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Fussball-WM 2014
Brasilien zieht gegen Hotelbetten-Wucher vor Gericht

Zur WM werden allein in Rio über eine Million Touristen erwartet. Allerdings sind die Hotel-Betten knapp. Und ein Teil der vorhanden sind schon von einem FIFA-Partner reserviert. Die Preise drohen zu explodieren. Nun wollen sich die Brasilianer wehren.

Von Carsten Upadek |
    Ein Mittelklassehotel in Rio de Janeiros Strandviertel Copacabana. Vor dem Eingang brennt im Dezember die Sommersonne auf den Boulevard. Drinnen an der Rezeption wird der Mitarbeiter schmallippig, wenn man ihn nach einem Zimmer während der Fußball-WM vom 12. Juni bis 13. Juli fragt: Nächste Woche sei wieder was verfügbar! Nach der Auslosung beginnt nun nämlich in vielen WM-Städten das Rennen um die letzten Zimmer. Stress pur für den Reiseveranstalter Carlos Silva, der deutsche Kunden betreut.
    "Sechs Monate sind bei uns im Geschäft sehr wenig Zeit. Wir werden sechs Monate haben, um den Touristen eine großes Kontingent von Zimmern zu besorgen, von denen wir gar nicht wissen, ob sie überhaupt existieren. Wie gesagt, Rio hat nur 18.000 bis 20.000 Hotelzimmer."
    Und die haben ihren Preis. Schon 2012 lag Rio de Janeiro laut dem Index eines Onlineportals für internationale Hotelbuchungen auf Platz drei der teuersten Übernachtungen weltweit – noch vor New York und Monte Carlo. Und die Preise steigen weiter – in allen WM-Städten. Eine Studie der nationalen Tourismus-Behörde hat ergeben, dass die Preise im Vergleich zu Juli/August diesen Jahres für den WM-Zeitraum um bis zu 583 Prozent gestiegen seien. Embratur-Präsident Flávio Dina hat dafür einen Schuldigen ausgemacht: die Firma Match Services, ein Dienstleister des Fußball-Weltverbands FIFA.
    "Match hat eine Monopolstellung, da sie frühzeitig alle verfügbaren Apartments der Hotels mit drei bis fünf Sternen in den MW-Städten erworben haben. Dadurch sind sie zum regulierenden Preis-Organ geworden."
    Das sieht Andreas Herren von Match Services ganz anders. Er bestätigt zwar, dass das Schweizer Unternehmen Verträge mit über 800 brasilianischen Hotels habe und deren Zimmer mit 30 Prozent Aufschlag über die FIFA-Homepage anbiete. Aber, so Herren:
    "Das ist nur ein Bruchteil der gesamten Hotelkapazität, die in Brasilien vorhanden ist. Das hat keine marktbeherrschende Position oder gar monopolistische Position. Das ist ein absolut hirnrissiger Vorwurf, der da in die Welt gesetzt worden ist."
    Doch Embratur-Präsident Flávio Dina sagt:
    "Heute hat Match ein Volumen an Zimmern in den Händen, dass es sich um ein tatsächliches Monopol handelt. Nimmt man alle Hotelkapazitäten, kontrolliert Match 30 Prozent, aber bei den Vier- und Fünf-Sterne-Hotels gibt es Städte, in denen sie 80 Prozent haben."
    Deshalb hat der Präsident der Tourismus-Behörde einen Brief an die brasilianische Hotelbranche und an die FIFA geschrieben und darin um Preissenkungen gebeten. Das Marktgesetz könne kein gültiger Maßstab sein, wenn es zu Absurditäten führe, heißt es da. Das Ergebnis ist offen.
    Match war schon bei der WM 2010 in Südafrika für die FIFA aktiv und hatte rund ein Drittel der Übernachtungskapazitäten geblockt. Als das Geschäft schlecht lief, gab die Firma kurzfristig über 440.000 Betten an die Hotelbesitzer zurück. Außerdem machte ein zweiter Ableger der Investorengruppe, Match Hospitality, einen Verlust von 50 Millionen Euro mit Business-Paketen. Grund, sagt Andreas Herren, sei gewesen:
    "Weil nicht so viele Leute nach Südafrika wollten aus vielen Gründen, unter anderem auch weil die Medien geschrieben haben, wie schrecklich kalt es dort sei und wie unsicher die Lage. Und da war natürlich die Wirtschafts- und Finanzkrise. Das hat viele Unternehmen daran gehindert, Großes zu klotzen."
    In Brasilien soll nun wieder geklotzt werden. Und trotz Verlust 2010 ist auch die Match Hospitality AG in Brasilien wieder aktiv. Dass der Neffe von FIFA-Präsident Sepp Blatter einer ihrer Teilhaber ist, soll kein Grund dafür gewesen sein. Als FIFA-Rechteinhaber erbringt die Firma mit ihren Partnern Premium-Services auf den lukrativen brasilianischen Markt –etwa Tickets fürs Stadion, Restaurantbesuch und Ausflug zur Samba-Gruppe.
    Die Partner sind bekannte Namen aus brasilianischen Untersuchungsberichten: die Reise- und Tourismus-Gruppe Águia sowie die Sportmarketingagentur Traffic. Beide sind verbandelt mit dem ehemaligen Präsidenten des brasilianischen Fußballverbands, Ricardo Teixeira. Bis zu seinem Rückzug nach etlichen Bestechungsskandalen 2012 war er auch die rechte Hand von FIFA-Präsident Blatter und hatte auch die Fußball-WM nach Brasilien geholt. Vor der WM-Zusage 2007 waren die Repräsentanten Brasiliens nach Zürich gereist und hatten für die WM im Sambaland geworben – und wohl einiges versprochen. Ein Insider aus dem Management einer großen Hotelkette berichtet, man habe der FIFA die Zimmer zugesagt. Deshalb habe Match bei allen großen Hotelketten 50 bis 80 Prozent der Zimmer blockieren können. Zumindest ein Teil der Verträge beinhalte eine inhaltliche Geheimhaltungsklausel, erfuhr der Deutschlandfunk exklusiv.
    Gegen die Hotelpreise bereitet nun die brasilianische Verbraucherschutzbehörde Procon eine Klage vor, die kommende Woche eingereicht werden soll. Procon bezieht sie sich dabei auf ein brasilianisches Gesetz, das Verbraucher gegen Wucher schützen soll. Das Gesetz sanktioniert den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zur Marktbeherrschung, Wettbewerbsverdrängung und beliebige Erhöhung des Gewinns. Ob aber Match Services oder die Hotels angeklagt würden, lässt Behördenchefin Cidinha Campos noch offen:
    "Wir sind noch in der Überprüfungsphase: Gerade schauen wir, was hat ein Zimmer vorher gekostet. Dann werden wir sehen, was sie jetzt dafür verlangen und wem sie ihre Räume zur Verfügung gestellt haben. Und dann werden wir genau wissen, gegen wen wir vor Gericht ziehen werden."
    Das hat schon einmal gut funktioniert. Anfang November klagte Procon gegen vier führende Fluggesellschaften wegen Wucherpreisen für Inlandsflüge während der Weltmeisterschaft. Obwohl es noch kein Urteil gibt, haben die Gesellschaften nun Preissenkungen versprochen. Denn bei einer Verurteilung drohen Strafen für immaterielle Schäden und der doppelte Wucherpreis.
    Die nationale Touristenbehörde Embratur rechnet nun für Januar auch mit Preissenkungen bei Hotelzimmern, so Flávio Dina. Sonst werde man alle juristischen Mittel anwenden. Reiseveranstalter Carlos Silva ist da skeptischer:
    "Ich würde die ausländischen Reiseveranstalter beschimpfen. Die fragen mit der Hoffnung an, dass die Preise runter gehen. Auf der anderen Seite gibt es die brasilianischen Hoteliers, die verkaufen nicht, weil sie hoffen, dass die Preise sich steigern. Das ist die pure Spekulation. Im Moment wird Poker gespielt, es ist eine Zockerei!"