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Fussball-WM
"Argentinien fühlt sich Deutschland nicht unterlegen"

Argentinien sehe sich vor dem Finale um die Fußball-Weltmeisterschaft weder als Favorit noch als schlechtere Mannschaft, sagte der argentinische Journalist Carlos Alfano im DLF. Das Team habe sich von Spiel zu Spiel gesteigert und sei "in einem sehr guten Zustand" ins Finale gekommen.

Carlos Alfano im Gespräch mit Johannes Kulms |
    Lionel Messi feiert Argentiniens Finaleinzug
    Der Star der argentinischen Mannschaft: Lionel Messi (dpa / picture-alliance / Srdjan Suki)
    Johannes Kulms: Gerade haben die Argentinier den Einzug ins WM-Finale geschafft. Wie ist da jetzt die Stimmung?
    Carlos Alfano: Das hat hier in Argentinien eine unglaubliche Euphorie ausgelöst. Es ist 24 Jahre her, dass es Argentinien zuletzt bei einer Weltmeisterschaft unter die letzten Vier geschafft hat. Schon das Erreichen des Halbfinales haben viele Leute auf der Straße gefeiert - da wurde bis in die späte Nacht gesungen und es gab Feuerwerke. Es war beinahe so, als wenn Argentinien bereits den WM-Titel gewonnen hätte! Das gab es auch 1990, als Argentinien ja ins Finale eingezogen war und dann Deutschland Weltmeister wurde. Also, hier herrscht jetzt schon viel Euphorie.
    Kulms: Waren denn die Menschen in Argentinien überrascht darüber, dass ihre Mannschaft den Finaleinzug geschafft hat?
    Alfano: Nein, eine Überraschung war das eigentlich nicht. Aber wir haben jetzt bei der WM eine Entwicklung der Mannschaft gesehen, die sich immer mehr gesteigert hat. Man muss sagen, dass es im Vorfeld des Turniers auch viele Diskussionen gab. Da wurde der Torwart Sergio Romero zum Beispiel infrage gestellt, der ja jetzt als Held aus dem Elfmeterschießen gegen Holland ging. Auch um andere Spieler gab es Diskussionen.
    Oder Argentiniens Trainer Sabella: Der wurde sehr kritisiert, womöglich eher aus politischen Gründen. Er hatte kurz vor der WM einer argentinischen Obdachlosenzeitschrift ein Exklusivinterview gegeben, in dem er sich mehr oder weniger als Unterstützer des politischen Modells bekannte, das wir hier in Argentinien haben. Er wurde dadurch nicht nur für seine politischen Ansichten kritisiert, sondern auch für seine fußballerischen Ansichten. Aber von Spiel zu Spiel ist die Mannschaft besser und auch gefestigter geworden.
    Jetzt hat man den Eindruck, dass die Probleme in der Defensive aber auch im Mittelfeld korrigiert werden konnten und sie jetzt in einem sehr guten Zustand ins Finale kommen. Deutschland ist ein Rivale, dem man mit Respekt begegnet. Aber Argentinien fühlt sich da nicht unter Wert. Das Team sieht sich weder als Favorit, weder als Kandidat auf den Titel, noch fühlen sie sich Deutschland unterlegen.
    "Sieg wäre für Argentinien ein doppelter Gewinn"
    Kulms: Wie viel wert wäre ein WM-Sieg Argentiniens in Brasilien mit Blick auf das Prestige?
    Alfano: Das wäre schon etwas sehr besonderes. Die Brasilianer wollten ja unbedingt ein Finale zwischen ihrer und der argentinischen Mannschaft. Denn beide Teams sind ewige Rivalen. Und am Sonntag werden die brasilianischen Fans sicherlich Deutschland unterstützen. Für Argentinien wäre der Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien ein doppelter Gewinn - denn für Argentinien ist das wirklich ein richtiges Auswärtsspiel.
    Kulms: Argentinien macht gerade wirtschaftlich recht schwere Zeiten durch. Was würde da ein Titelgewinn bei den Menschen auslösen?
    Alfano: Wenn Argentinien den Titel holt, würde das hier sicherlich viel Euphorie auslösen. Aber auch der Gewinn einer Fußballweltmeisterschaft wird hier die wirtschaftliche Lage nicht verändern oder sie verbergen. Aber ich muss auch sagen: Es stimmt, dass Argentinien gerade aus einer Rezession rausgeht. Aber die Situation ist nicht mit der Wirtschaftskrise 2001/ 2002 vergleichbar. Sozioökonomisch war das noch mal was ganz anderes, da herrschte hier Chaos. Wie dem auch sei: Ein WM-Titel würde die wirtschaftliche Lage heute vielleicht für ein paar Stunden oder ein paar Tage verdecken. Aber danach muss man auch zur Realität zurückkehren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.