zahlreiche Spielerberater. Das kritisiert auch Klaus Allofs, Manager beim Bundesligisten VfL Wolfsburg, heute 20 Jahre nach der Entscheidung.
"Ich glaube, dass eben dort wo in der Vergangenheit ein Großteil in Ablösesummen investiert werden musste, und diese Ablösesummen dann zum größten Teil im Kreislauf verblieben sind, dann in Richtung Spieler und in Richtung Berater geflossen ist. Insgesamt war das keine so tolle Entscheidung."
Spieler werden zu selbstständigen Arbeitnehmern
Vorher mussten Vereine dem Spieler nur eine Vertragsverlängerung anbieten und durften dann eine Ablöse verlangen. Selbst nach einer ganz unlukrativen Vertragsofferte konnte man so eine Ablöseforderung stellen. Oder wie im Fall Bosman auch einen Wechsel blockieren. Der Spieler wurde also dank Bosman ein selbstständiger Arbeitnehmer. Und der Sport verlor einen Teil seiner Autonomie.
"Der Fußball ist ein geschlossener Markt, der davon lebt, dass 18 Vereine 17 Mal in der Vorrunde und 17 Mal in der Rückrunde gegeneinander Fußball spielen, und zwar unter möglichst gleichen Wettbewerbsbedingungen. Und das Transfersystem soll ja nichts anderes bewirken als gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, der Wegfall führt zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen, und damit ist das ganze System an sich nicht mehr in Ordnung."
Kommt bald eine Art "Bosmann-2-Urteil"?
Das sagte Wolfgang Holzhäuser einige Jahre nach der EuGH-Entscheidung. Damals war er Geschäftsführer des Bayer-Werksclubs Leverkusen. In der Tat fließt nun mehr Geld aus dem Fußball-System ab - hin zu Spielern, Beratern, Vermittlern. Aber es fließt auch zahlreiches neues hinein. Prämien-, Investoren-, Sponsoren-, Fernsehgelder, auch in der Prä-Bosman-Ära konnte von gleichen Wettbewerbsbedingungen nicht die Rede sein. Das System funktioniert, sagt Martin Bader, Geschäftsführer bei Bundesligist Hannover 96. Denn für kleinere Vereine besteht immer noch die Chance durch clevere Transferpolitik Erfolg zu haben.
"Die Vereine haben sich angepasst, und es gibt nicht nur Risiken sondern auch Chancen einen Spieler ablösefrei zu bekommen, wenn die Wirtschaftlichkeit dann nicht eins zu eins auf den Spieler übergeht."
Dass Ablösesummen mittlerweile in schwindelerregende Höhen gewachsen sind, hat nichts mit dem Bosman-Urteil zu tun. Sondern mit dem vielen Geld, was dem System zufließt. Die Spielergewerkschaft FIFpro will deshalb dagegen mit einer Art Bosman-2-Verfahren intervenieren. Sie hat bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt. Transfer-Obergrenzen und mehr Rechte für die Spieler fordern sie. Ausgang offen.