Wie steht die FIFA nach dem Turnier da?
Während des Turniers gab es viel Kritik an der FIFA, vom DFB, aber auch aus der nationalen und internationalen Politik. Das EU-Parlament verurteilte die unter Korruptionsverdacht stehende Vergabe nach Katar und forderte vor allem die EU-Staaten mit großen Fußballverbänden auf, Druck auf die FIFA auszuüben. Das passierte alles, während die WM bereits lief. Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die beim Spiel der Deutschen gegen Japan die für die Mannschaftskapitäne verbotene One-Love-Armbinde trug, teilte FIFA-Präsident Gianni Infantino nach eigenen Angaben mit, dass sie das Verbot der Binde durch die FIFA für einen großen Fehler halte.
Doch die FIFA hat sich von der Kritik nicht beeinflussen lassen und ihr Verbot durchgesetzt - wohl ein Entgegenkommen gegenüber dem WM-Gastgeber Katar. Der ist neben der FIFA zweites großes Ziel der Kritik - unter anderem aufgrund des Umgangs mit Gastarbeitern und der LGBTQ+-Gemeinschaft. Trotz aller Kritik an Katar hat die FIFA das Emirat hofiert. FIFA-Präsident Infantino diente bei der WM als Sprachrohr und Instrument der Katarer. Das kurzfristige Verbot von alkoholhaltigem Bier in den Stadien, der Vorwurf einer "Doppelmoral im Westen", die Drohungen in der Diskussion um die Regenbogenbinde - all diese Dinge hat Infantino verantwortet, obwohl sie im Gegensatz zur vermeintlichen Weltoffenheit der FIFA stehen. Und noch immer gibt es prominente Unterstützer aus dem Weltfußball für das System FIFA und die dazugehörigen Wettbewerbe.
Die FIFA hat während des Turniers keine Sympathiepunkte gesammelt und jegliche Kritik an sich abprallen lassen. Daran ändert auch nichts, dass selbst der frühere FIFA-Präsident Sepp Blatter die Vergabe der WM nach Katar als Fehler bezeichnet. Er, der maßgeblich daran beteiligt war, dass das Großereignis in der Wüste stattfindet, möchte nun möglichst nicht mehr damit assoziiert werden.
Welche Veränderungen sind zu erwarten?
Es ist wahrscheinlich, dass sich die nationalen Verbände weiter dem Diktat der FIFA von Gianni Infantino unterwerfen müssen, wenn sie Teil des Weltfußballs bleiben wollen. Denn von innen ist keine Reform der FIFA zu erwarten. Infantinos Wiederwahl gilt als in Stein gemeißelt. Der Schweizer soll mehr als 200 Verbände hinter sich haben – von insgesamt 211. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness teilte mit, es habe sich niemand gefunden, der sich eine Kandidatur antun wolle, sie selbst eingeschlossen.
Angenommen, es würde jemand gegen Infantino kandidieren - er oder sie hätte kaum eine Chance. Außerhalb der UEFA, deren Mitglieder auch nicht geschlossen gegen den FIFA-Boss Infantino sind, hat er einen großen Rückhalt. Der DFB hat zwar angekündigt, den 52-Jährigen nicht zu unterstützen. Angesichts der erwarteten überwältigenden Mehrheit für den amtierenden FIFA-Präsidenten wird dies allerdings maximal eine symbolische Wirkung haben.
Dänemarks Verband DBU hatte kürzlich öffentlich mit einem Austritt aus der FIFA geliebäugelt. Man habe darüber mit anderen Verbänden aus Skandinavien gesprochen, es sei aber keine Entscheidung gefallen, sagte Verbandspräsident Jesper Möller. Wenig später bestätigte ein Pressesprecher zwar die Unzufriedenheit des dänischen Verbands mit der FIFA-Führung, nannte die Berichte über einen Austritt Dänemarks aus der FIFA aber ein "Missverständnis".
Angesichts der ungeheuren Unterstützung kann Infantino es sich leisten, unverändert weiter zu machen und die Reformgesuche der - vorrangig europäischen - Verbände abblitzen zu lassen.
Was ist mit Blick auf das nächste Fußballgroßereignis der Männer, die EM 2024 in Deutschland, zu erwarten?
Im Jahr 2018 setzte sich Deutschland gegen den Mitbewerber Türkei durch. Deutschland als Gastgeber muss sich an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen. Eines ist aber schon jetzt klar: Für ein zweites "Sommermärchen" nach der WM 2006 sind die Vorzeichen nicht gut: zum einen, weil der Fußball in den vergangenen Jahren immer wieder von Skandalen erschüttert wurde - und das nimmt auch die UEFA und deren Ex-Präsident Platini nicht aus. Zum anderen ist die politische Situation durch den Krieg in der Ukraine alles andere als vorhersehbar. Und, als Begriff ist das "Sommermärchen" von 2006 kaum noch ohne die Ergänzung "Skandal" denkbar - der DFB soll die WM mit einer Millionenzahlung gekauft haben. Die Affäre wurde nie vollständig aufgeklärt.
Hehre Ziele hat Deutschland für 2024 dennoch - so planen DFB und Bundesregierung unter anderem, die Fußball-WM klimaneutral zu gestalten. Ermöglichen soll das unter anderem ein europaweit gültiges Zugticket. Auch eine Menschenrechtsstrategie für heimische Turniere will man im BMI formulieren.
Könnte sich ein Szenario wie Katar wiederholen?
Dass Länder wie Katar eine Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten, werde es künftig nicht mehr geben, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf kurz vor dem Turnier. Die FIFA habe eine entsprechende Menschenrechtspassage aufgenommen. Demnach wäre eine Vergabe an Katar oder auch an Russland, unkritisch und ohne Auflagen, nur noch schwer vorstellbar: "Das hat sich geändert, der Sport und die Politik", so Neuendorf. Bei der FIFA allerdings sitzt - wie oben ausgeführt - weiter Gianni Infantino fest im Sattel, der Präsident hat die WM in Katar stets gegen jede Kritik verteidigt.
In der arabischen Welt wurde die WM in Katar als Erfolg angesehen, um die Region auf die Weltkarte zu bringen. Auch als Vehikel, um politische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Katar zeigte sich mit dem Beginn des Turniers zunehmend selbstbewusst, auch gegen ausländische Kritik wegen Diskriminierung und Ausbeutung - und präsentierte während der Vorrunde ein neues Abkommen über Gaslieferungen nach Deutschland.
Dies wirkt wie eine Steilvorlage für eine weitere WM-Bewerbung aus dem Nahen Osten: Saudi-Arabien plant eine interkontinentale Bewerbung für die WM 2030. Gemeinsam mit Ägypten und Griechenland, die dabei aber wohl als Juniorpartner fungieren werden. Allein aufgrund der finanziellen Möglichkeiten hat Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren bereits Milliarden im Weltsport investiert: für die Formel 1, eine eigene Golfserie oder die Übernahme des Premier-League-Klubs Newcastle United. Dabei ist auch dieses Land immer begleitet vom Vorwurf, Sportswashing zu betreiben.
Das Beispiel Katar dürfte dem saudischen Königshaus gezeigt haben, dass sich das Land nicht erst demokratisieren muss, um eine WM auszurichten, sagte Nahost-Experte Jakob Krais im Deutschlandfunk. "Und sie werden auch nicht ihr System, was Frauenrechte und Minderheitenrechte angeht, anpassen."
Quellen: dpa, sid, DLF