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Spielerberater für Minderjährige
Regulierte Freiheit

Dürfen Spielerberater an den Transfers von Minderjährigen mitverdienen? Nein, hat nun das Oberlandesgericht Frankfurt geurteilt. Verhandelt wird jedoch eine viel grundsätzlichere Frage: Dürfen Verbände durch eigene Regeln die Freiheitsrechte eines liberalen Wirtschaftssystems einschränken?

Von Daniel Theweleit | 11.12.2021
BVB-Spieler Youssoufa Moukoko
BVB-Spieler Youssoufa Moukoko ist minderjährig. An seinem Transfer dürfte noch kein Berater mitverdienen. (dpa)
Youssoufa Moukoko durchläuft gerade eine schwierige Karrierephase. Das 17 Jahre alte Talent von Borussia Dortmund hatte zuletzt Mühe, sich in der Bundesliga zu behaupten. Derzeit ist er verletzt. Vielleicht fragt er sich sogar, ob er besser bei einem anderen Klub Spielpraxis sammeln sollte, statt beim BVB auf Kurzeinsätze zu hoffen.
Wäre er volljährig, dann könnte er einen Spielervermittler darum bitten, nach einem Verein zu suchen. Und der Vermittler würde dann bei einem Transfer eine Provision bekommen. Doch solche Beteiligungen der Berater an Transfersummen bei Vereinswechseln von minderjährigen Spielern sind untersagt. So steht es im DFB-Reglement für Spielervermittler.

OLG Frankfurt: DFB schützt vulnerable Gruppen

Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main hat gerade geurteilt: Dieses Verbot ist gültig. Weil der DFB damit eine besonders vulnerable Gruppe vor Vermittlern schützt, für die das Geld mitunter wichtiger ist das Wohl des Spielers, erläutert das Gericht sinngemäß. Für Martin Fritzsche geht dieser Passus an der Realität vorbei. Er ist Anwalt für die Berater-Firma Rogon, die gegen das Reglement geklagt hat.
“Minderjährigenschutz ist zunächst einmal etwas, was auch durch den Gesetzgeber sicher zu stellen ist und auch sichergestellt wird. Es wird hier mit zweierlei Maß gemessen. In der Bundesliga dürfen Jugendliche jetzt inzwischen ab 16 Jahren spielen und dafür schließen sie letztlich Profiverträge. Und auch vorher schließen sie Verträge, mit denen sie sich über Jahre hinweg an Klubs binden dürfen. Das geht alles. Wo ist da der Minderjährigenschutz?“

Übliches Modell bleibt verboten

Spielervermittler müssen in solchen Fällen umsonst beraten, in der Hoffnung später einmal an einer größeren Ablösesumme beteiligt zu werden, wenn der Spieler volljährig ist. Oder sie verlangen ein Honorar. Das übliche Modell mit Beteiligungen an Gehalt und Transfersumme bleibt verboten.
Der Anwalt Martin Stopper, der im Auftrag des DFB an dem Fall arbeitet, begrüßt diese Entscheidung. Räumt aber ein: “Das ist schon ein bisschen eine Zwickmühlensituation. Denn oftmals haben die Eltern jetzt gerade nicht das Vermögen, jetzt groß in die Beratung zu zahlen. Dann muss man auch als Spielerberater überlegen, wie weit ich eine Beratung geben kann in Bezug auf künftige Gewinne, die ich vielleicht mit einem Transfer eines 18-Jährigen vereinbaren kann, aber nicht eines 14-Jährigen oder eines 16-Jährigen.“

DFB will Einfluss von Vermittlern klein halten

Den Verbänden und den Klubs auf der einen sowie den Vermittlern auf der anderen Seite geht es in der Auseinandersetzung aber um viel mehr. Verhandelt wird die grundsätzliche Frage: Dürfen Verbände durch eigene Regeln die Freiheitsrechte eines liberalen Wirtschaftssystems einschränken?

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Die Vereine und der DFB wollen ihre Wettbewerbe schützen und den Einfluss der Vermittler möglichst klein halten. Die Vermittler und ihre Agenturen wollen die Freiheiten eines kapitalistischen Marktes für ihr Geschäft nutzen. Rechte, die in den meisten anderen Branchen selbstverständlich sind.
Der Rogon-Anwalt Fritzsche fragt sich: “Kann man es tolerieren, ist es korrekt, dass ein privater Verband in einer letztlich freiheitlichen wettbewerbsorientierten Wirtschaftsordnung Märkte regulieren darf, bloß weil seine Mitglieder auf diesen Märkten tätig sind, und da die wirtschaftlichen Betätigungsfreiheiten anderer Akteure beeinträchtigt? Das ist das, um was es hier geht.“

Berater wollen bei Weiterverkauf beteiligt werden

Denn auch eine weitere Freiheit schränkt das Gericht mit seinem Urteil ein. Die Vermittler hätten gerne die Möglichkeit, bei einem Transfer nicht eine Provision vom Verein zu bekommen. Sie würden gerne auch schon vertraglich festhalten, dass sie im Falle eines Weiterverkaufs des Spielers eine zweite Zahlung erhalten, die sich prozentual nach der Transfersumme richtet. 
Solch ein Anreiz an einem künftigen Spielerverkauf zu partizipieren, würde den ohnehin wachsenden Einfluss der Berater auf Spielertransfers noch weiter erhöhen, sagt Der DFB-Anwalt Stopper. “Der Markt wird immer enger, die Agenturen werden immer größer, damit steigt ihre Macht. Und das ist natürlich eine Entwicklung, der jetzt auch die FIFA versucht entgegen zu treten und eben noch strengere Regeln fassen möchte.“

FIFA will Provisionen deckeln

Der Weltverband plant unter anderem, die Höhe von Provisionszahlungen auf drei Prozent der jeweiligen Gehaltssumme und zehn Prozent der Ablöse zu deckeln. Auch weil die hohen Summen, die im Moment an die Berater fließen, zu den Eigenheiten des modernen Fußballs zählen, die Fans zunehmend als abstoßend empfinden. Allerdings arbeitet die Mehrheit der Berater seriös und vertrauensvoll mit den Vereinen und den Spielern zusammen.
Ein emotionalisierendes Argument wie der Hinweis auf die hohen Einnahmen der Vermittler sollte vor den Gerichten keine Rolle spielen, sagt Fritzsche: “Das ist die Befürchtung letztlich, dass solche Aspekte in den Vordergrund rücken. Aber so funktioniert unser Recht nicht, muss man sagen. Alles, was in den Bereich passiert, findet mit dem Einverständnis aller Beteiligten statt. Es werden Verträge im Wettbewerb ausgehandelt, das erzeugt Ergebnisse, und die kann man gut finden oder schlecht finden. Aber das ist eben das Wesen des Wettbewerbs.“

Urteil noch nicht rechtskräftig

Stopper hält dagegen: "Jede Regel, die rechtfertigungsfähig ist, also die verhältnismäßig ist, um etwas zu schützen was schützenswert ist, ist zulässig. Ob sie von der FIFA kommt, vom DFB oder vom Bundesverkehrsministerium.“
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, beide Parteien prüfen noch, ob sie Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. Der Streit um die Regulierung der Vermittler könnte also weitergehen.