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Fußball-WM in Golfregion
Was Saudi-Arabien von Katar lernt

Die Fußball-WM in Katar wird vor allem aus Europa scharf kritisiert. Trotzdem bleiben die Beziehungen zu Katar gut, glaubt Islamwissenschaftler Jakob Krais. Mit Saudi-Arabien bringt sich der nächste Golfstaat für die WM 2030 in Stellung. Solche Turniere würden autoritär regierten Staaten nutzen, immun gegen Kritik zu werden.

Jakob Krais im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
 FIFA World Cup steht in beleuchteten Lettern vor der Skyline von Doha
"Die Funktionäre im Fußball sind "unendlich gierig" und einige Spieler auch, sagt der Sportsoziologe Gunter Gebauer vor der Fußball-WM in Katar, die er als "Mega-Gau" bezeichnet (IMAGO / PA Images / Byrne)
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar läuft und neben dem Sportlichen steht auch die Kritik am Gastgeberland aufgrund von Menschenrechtsverletzungen weiter im Fokus. Das sei von katarischer Seite "sicherlich nicht so gewollt", sagte der Kultur und Islamwissenschaftler Jakob Krais im Deutschlandfunk. "Man hat sich natürlich um diese WM beworben, um sich in einem guten Licht zu zeigen." Den Katarern gehe es "natürlich eben darum, mit dem Fußball Politik zu machen", so Krais.
Viel Kritik kommt auch aus Deutschland. Innenministerin Nancy Faeser saß beim ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan mit der "One Love"-Binde am Arm auf der Tribüne. Anderseits pflegt die Bundesregierung auch Wirtschaftsbeziehungen nach Katar und möchte das Emirat aufgrund des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine als Gaslieferanten gewinnen.

Deutsch-Katarische Beziehungen trotz Kritik "gut"

Dass die Kritik aus Deutschland Auswirkungen auf die Deutsch-Katarischen Beziehungen haben wird, glaubt Krais nicht. "Die Beziehungen sind ja sehr gut. Katar ist ein ganz wichtiger Investor in Deutschland und Großaktionär bei führenden deutschen Unternehmen wie VW, Siemens oder der Deutschen Bank. Und wir haben ja gesehen auch am Besuch von Robert Habeck, wo es um den Gasimport ging, dass die Beziehungen sehr gut sind. Die Interessen sind auch einfach da. Deutschland und die Bundesregierung setzen auch auf Katar als Partner in der Region und auch als Wirtschaftspartner. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass es da groß Konsequenzen geben wird."
Für Deutschland sei es wichtig, "gerade aus energiepolitischer Sicht, gute Beziehungen zu den Golfstaaten zu haben", sagte Krais. "Auf der anderen Seite ist es natürlich auch für Katar wichtig, gute Beziehungen zum Westen zu haben und auch zu Deutschland." Bei der Fußball-WM und den Investitionen in den europäischen Fußball zeige sich, dass Katar die Nähe zum Westen suche. Das Investment in den Sport sei ein Model, das für das Emirat funktioniere, so Krais. "Man kann diesen autoritären Staat gut aufrecht erhalten und hat trotzdem gute Beziehungen zu den westlichen Ländern. Man wird keine große Kritik oder Veränderungsdruck. Und das wird schon das Ziel gewesen sein, dass man das eigene Staats- und Gesellschaftsmodell so weitertreiben kann und man sich dann in anderen Bereichen sehr stark mit dem Westen verbindet."

WM 2030 in Saudi-Arabien?

Mit Saudi-Arabien bringt sich ein weiterer Golfstaat in Stellung, eventuell die WM 2030 auszurichten. Dadurch, und durch andere Investments in den Sport, wolle sich Kronprinz Mohamed bin Salman dem Westen öffnen und noch stärker als Reformer darstellen. Dadurch mache er sich dann auch "immun gegen Veränderungsdruck", sagte Krais. Nach innen regiere er dabei jedoch weiter konservativ und autoritär. "Wir sehen jetzt bei der WM auch immer Werbung für Tourismus in Saudi-Arabien. Das ist eine ganz neue Strategie, die eben auch diese Offenheit zeigen soll, aber gleichzeitig denke ich, wird sich an den Grundprinzipen des Staats und des Systems nichts ändern."
Sollte die übernächste WM 2030 nach Saudi-Arabien vergeben werden, trotz der Kritik, der sich der aktuelle Gastgeber Katar gerade ausgesetzt sieht, "wäre das schon ein ziemlich deutliches Zeichen, dass die Kritik eigentlich egal war." Und zudem "in gewisser Weise ein Vertrauensbeweis für die autoritär regierten Staaten am Golf, die sich eben immer mehr unverzichtbar machen, sowohl in der internationalen Politik als auch, was diese Großveranstaltungen angeht und sich natürlich dadurch gegen Kritik immer stärker immun fühlen dürfen."

Veränderungen auch bei den Sponsoren

Veränderungen seien auch bei den Sponsoren zu beobachten. Das habe man bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr schon gesehen. Sponsoren aus China und den arabischen Ländern bekämen immer mehr Gewicht. Das sei auch deswegen bemerkenswert, so Krais, "weshalb es natürlich auch immer ein bisschen die Frage ist, wie weit diese Kritik, vor allem die aus Europa, jetzt trägt. Es gibt ja immer diese Vorstellung, die FIFA hätte den Bogen überspannt und sich zu weit von den Fans entfernt. Aber es gibt eben sehr viele Menschen, die außerhalb Europas leben und sehr viele Firmen, die von außerhalb Europas in den Fußball investieren. Solange dieses Geschäftsmodell für die FIFA funktioniert, muss sie auf die Europäer gar nicht so viel Rücksicht nehmen. Zumal man auch sagen muss, dass es in Europa auf politischer und wirtschaftlicher Ebene gar nicht so schlimm aussieht mit den Beziehungen in den Golfstaaten."
Was wird Saudi-Arabien von der WM in Katar lernen? Staaten wie Katar oder Saudi-Arabien "werden sich nicht demokratisieren, um eine WM auszurichten", sagte Krais. "Und sie werden auch nicht ihr System, was Frauenrechte und Minderheitenrechte angeht, anpassen. Das heißt, man kann immer nur versuchen, sich aus deren Sicht ein mehr oder wenigen freundlichen Anstrich zu geben und ansonsten versuchen, die Kritik irgendwie zur Seite zu drängen. Das wird die große Frage sein, inwieweit das bei der WM in Katar noch klappt. Und ob der Gesamteindruck bleibt, dass das eine erfolgreiche WM war, oder ob sie doch sehr stark im Zeichen dieser Kritik dann stand."