Der Fußballverband, so wird überzeugend belegt, war erschreckend schnell bereit mit den braunen Machthabern zusammenzuarbeiten: Schon im April 1933 erklärt der Vorstand des DFB, er halte
Angehörige der jüdischen Rasse, ebenso auch Personen, die sich als Mitglieder der marxistischen Bewegung herausgestellt haben, in führenden Stellungen der Landesverbände und Vereine nicht für tragbar.
Das überrascht kaum, liest man die biographischen Skizzen wichtiger Funktionäre nach. Chef des DFB war von 1925 bis 1933 Felix Linnemann, auch nach 1933 blieb er ein führender Fußballfunktionär in Deutschland. Hauptberuflich war Linnemann Kriminalbeamter, auch Mitglied der SS und nachweislich an der Erschießung von Roma und Sinti beteiligt.
Interessant auch die Beschreibung von Peco Bauwen, dem ersten DFB-Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg. Er begrüßte die Weltmeister von Bern 1954 mit einer von der Süddeutschen Zeitung so genannten "Sieg-Heil-Rede". Oder Reichstrainer Otto Nerz, der sich in dumpfen antisemitischen Tiraden erging, aber wegen fehlender Erfolge abgelöst wurde.
Der Führer ist ganz erregt. Ich kann mich kaum halten. Ein richtiges Nervenbad. Das Publikum rast. Ein Kampf wie nie. Das Spiel als Massensuggestion,
schrieb Joseph Goebbels am 8. August 1936 in sein Tagebuch.
Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Rudolf Heß, Goebbels, Göring und Reichsinnenminister Wilhelm Frick hatte Adolf Hitler am Vortag zum ersten und einzigen Mal ein Fußballspiel besucht. Das hoch favorisierte Deutschland traf in der zweiten Runde des Olympischen Fußballturniers auf Norwegen; nach sechs Minuten stand es 0:1, nach 90 dann 0:2. Der Kicker schrieb:
Nach eineinhalb Stunden dann bleierne Aschermittwochstimmung! Dieses 0:2 vor Adolf Hitler, der erstmals einem Fußballkampf zusah - das hätte einfach nicht drin sein dürfen. Das musste ausgeschlossen sein.
Kein Wunder, dass Otto Nerz nach der Olympiade abgelöst wurde. Sein Nachfolger wurde der spätere Bundestrainer Sepp Herberger, dem die Autoren eine "Karriere um jeden Preis" bescheinigen.
Herberger war einer, der sich unterordnete, wenn es erforderlich war, und der mit jedem auskam, wenn es notwendig war. Dem unbedingten Karrierewillen wurde alles untergeordnet, und diese Karriere war für ihn nur im Fußball möglich.
Schon 1937 hatte er als Reichstrainer eine Position erreicht, die ihm kaum jemand zugetraut hatte.
Diese versuchte er unter allen Umständen zu behalten, weshalb er zu einem Höchstmaß an äußerer Konformität mit dem Terrorstaat bereit war. Wegen dieser hohen Anpassungsfähigkeit machte er während der zwölfjährigen Diktatur von allen DFB-Funktionären in der Fußballhierarchie den größten Sprung nach vorn. Dass er mit seiner gesamten Tätigkeit selbst ein Rad im nationalsozialistischen Vernichtungsgetriebe war, hat er vielleicht niemals wirklich begriffen. In seiner Fixierung auf den Fußball verdrängte er die Tatsache, mit dem Nationalsozialismus paktiert und hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung wesentlich von ihm profitiert zu haben.
Was der Nationalsozialismus konkret für den Fußball bedeutete, wird anhand von Beiträgen zu einigen Vereinen beschrieben. Darunter finden sich Clubs wie Bayern München und Eintracht Frankfurt, die beide von jüdischen Präsidenten geleitet wurden, Clubs wie 1860 München, dessen Vereinspost schon 1932 mit "Heil Hitler" unterzeichnet wurde oder auch Nürnberg und Schalke 04, wo sich kein Widerstand gegen die Ausgrenzung langjähriger jüdischer Mitglieder regte. Über Schalke heißt es:
Der Verein und seine Mitglieder waren so gut und so schlecht wie die deutsche und eben auch die lokale Gelsenkirchener Bevölkerung im Nationalsozialismus insgesamt.
Zwar habe es keine überzeugten und fanatischen NS-Anhänger gegeben, aber auch keinen Widerstand.
Interessant ist besonders das Beispiel des FC. St. Pauli. In dem heute eher als "links" angesehenen Klub spielte in den 1920er und 1930er Jahren Otto Wolff. Über ihn schreibt René Martens:
Er war einer der ranghöchsten Schreibtischtäter der Hamburger NSDAP. Der Multifunktionär Wolff (SS-Rang: Standartenführer) war unter anderem ab 1940 Gauwirtschaftsberater in Hamburg und spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation der Zwangsarbeit, wobei er eng mit dem Leiter des Konzentrationslagers Neuengamme kooperierte.
Zudem war der langjährige Vorsitzende Wilhelm Koch - er regierte den Klub von 1933 bis zu seinem Tod 1969 mit Ausnahme der Jahre 1945 bis 1947, nicht nur NSDAP-Mitglied gewesen, sondern hatte auch von der Arisierung jüdischer Unternehmen profitiert. Das St. Pauli Stadion war von 1970 bis 1997 nach ihm benannt und heißt seit 1999/2000 nun wieder Stadion am Millerntor.
Wie die Vereine hat auch der DFB lange gebraucht, sich seiner Geschichte zu stellen. In der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen 1975 wird die Nazizeit in vier Sätzen abgehandelt und Festredner Walter Jens, der daran Kritik übte, stieß auf Missachtung, Kritik und Widerstand. Drei Jahre später rechtfertigte DFB-Präsident Neuberger die Fußball-WM im Argentinien der Militär-Diktatur - in unmittelbarer Nähe der Stadien wurden in Buenos Aires Menschen gefoltert.
Gleichzeitig besuchte der Nazi-Oberst Hans-Ulrich Rudel, der bis zu seinem Tod 1982 überzeugter Hitler-Verehrer und Nationalsozialist blieb und 1948 mit falschem Pass nach Argentinien gekommen war, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem Quartier. Die Proteste dagegen scherten den DFB wenig.
Erst unter den Nachfolgern Neubergers änderte sich das ein wenig. Schließlich bestellte der jetzige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger beim Historiker Nils Havemann eine Studie über die Rolle des DFB in der NS-Zeit. Havemanns "Fußball unterm Hakenkreuz" stellte dem Fußballverband ein recht gutes Zeugnis aus: Er begriff den DFB als "unideologischen Massensportverband", der nur über das Handeln einzelner Funktionäre ins NS-System integriert gewesen sei.
Das sehen die Herausgeber des vorliegenden Buches anders.
Ihr Fazit: Der Fußball war keine politikfreie Zone, die von den Nationalsozialisten instrumentalisiert und gleichgeschaltet wurde, vielmehr stützten zahlreiche Vereine und auch der Deutsche Fußball Bund aktiv das Regime.
Ihr Band "Hakenkreuz und rundes Leder" beweist dies mit einer Fülle an gut recherchierten und zumeist auch gut geschriebenen Beiträgen eindrucksvoll.
Lorenz Pfeiffer und Dietrich Schulze Marmeling sind die Herausgeber von "Hakenkreuz und rundes Leder", erschienen im Verlag die Werkstatt, 608 Seiten für 39 Euro 90.
Angehörige der jüdischen Rasse, ebenso auch Personen, die sich als Mitglieder der marxistischen Bewegung herausgestellt haben, in führenden Stellungen der Landesverbände und Vereine nicht für tragbar.
Das überrascht kaum, liest man die biographischen Skizzen wichtiger Funktionäre nach. Chef des DFB war von 1925 bis 1933 Felix Linnemann, auch nach 1933 blieb er ein führender Fußballfunktionär in Deutschland. Hauptberuflich war Linnemann Kriminalbeamter, auch Mitglied der SS und nachweislich an der Erschießung von Roma und Sinti beteiligt.
Interessant auch die Beschreibung von Peco Bauwen, dem ersten DFB-Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg. Er begrüßte die Weltmeister von Bern 1954 mit einer von der Süddeutschen Zeitung so genannten "Sieg-Heil-Rede". Oder Reichstrainer Otto Nerz, der sich in dumpfen antisemitischen Tiraden erging, aber wegen fehlender Erfolge abgelöst wurde.
Der Führer ist ganz erregt. Ich kann mich kaum halten. Ein richtiges Nervenbad. Das Publikum rast. Ein Kampf wie nie. Das Spiel als Massensuggestion,
schrieb Joseph Goebbels am 8. August 1936 in sein Tagebuch.
Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Rudolf Heß, Goebbels, Göring und Reichsinnenminister Wilhelm Frick hatte Adolf Hitler am Vortag zum ersten und einzigen Mal ein Fußballspiel besucht. Das hoch favorisierte Deutschland traf in der zweiten Runde des Olympischen Fußballturniers auf Norwegen; nach sechs Minuten stand es 0:1, nach 90 dann 0:2. Der Kicker schrieb:
Nach eineinhalb Stunden dann bleierne Aschermittwochstimmung! Dieses 0:2 vor Adolf Hitler, der erstmals einem Fußballkampf zusah - das hätte einfach nicht drin sein dürfen. Das musste ausgeschlossen sein.
Kein Wunder, dass Otto Nerz nach der Olympiade abgelöst wurde. Sein Nachfolger wurde der spätere Bundestrainer Sepp Herberger, dem die Autoren eine "Karriere um jeden Preis" bescheinigen.
Herberger war einer, der sich unterordnete, wenn es erforderlich war, und der mit jedem auskam, wenn es notwendig war. Dem unbedingten Karrierewillen wurde alles untergeordnet, und diese Karriere war für ihn nur im Fußball möglich.
Schon 1937 hatte er als Reichstrainer eine Position erreicht, die ihm kaum jemand zugetraut hatte.
Diese versuchte er unter allen Umständen zu behalten, weshalb er zu einem Höchstmaß an äußerer Konformität mit dem Terrorstaat bereit war. Wegen dieser hohen Anpassungsfähigkeit machte er während der zwölfjährigen Diktatur von allen DFB-Funktionären in der Fußballhierarchie den größten Sprung nach vorn. Dass er mit seiner gesamten Tätigkeit selbst ein Rad im nationalsozialistischen Vernichtungsgetriebe war, hat er vielleicht niemals wirklich begriffen. In seiner Fixierung auf den Fußball verdrängte er die Tatsache, mit dem Nationalsozialismus paktiert und hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung wesentlich von ihm profitiert zu haben.
Was der Nationalsozialismus konkret für den Fußball bedeutete, wird anhand von Beiträgen zu einigen Vereinen beschrieben. Darunter finden sich Clubs wie Bayern München und Eintracht Frankfurt, die beide von jüdischen Präsidenten geleitet wurden, Clubs wie 1860 München, dessen Vereinspost schon 1932 mit "Heil Hitler" unterzeichnet wurde oder auch Nürnberg und Schalke 04, wo sich kein Widerstand gegen die Ausgrenzung langjähriger jüdischer Mitglieder regte. Über Schalke heißt es:
Der Verein und seine Mitglieder waren so gut und so schlecht wie die deutsche und eben auch die lokale Gelsenkirchener Bevölkerung im Nationalsozialismus insgesamt.
Zwar habe es keine überzeugten und fanatischen NS-Anhänger gegeben, aber auch keinen Widerstand.
Interessant ist besonders das Beispiel des FC. St. Pauli. In dem heute eher als "links" angesehenen Klub spielte in den 1920er und 1930er Jahren Otto Wolff. Über ihn schreibt René Martens:
Er war einer der ranghöchsten Schreibtischtäter der Hamburger NSDAP. Der Multifunktionär Wolff (SS-Rang: Standartenführer) war unter anderem ab 1940 Gauwirtschaftsberater in Hamburg und spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation der Zwangsarbeit, wobei er eng mit dem Leiter des Konzentrationslagers Neuengamme kooperierte.
Zudem war der langjährige Vorsitzende Wilhelm Koch - er regierte den Klub von 1933 bis zu seinem Tod 1969 mit Ausnahme der Jahre 1945 bis 1947, nicht nur NSDAP-Mitglied gewesen, sondern hatte auch von der Arisierung jüdischer Unternehmen profitiert. Das St. Pauli Stadion war von 1970 bis 1997 nach ihm benannt und heißt seit 1999/2000 nun wieder Stadion am Millerntor.
Wie die Vereine hat auch der DFB lange gebraucht, sich seiner Geschichte zu stellen. In der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen 1975 wird die Nazizeit in vier Sätzen abgehandelt und Festredner Walter Jens, der daran Kritik übte, stieß auf Missachtung, Kritik und Widerstand. Drei Jahre später rechtfertigte DFB-Präsident Neuberger die Fußball-WM im Argentinien der Militär-Diktatur - in unmittelbarer Nähe der Stadien wurden in Buenos Aires Menschen gefoltert.
Gleichzeitig besuchte der Nazi-Oberst Hans-Ulrich Rudel, der bis zu seinem Tod 1982 überzeugter Hitler-Verehrer und Nationalsozialist blieb und 1948 mit falschem Pass nach Argentinien gekommen war, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem Quartier. Die Proteste dagegen scherten den DFB wenig.
Erst unter den Nachfolgern Neubergers änderte sich das ein wenig. Schließlich bestellte der jetzige DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger beim Historiker Nils Havemann eine Studie über die Rolle des DFB in der NS-Zeit. Havemanns "Fußball unterm Hakenkreuz" stellte dem Fußballverband ein recht gutes Zeugnis aus: Er begriff den DFB als "unideologischen Massensportverband", der nur über das Handeln einzelner Funktionäre ins NS-System integriert gewesen sei.
Das sehen die Herausgeber des vorliegenden Buches anders.
Ihr Fazit: Der Fußball war keine politikfreie Zone, die von den Nationalsozialisten instrumentalisiert und gleichgeschaltet wurde, vielmehr stützten zahlreiche Vereine und auch der Deutsche Fußball Bund aktiv das Regime.
Ihr Band "Hakenkreuz und rundes Leder" beweist dies mit einer Fülle an gut recherchierten und zumeist auch gut geschriebenen Beiträgen eindrucksvoll.
Lorenz Pfeiffer und Dietrich Schulze Marmeling sind die Herausgeber von "Hakenkreuz und rundes Leder", erschienen im Verlag die Werkstatt, 608 Seiten für 39 Euro 90.